Happy Birthday, Hayato!
Verschlafen drehte sich Hayato im Bett herum und griff nach seinem Handy. Nachdem er den Wecker ausgeschaltet hatte und der durchaus nervtötende Ton damit nun endlich verstummt war, ließ er den Kopf seufzend ins Kissen zurückfallen. Wieder eine Nacht, in der er kaum geschlafen hatte. Kein Wunder, dass er jetzt so müde war.
Dabei wollte er doch heute fit sein. An seinem Geburtstag konnte man doch nicht verschlafen durch die Gegend taumeln. Früher hatte er seine Geburtstage immer gemocht, doch mit der Zeit hatte er den Gefallen daran verloren. Nicht, dass er es hasste, Geburtstag zu haben. Oder älter zu werden. Es war eher der Tag selbst, als die Tatsache, dass es sein Geburtstag war. Valentinstag. Ein Tag, der in den letzten Jahren auch in seinem Freundeskreis immer mehr an Bedeutung gewonnen hatte. Und damit war eben sein Geburtstag etwas nach hinten gerückt.
Vielleicht würde er anders darüber denken, wenn er an einem anderen Tag Geburtstag hätte ...
Gähnend entsperrte er sein Handy und öffnete die erste der Nachrichten, die ihm auf dem Bildschirm entgegen leuchteten. Es waren schon einige, dabei war es erst sechs Uhr.
Satoris Nachricht hatte ihn bereits um 00:03 Uhr erreicht. Eine dreiminütige Sprachnachricht. Was hatte er auch anderes erwartet, natürlich hatte sich der Rotschopf direkt um Mitternacht melden wollen. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Hayatos Lippen, als er den Abspielbutton drückte und sich das kleine Gerät ans Ohr drückte. Nur einen Moment später schaffte er allerdings wieder etwas Abstand, als ihm die durchaus ziemlich laute Stimme ihres ehemaligen Mittelblockers aus dem Lautsprecher entgegenschrie. Die Lautstärke etwas reduziert, konnte er sich die Nachricht auch gut anhören, sich über die Geburtstagsglückwünsche und das Ständchen freuen, das ihm sein Kumpel sang. Freundlich bedankte er sich bei Satori, von dem er auch prompt wieder eine Antwort erhielt. Und mit der Antwort auch eine Einladung, heute Mittag nach dem Training noch kurz in Satoris Café vorbeizukommen.
Nachdem Hayato auch die restlichen Nachrichten und Glückwünsche beantwortet hatte, schälte er sich aus dem Bett. Gähnend streckte er sich, ließ seinen Rücken einmal knacken, bevor er endgültig aufstand.
Die Morgenroutine unterschied sich an diesem Morgen auch nicht von jedem anderen. Ins Bad während der erste Kaffee durchlief, danach erst einmal richtig wach werden. Gerade als sich Hayato an den kleinen Küchentisch setzte, klingelte sein Handy erneut. Dabei strahlten ihm die lächelnden Gesichter seiner Eltern vom Bildschirm entgegen.
„Guten Morgen Mum und Dad", sagte er als er den Anruf entgegen nahm.
„Hallo mein Schatz. Alles Gute zum Geburtstag. Auch von Oma, aber die wird dich bestimmt später nochmal selbst anrufen. Ach es ist so schade, dass du nicht heimkommen kannst, wir hätten dich so gerne ein bisschen gefeiert. Naja, das holen wir dann nach, wenn du das nächste Mal wieder vorbeikommst." Noch während seine Mutter ununterbrochen sprach und dabei kaum Luft holte, musste Hayato leise lachen. Doch als sich auch noch sein Vater mit einmischte wurde sein Lachen lauter.
„Du kannst ihm ruhig sagen, dass du trotzdem gebacken hast. Du weißt doch genau, dass es deine Mutter später sowieso erzählen wird. Und lass ihn doch auch mal zu Wort kommen."
„Danke Dad. Danke Mum. Ich freue mich schon, wenn wir das nachholen. Ich denke, dass ich nächsten Monat wieder ein paar Tage heimkommen kann. Und heute könnt ihr mich ja von daheim aus feiern." Das war wieder so typisch, diese leichte Sticheleien zwischen seinen Eltern. So war es schon immer gewesen, immer im Spaß, aber es war kaum verwunderlich, dass auch er so schlagfertig geworden war. Nicht bei den Eltern.
