𝒘𝒊𝒏𝒕𝒆𝒓 | »Das gibt Krieg«
K A P I T E L || 43
{Emma Clark}
»Miss Clark?«, höre ich eine männliche Stimme hinter mir. Der Mann muss etwas älter sein, als ich, aber nicht wirklich alt. Vermutlich ein neuer Kunde, der die Gartenschläuche nicht findet. Wahrscheinlich hat er mein Namensschild gesehen. Niemand sonst hier nennt mich Miss Clark. Deshalb lege ich den Lappen, den ich in der Hand halte und dazu benutze, den Tresen abzuwischen, hin.
»Ja?«, frage ich und sehe in die Augen eines Mannes in den dreißigern, wie ich es mir schon dachte. Seine blauen Augen verstecken sich hinter einer Brille.
»Jeff Argent. Ich bin der neue Abteilungsleiter. Könnte ich Sie unter vier Augen sprechen?«
Innerlich gehe ich die Liste aller Sachen durch, die ich falsch gemacht haben könnte, aber mir fällt nichts ein.
Verwundert murmele ich: »Sicher.«
»Gut. Dann kommen Sie Mal mit. Wissen Sie, ich habe Sie beobachtet«, stellt er fest, während er in die Richtung der Ketten und Seile geht.
»Sie haben mich beobachtet?«, frage ich, als wäre er direkt von der Stasi. Vielleicht ein wenig zu forsch, wie mir im nächsten Moment auffällt.
»Nein, nein, nicht auf eine merkwürdige Art und Weise. Sie sind nur die beste meiner Verkäuferinnen. Die Art, wie Sie mit Menschen sprechen, ist wirklich gut.«
Verwundert zieht sich meine rechte Augenbraue in die Höhe. Das Lob kommt ein wenig unerwartet. Der Mann steuert auf die Tür zu, die ihn zu seinem Büro führt. Das letzte Mal war ich bei meinem Vorstellungsgespräch hier.
»Weshalb wollen Sie mich dann sprechen?«
»Sie kommen gleich zur Sache. Das gefällt mir. Setzen Sie sich, bitte.«, er deutet auf den Plastikstuhl vor seinem Schreibtisch. Nickend setze ich mich. Die Inneneinrichtung des Büros lässt stark zu wünschen übrig. Gut, was soll man erwarten, es ist eben ein Baumarkt.
»Da Sie, wie ich eben erwähnte, meine beste Verkäuferin sind, möchte ich Sie befördern. Beziehungsweise empfehlen. Die Abteilung, in der ich früher war, sucht einen neuen Abteilungsleiter«, schlägt er mir vor. Wenn er schon Abteilungsleiter war, warum hat er dann gewechselt?
»Sie fragen sich vermutlich, warum ich gewechselt habe. Nun, das Problem ist, dass ich demnächst heirate. Beziehungen unter Mitarbeitern sind nun einmal verboten. Daher...Nun ja, daher habe ich mich entschieden die Abteilung zu wechseln«, erklärt er. Diese Regel ist wirklich unnötig. Wir sind hier nicht beim FBI. Ich sehe nicht, wie eine Beziehung die Arbeit beeinflussen sollte. Aber gut. Eine Beförderung kann nicht schaden...immerhin muss ich ein Studium finanzieren. Das heißt aber auch, dass ich ab dem Herbstsemester nicht mehr Vollzeit arbeiten kann.
»Vielen Dank, dass Sie mich in Betracht ziehen«, antworte ich.
Jeff lehnt sich in seinem Bürostuhl, der sogar aus unserem Baumarkt stammt, zurückt. Er tippt sich mit seinem Zeigefinger an den Mund, als würde er schwer nachdenken.
»Sie wissen nicht, ob Sie das hier annehmen sollen. Die Frage ist nur, warum?«
»Da haben Sie recht«, gebe ich zu, »Ab Herbst studiere ich an der U of T und kann dann nicht mehr Vollzeit arbeiten. Ich denke nicht, dass das mit der Stellung eines Abteilungsleiters vereinbar ist.«
Nachdenklich murmelt er:»Vielleicht lässt sich da etwas drehen.«
»Wieso sind sie so nett zu mir?«, frage ich skeptisch, ohne zu beachten, wie das herüber kommt. Es ist schon ein wenig seltsam, dass er aus dem Nichts kommt und mir einen besseren Posten anbietet. Das ist doch nicht ganz koscher. Allerdings mache ich meine Arbeit nicht schlecht. Estelle zum Beispiel kaut den lieben langen Tag nur Kaugummi und wälzt die Kunden auf mich ab.
»Sie haben mich ertappt«, lacht er, »Mein Posten in dieser Abteilung hängt davon ab, ob ich noch einen passenden Bewerber für meinen alten Job finde. Also, was sagen Sie?«
»Wenn Sie tatsächlich etwas daran drehen können, dann...sage ich wohl ja.«
Herr Argent springt schon fast etwas zu enthusiastisch auf, um mir die Hand hinzustrecken, denn die Kaffeetasse auf seinem Tisch kippt fast um. Lächelnd stehe ich auf und reiche ihm meine Hand.
»Näheres erfahren Sie morgen.«
Während ich so das Büro verlasse, frage ich mich, seit wann mein Leben mir gute Karten zuspielt.
Als ich Estelle treffe, sieht sie mich schon fast ein wenig ängstlich an.
»Die nehmen aber keine Personalkürzungen vor oder?«
Kopfschüttelnd laufe ich an ihr vorbei und hole die Gießkanne heraus, um die Pflanzen zu wässern. Sieht so aus, als hätte ich bald einen etwas besseren Verdienst.
Innerlich bete ich, dass dieser Tag schnell vorbei geht. Stunden, in denen ich im Baumarkt arbeite, ziehen sich wie Kaugummi. Irgendwie habe ich die Hoffnung, dass sich das nach meiner Beförderung ändert. Das Ganze ist trotzdem noch ein wenig seltsam. Doch wie heißt es so schön: Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.
»Mit dir kann man nicht reden«, höre ich noch eine beleidigte Estelle schnauben, ehe sie wieder verschwindet. Daraufhin verdrehe ich meine Augen. Wenn sie meint.
Er hat mich geblockt!!! Ich hasse deinen Freund.
Ist nicht mein Freund. Du bist höchst wahrscheinlich selber schuld.
Herzloses Pack! Außerdem hasse ich ihn trotzdem.
Ich auch.
Das gibt Krieg!!!
Was willst du machen? Ihn anschreiben?
Du bist gemein. Ab sofort bist du nicht mehr meine Schwester.
Tze.
Gut, dass unsere Konversationen immer so fürchterlich geistreich sind. Schnell stecke ich das Handy wieder in die Tasche, bevor ich einen Kunden bediene.
Auf dem Weg nach Hause ist es so kalt, dass ich das Gefühl habe, dass der Frühling nie kommen wird. Es nervt mich, die ganze Zeit durch die Kälte stapfen zu müssen. Der Wind peitscht so stark gegen mein Gesicht, dass sich meine Haut ganz taub anfühlt. Irgendwann fällt mir noch meine Nase ab. Ich kann es förmlich kommen sehen.
Dass Shawn sie geblockt hat, finde ich bei genauerem Nachdenken schon etwas seltsam. Hat sie ihm nicht gesagt, dass sie meine Schwester ist? Wenn er sie dann geblockt hat, dann muss er mich ganz schön hassen. Verstehen kann ich es nicht.
Gut vielleicht hasst er mich nicht, aber er hat kein Bock auf mich oder meine Verwandtschaft. Irgendwie nervt mich das gewaltig.
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