„Wir wollen dich auch nicht lange aufhalten, du hast heute sicher selbst genug vor. Wir wollten uns nur kurz melden und dir gratulieren."
„Dankeschön. Dann wünsche ich euch beiden noch einen schönen Valentinstag." Das konnte sich Hayato dann doch nicht verkneifen.
Kurz lachten auch seine Eltern. Valentinstag gefeiert hatten sie noch nie, das wusste er ganz genau. Dennoch sagte er es jedes Jahr aufs neue. „Danke, den werden wir haben, wenn wir deinen Geburtstagskuchen essen."
Nachdem er den Kaffee ausgetrunken hatte, zog sich Hayato um. Wie jeden Morgen ging er auch heute erst einmal eine Runde laufen. Für ihn als Libero war es wichtig, dass er fit war und genug Ausdauer hatte und so hatte er schon vor langer Zeit angefangen, auch neben dem offiziellen Training laufen zu gehen. Meist lief er morgens. Da war noch nicht so viel los, er war in Ruhe unterwegs und im Sommer waren dann auch die Temperaturen noch zu ertragen. Wobei das ja heute nicht das Problem sein sollte, momentan war es eher noch recht kühl. Aber immerhin regnete es heute nicht.
Während er joggte, geisterten ihm die Worte seiner Mutter noch einmal im Kopf herum. Du hast heute sicher selbst genug vor. Wenn Satori ihn vorhin nicht noch kurzfristig eingeladen hätte, dann hätte er - abgesehen vom Training - gar keine Pläne gehabt.
Ganz leicht verdüsterte dieser Gedanke seine Stimmung. Vor allem, wenn er an früher dachte, als er seinen Geburtstag noch richtig hatte feiern können. Schon von klein auf hatte er immer und überall schnell Anschluss und auch viele Freunde gefunden, die meisten Geburtstage wurden groß gefeiert. Irgendwie vermisste er das. Auch noch in der Oberschule konnte er seine Geburtstage gut feiern. Meist hatte das ganze Team an diesem Tag irgendetwas unternommen. Doch nach dem Abschluss, seitdem jeder von ihnen fest im Job eingebunden war und die meisten auch einen Partner hatten, fehlte unter der Woche einfach die Zeit für solche Ausflüge. Wenn man am 14. Februar doch wider Erwarten Zeit haben sollte, so war diese schon für den Partner reserviert. Nicht, dass Hayato kein Verständnis dafür hätte, das hatte er. Und er gönnte es ihnen auch, von ganzem Herzen. Dennoch fehlten ihm die gemeinsam gefeierten Geburtstage. Und dadurch, dass sie mitten in der Saison waren, konnte er auch nicht einfach das Training auslassen und zu seinen Eltern fahren.
Heute würde also wieder ein eher ruhiger Geburtstag werden.
Wieder zuhause angekommen zog Hayato zuerst die verschwitzten Trainingsklamotten aus. Schnell ins Bad, erst einmal schön warm duschen. Er war doch etwas durchgefroren, es war noch relativ kalt und er war eine etwas längere Runde als sonst gelaufen.
Als er nach der Dusche wieder auf sein Handy sah, hatte er noch ein paar Geburtstagsglückwünsche erhalten. Tsutomu und Reon wünschten ihm alles Gute und sagten beide, dass sie sich schon darauf freuen würden, wenn sie sich das nächste Mal treffen könnten.
Mit noch leicht tropfenden Haaren lief Hayato wieder ins Schlafzimmer und suchte seine Klamotten zusammen. Er müsste unbedingt wieder aufräumen, wenn er sich so im Zimmer umsah. Die letzten Tage hatte er kaum Zeit dafür gehabt, war allgemein kaum daheim gewesen, da das Training immer länger gedauert hatte. Kurzerhand hob er zumindest die paar T-Shirts und Hosen auf, die quer im Zimmer verteilt lagen und schmiss sie in den Wäschekorb, der hinter der Tür stand. Mehr konnte er allerdings auch nicht machen, denn als er auf die Uhr schaute, sah er, dass er schon gleich wieder los musste. Also schnell wieder ins Bad und fertig machen. Zum Glück hatte er gestern noch seine Trainingstasche gepackt, sodass er diese einfach schnappen konnte und aus dem Haus eilte.
Schon vor der Sporthalle, in der die Lions trainierten, lief Hayato ihrem Setter über den Weg.
„Moin Hayato. Komm her, lass dich drücken", rief dieser schon von Weitem, überbrückte die letzten Schritte etwas schneller und umarmte ihn stürmisch. „Alles Gute zum Geburtstag."
„Danke Sato", sagte Hayato lachend, als er wieder losgelassen wurde. Gemeinsam betraten sie die Halle.
„Und was hast du heute noch vor? Außer dem Training meine ich natürlich. Man wird schließlich nur einmal 25."
Verlegen kratzte sich Hayato am Hinterkopf. Kleinlaut rückte er nach einem weiteren fragenden Blick dann mit einer Antwort raus: „Um ehrlich zu sein gar nichts. Meine Freunde sind alle verplant und mitten in der Saison kann ich ja auch nicht einfach heimfahren."
„Wie ärgerlich. Ich hätte ja gesagt, wir könnten nach dem Training noch was unternehmen, aber ich kann selbst nicht." Kurz schwieg Sato, sah ihn leicht bedröppelt an. „Komm wir reden später mit den anderen. Und wenn alle Stricke reißen, holen wir deinen Geburtstag sicher nach."
„Ach was, mach dir keine Gedanken. Ich bins ja mittlerweile schon gewohnt nachzufeiern." Auch wenn Hayato nicht betrübt klingen wollte, ganz vermeiden ließ es sich nicht.
Sato wusste nicht so recht, was er antworten könnte, still blieb es dennoch nicht lange. Nur einen Augenblick, nachdem Hayato die Umkleide betreten hatte, riefen alle schon wild durcheinander und er wurde von allen Seiten beglückwünscht. Lachend bedankte er sich und zog sich um. Sein Geburtstag würde als Entschuldigung wohl kaum reichen, sollte er zu spät beim Training erscheinen.
Das Training selbst verlief recht ereignislos, war allerdings etwas anstrengender als sonst und Hayato bereute es ein bisschen, heute morgen die lange Runde gelaufen zu sein. Er war wirklich erschöpft.
Erleichtert seufzte er leise, als der Trainer abpfiff. Wer weiß, wie viele Bälle er noch hätte annehmen können, wenn sich seine Arme schon anfühlten, als würden sie gleich abfallen.
„Das war ein gutes Training. Wenn ich heute mit letzter Woche vergleiche, habt ihr euch nochmal ordentlich gesteigert. Dann machen wir mal Schluss für heute." Gerade als sich die Spieler auf den Weg zur Umkleide machen wollten, rief der Trainer noch einmal nach ihnen. „Ach wartet mal noch einen Moment, das hatte ich ganz vergessen. In der Halle werden morgen die Lampen getauscht. Mir wurde auch erst heute morgen Bescheid gesagt. Ich habe schon ein paar Mal versucht, den Managern klarzumachen, dass die sowas nicht in der Saison planen sollen, aber auf mich hört ja niemand." Frustriert zuckte er die Schultern. „Was ich damit sagen will: wir können morgen nicht in die Halle und ich glaube, euch würde ein Tag Pause auch mal gut tun, die letzten Wochen waren schließlich anstrengend genug. Also dann", sagte er, klatschte dabei in die Hände. „Wir sehen uns übermorgen in alter Frische."
Jubel ging durch die Reihen und die Spieler freuten sich schon auf den freien Tag.
„Dann kann ich ja heute Abend ohne schlechtes Gewissen mit meiner Freundin ausgehen." Hayato hörte, wie sich ihr Wingspiker Shin lautstark freute.
„Dann kannst du den Valentinstag mit ihr ja richtig genießen", lachten die anderen.
Angegriffen stemmte Shin die Hände in die Hüften. „Ihr seid echt keine Hilfe, Leute. Ganz ehrlich, ihr solltet mir lieber Mut machen, statt euch über mich lustig zu machen."
Sato war der Erste, der zu Shin ging. Beruhigend legte er ihm eine Hand auf die Schulter, sah leicht hoch um ihm in die Augen zu sehen. „Du kennst uns doch. Wir wünschen dir alles Gute, aber Glück wirst du keins brauchen. Erstens haben wir das alles schon bestimmt tausend Mal durchgesprochen und zweitens wissen wir doch, wie sehr Rose dich liebt. Sie wartet bestimmt schon ewig darauf, dass du sie endlich fragen wirst, dich zu heiraten." Um seine Worte zu unterstreichen drückte er die Schulter des großen Wingspikers noch einmal, ehe er an ihm vorbei zur Umkleide lief. „Ich will aber kein Gejammer hören, wenn dus doch versaust."
Dass Shins Schultern leicht nach unten sackten, entging Hayato nicht. Doch die anderen waren gut darin, das zu überspielen, machten weiter ihre Späße, redeten Shin aber auch etwas Mut zu. Sie alle wussten, dass Sato Recht hatte. Rose würde nicht nein sagen. Nur der liebe Shin schien da noch ein paar Zweifel zu haben.
„Hey Hayato, lass den Kopf nicht hängen. Du findest schon auch noch die Richtige."
Überrascht sah Hayato auf, sah in Satos helle Augen. „Das ist es gar nicht. Wenn ich früher gewusst hätte, dass das Training morgen ausfällt, hätte ich doch heimfahren können. Aber jetzt ist es zu kurzfristig, ich hab weder ein Ticket, noch Sachen gepackt." Schulterzuckend wandte er sich wieder seiner Sporttasche zu, holte ein Handtuch, Duschsachen und frische Klamotten heraus. „Aber alles halb so wild. Ich werd den Tag schon überstehen", lachte er. „Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Spaß mit euren Liebsten. Oder euren Bald-Verlobten", setzte er nach, sah Shin dabei noch einmal grinsend an. Bevor dieser sich von dem kurzen Schock erholen und etwas erwidern konnte, hatte sich Hayato bereits umgedreht und war in die Duschräume verschwunden.
Hier hatte er heute auch seine Ruhe, die meisten seiner Teamkollegen gingen direkt nach dem Training nach Hause, damit sie mehr Zeit mit ihren Partnern verbringen konnten. Zumindest am heutigen Tag wollten sie sich diese Zeit auch nehmen, da kam es wirklich sehr gelegen, dass sie morgen frei hatten.
Gedankenverloren trocknete sich Hayato ab und zog sich wieder an. Gerade als er die Halle verlassen wollte, traf er noch einmal auf den Trainer.
„Gut, dass ich dich nochmal treffe. Ich habe dir ja noch gar nicht gratuliert. Alles Gute zum Geburtstag." Passend dazu schüttelte er Hayatos Hand, danach liefen sie gemeinsam aus dem Gebäude. „Dann passt es ja super, dass wir morgen freihaben, ich nehme an, du feierst ein bisschen."
„Ein bisschen", murmelte Hayato, dachte dabei an Satoris Einladung von heute morgen. Ja, er würde zumindest ein ganz klein bisschen feiern können. So wie er den ehemaligen Mittelblocker kannte, hatte dieser sich bestimmt irgendein ganz besonders schmackhaftes Gebäck für den heutigen Tag ausgedacht. Wenn er nur an die Cupcakes vom letzten Jahr oder die Tarte vom Jahr davor dachte, lief ihm schon das Wasser im Mund zusammen.
„Na dann wünsche ich dir mal viel Spaß. Wir sehen uns übermorgen." Zum Abschied hob Hayato kurz die Hand, da sich hier ihre Wege trennten.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich zuerst noch etwas Warmes zu essen zu besorgen, doch er kannte Satori nun eigentlich schon gut genug, dass er wusste, dass er sich das besser sparen würde. So wie er den Rotschopf kannte, konnte es dieser kaum erwarten, dass er endlich bei ihm aufschlagen würde. Also ging es auf direktem Weg zu dem kleinen Café.
Während Hayato auf die Bahn wartete, holte er sein Handy heraus um Satori Bescheid zu geben, dass er sich jetzt auf den Weg machen würde.
Eine weitere Nachricht ploppte auf seinem Bildschirm auf. Eita wünschte ihm auch alles Gute zum Geburtstag. Lachend tippte Hayato eine Antwort ein, musste doch schmunzeln bei dem Gedanken daran, wie Eita ihm am späten Nachmittag total verpennt einen Geburtstagsgruß schickte.
Hayato: Von dir hätte ich eigentlich ein Ständchen erwartet XD
Eita: Sprachnachricht (0:26)
Kurzerhand hielt sich Hayato den Lautsprecher ans Ohr um Eitas Memo zu hören. Jetzt verstand er, warum der ehemalige Setter nicht direkt gesungen hatte. Wie sollte er auch, wenn seine Stimme fast weg war. Lachend hörte er sich das gekrächzte Ständchen an. Das würde er Eita noch eine ganze Weile vorhalten können.
Hayato: Wie lange habt ihr denn gestern gemacht? Du klingst echt schrecklich, kein Wunder, dass ihr nur in den kleinen Clubs spielt.
Eita: Hey, werd mal nicht frech. Du hast einen Geburtstagsgruß von dem Frontsänger einer Band bekommen, die nächsten Monat im RocketBell auftritt.
Hayato: Echt?! Du hast gar nichts erzählt, das ist ja super.
Eita: Hat sich gestern erst ergeben. Jetzt muss ich nur meine Stimme bis dahin wieder in die Reihe bekommen.
Hayato: Gute Besserung. Reservier mir ne Karte, dann komm ich euch anfeuern.
Eita: Haha XD Du, ich muss mal anfangen zu kochen, Kenji kommt schon bald heim, den hab ich heute noch gar nicht gesehen.
Hayato: Im Gegensatz zu dir hat der mir heute Morgen schon gratuliert. Viel Spaß euch beiden.
Etwas erschöpft ließ sich Hayato in der Bahn auf einen Sitz fallen. Der Tag war anstrengend, er war schon ziemlich lange auf den Beinen und das Training steckte ihm in den Knochen. Es war wirklich nicht schlecht, dass er morgen frei hatte und ausspannen konnte. Vielleicht würde er den morgigen Tag auch einfach durchschlafen und den ganzen versäumten Schlaf der letzten Wochen aufholen.
Das Klingeln des Türglöckchens war noch nicht einmal verklungen, da war Satori bereits hinter dem Tresen hervorgehüpft und begrüßte Hayato. „Na du Geburtstagskind, endlich bist du da. Alles Gute. So und jetzt komm, ich bin gespannt was du zu meiner neusten Kreation sagst." Überschwänglich wie so oft war er Hayato um den Hals gefallen, hatte ihm gar keine Zeit zum antworten oder gar atmen gelassen, zog ihn direkt mit zu einem noch freien Tisch in dem ansonsten komplett gefüllten Café. Kaum verwunderlich, Satoris kleines Café lief gut, hatte einen guten Ruf in der ganzen Stadt und gerade an Valentinstag waren besonders viele Pärchen unterwegs und verköstigten die süßen Leckereien.
„Du hättest dir wirklich nicht wegen mir noch extra Arbeit machen müssen", meinte Hayato, als der Inhaber des Ladens nur einen Augenblick später mit einem Teller zurückkam.
„Jetzt red keinen Schwachsinn, das mach ich doch gerne. Schon schlimm genug, dass wir dich er-", trällerte Satori fröhlich, stockte dann aber abrupt. „Dass wir dich nicht richtig feiern können. Es ist doch total blöd, dass wir das jedes Jahr irgendwann nachholen müssen, auch wenn das mittlerweile auch eine ganz schöne Tradition geworden ist." Mit einer eleganten Bewegung stellte er den Teller vor Hayato auf den Tisch. „Alles Gute. Lass es dir schmecken, ich komm gleich wieder, dann kannst du mir sagen, dass ich mich heute wieder selbst übertroffen habe." Lautstark lachend lief der Rotschopf wieder in die Backstube, Hayato konnte nur den Kopf schütteln. Wenn das kleine Küchlein auf dem Teller auch nur halb so gut schmeckte wie es aussah, dann müsste er Satori allerdings zustimmen. Das kleine Gebäck sah einfach köstlich aus. Und im Gegensatz zu all den anderen Speisen, die normalerweise am Valentinstag serviert wurden, war es weder in Herzform, noch in irgendeiner Weise rosa oder rot gefärbt. Er wusste, dass Satori das mit Absicht machte. Vermutlich hatte auch der Konditor in den letzten Tagen genug Rot und Rosa und Herzen gesehen, oder aber er wollte einfach etwas zu Hayatos Geburtstag machen, das sich auch optisch von dem ganzen Liebesgebäck abhob.
~
Müde setzte sich Hayato auf sein Sofa. Er hatte sich ja heute morgen schon gedacht, dass der Tag wohl ziemlich lang werden würde, doch dass er so erschöpft wäre, wenn er heimkam, damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Aber alles in allem war es ein schöner Tag gewesen. Das Training war gut gelaufen, Satoris Kuchen war fantastisch gewesen und er hatte viele Glückwünsche bekommen.
Am späten Abend hatte sich auch Shin nochmal mit einem Bild im Gruppenchat gemeldet, das Roses Hand zeigte, die von einem schmalen Silberring geziert wurde. Natürlich hatte sie seinen Antrag angenommen, genau so, wie sie alles es auch schon im Vorfeld gesagt hatten. Aber es war schön zu sehen und zu hören, wie die beiden sich freuten. Übermorgen im nächsten Training würden sie die ganze Geschichte haargenau erzählt bekommen, da war sich Hayato absolut sicher.
Ziellos zappte er durch die verschiedenen TV-Kanäle. So war es zumindest nicht so still in der Wohnung. Eigentlich wollte er gar nichts schauen, denn einen der tausend Liebesstreifen, die heute liefen, wollte er sich dann auch nicht antun. Sich von einem Film zeigen lassen, wie einfach es doch war, einen Partner zu finden? Nein danke, darauf konnte er ganz gut verzichten. Gerade heute, wo es ihm doch im realen Leben bereits den gesamten Tag vor Augen geführt wurde.
Natürlich hatte niemand Zeit, heute seinen Geburtstag mit ihm zu feiern, wo sie doch alle den Tag mit ihren Liebsten verbringen wollten.
Genervt schaltete Hayato den Fernseher wieder aus, nahm stattdessen das Handy zur Hand. Kurz scrollte er durch die Chats, vielleicht hatte er ja noch irgendeine Nachricht übersehen, doch da war nichts. Gerade wollte er die App wieder schließen, da fiel sein Blick auf einen Namen und er stockte mitten in der Bewegung.
Taichi
Von ihm hatte er heute noch gar nichts gehört. Dabei war der ehemalige Mittelblocker sonst immer mit Satori einer der ersten, die ihm gratulierten. In dem ganzen Stress heute hatte er das gar nicht bemerkt. Kurzerhand klickte er auf den Namen und öffnete den Chat. Es war nicht so, dass sie jeden Tag schreiben würden, aber sie hatten den Kontakt auch nach der Schule noch gehalten, schrieben regelmäßig miteinander und trafen sich auch ab und zu. Taichi war vor gerade einmal zehn Minuten zuletzt online gewesen. Doch das hatte nichts zu bedeuten. Ohne etwas dagegen tun zu können, fiel Hayato ins Grübeln. Ob Taichi seinen Geburtstag wohl vergessen hatte?
Einen Moment starrte er auf den Namen, unsicher, ob er vielleicht etwas schreiben sollte. An einem anderen Tag hätte er das auch getan, aber heute nicht. Bestimmt hatte Taichi etwas Wichtiges zu tun und hatte ihm deswegen nicht gratuliert. Da wollte er jetzt unter keinen Umständen stören, im schlimmsten Fall würde er sogar wirken, als wolle er nur Aufmerksamkeit, weil er ja Geburtstag hatte. Und das wollte er absolut nicht. Also schloss er seufzend die App und legte das Handy wieder zur Seite.
Missmutig griff er zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher noch einmal an. Es musste doch irgendeinen Kanal geben, der keinen Liebesstreifen brachte. Es war doch vollkommen egal, was er sich ansehen sollte, nur eben bitte keine Liebesschnulze.
Tatsächlich fand er eine Dokumentation über Erdmännchen, bei der er dann hängen blieb. Also legte er sich auf die Couch und deckte sich ein bisschen zu, machen würde er ja heute sowieso nichts mehr. Höchstwahrscheinlich würde es sowieso nicht lange dauern, und er würde einschlafen.
Gerade wurde erklärt, wie die Erdmännchen ihre Höhlen bauten, als es an der Tür klingelte. Erschrocken zuckte Hayato zusammen. Mit Besuch hatte er nicht gerechnet und eigentlich erwartete er auch niemanden. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, einfach liegen zu bleiben, als es erneut klingelte.
„Hayato, ich weiß, dass du da bist, also mach die Tür auf."
Sofort saß er aufrecht. Das war Taichi. Ohne Zweifel, das war Taichi, der da vor seiner Tür stand. Hilflos sah er sich im Wohnzimmer um, er hatte nicht aufgeräumt und es war auch schon ein paar Tage her, dass er zuletzt richtig geputzt hatte. Er hatte ja schließlich auch niemanden erwartet.
Immerhin hatte er heute Morgen noch ein bisschen Chaos beseitigt.
Noch ein drittes Mal klingelte es an der Haustür, gefolgt von einem lauten Klopfen. „Hayato, jetzt mach schon auf."
Unsicher öffnete Hayato die Tür.
„Na geht doch", grummelte Taichi, wurde dann aber etwas sanfter. „Darf ich reinkommen? Ich hab auch was zu essen dabei." Während er das sagte hielt er eine weiße Tüte in die Höhe. Noch immer sprachlos trat Hayato einen Schritt zur Seite, sodass Taichi an ihm vorbei in die Wohnung laufen konnte. „Kommst du?", fragte Taichi und riss ihn damit wieder aus den Gedanken. Als sich Hayato zu seinem unerwarteten Besucher umdrehte, hatte dieser bereits die Schuhe ausgezogen und war auf dem Weg ins Wohnzimmer.
„Möchtest du was trinken?" Erst jetzt fand Hayato seine Stimme wieder. Auch wenn er nicht damit gerechnet hatte, wollte er zumindest ein halbwegs guter Gastgeber sein.
„Ja gerne", kam es aus dem Wohnzimmer.
Kurzerhand holte Hayato zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und nahm noch eine Flasche Wasser mit ins Wohnzimmer. Taichi hatte in der Zwischenzeit das mitgebrachte Essen auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet. Dankend griff er nach dem Bier, dass Hayato ihm reichte.
Klirrend stießen die Flaschen gegeneinander. „Auf dich. Alles Gute zum Geburtstag", sagte Taichi lächelnd.
„Danke dir." Erfreut erwiderte Hayato Taichis Lächeln. Ein kurzer Blick über den Tisch zeigte, dass Taichi allerlei Leckereien mitgebracht hatte. Passend zu dem köstlichen Duft, der sich im Wohnzimmer ausbreitete, meldete sich auch Hayatos Magen mit einem lauten Grummeln, woraufhin die beiden jungen Männer lachen mussten.
„Da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen. Nicht, dass du ansonsten noch verhungert wärst", kicherte Taichi und reichte Hayato die Box mit den Frühlingsrollen. Er selbst griff nach einer anderen Box und den Stäbchen.
Nach einer Weile brach Taichi die Stille, in die sie während dem Essen gefallen waren. „Tut mir leid, dass ich mich den ganzen Tag über nicht gemeldet habe. Gestern die Schicht war die Hölle und ich bin einfach direkt eingeschlafen als ich daheim war. Und heute war auch nicht wirklich besser."
Lachend unterbrach Hayato ihn. „Du brauchst dich doch nicht zu rechtfertigen. Ich freu mich wirklich, dass du hier bist und auch, dass du was zu essen mitgebracht hast, irgendwie bin ich heute noch gar nicht so wirklich dazu gekommen. Es wäre zwar schöner gewesen, wenn du vorher was gesagt hättest, dann hätte ich auch aufräumen können, aber so war es eine schöne Überraschung."
„Also dachtest du nicht, dass ich dich vergessen hab?", fragte Taichi, traf damit den Nagel auf den Kopf. Auch wenn Hayato sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen, so verriet ihn seine Mine offenbar. „Ja, dachtest du. Ach verdammt, es tut mir wirklich leid."
„Ich sagte doch schon, alles gut. Du hast mich ja nicht vergessen, sonst wärst du nicht hier."
„Da hast du auch wieder recht."
Für Taichi war er schon immer ein offenes Buch gewesen. Wieso das so war, das wusste er nicht, doch egal was auch gewesen war, vor Taichi hatte er noch nie irgendetwas verheimlichen können. Zu Beginn ihrer Freundschaft hatte er es zwar ab und an noch versucht, doch mit der Zeit hatte er es aufgegeben. Es war sowieso zwecklos.
Irgendwann musste er wohl auf der Couch eingenickt sein, denn als Hayato die Augen aufschlug war es dunkel. Taichi hatte scheinbar den Fernseher ausgemacht. Wie viel Uhr es war, das konnte er nicht sagen, doch er hatte wohl schon eine Weile geschlafen. Und er hatte gut geschlafen. Ihm war ungewöhnlich warm und es dauerte einen Moment bis er wusste, woher diese Wärme kam. Taichi lag neben ihm, hatte einen Arm um ihn geschlungen und hielt ihn fest.
Ein breites Lächeln schlich sich auf Hayatos Lippen.
So konnte man den Valentinstag doch gut verbringen, auch wenn dieser wohl mittlerweile schon vorbei war.
Und vielleicht war es ja doch nicht so schlimm, am Valentinstag Geburtstag zu haben.
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