𝒔𝒑𝒓𝒊𝒏𝒈 | »Unsinn«
K A P I T E L || 54
{Emma Clark}
»Was?«, platzt es nach einer kurzen Stille aus Shawn heraus. Er sieht aus, als würde er nichts von dem verstehen, was ich ihm sagen will. Das kann ich ihm nicht verübeln.
»Koniotomie. Dabei wird die Haut am Kehlkopf mit dem spitzen Skalpell etwa drei Zentimeter längs inzidiert. Danach wird die eigentliche Membran mit Skalpell, Nummer elf oder so...horizontal durchtrennt. In die entstehende Öffnung wird dann ein Endotrachealtubus mit einem Durchmesser von fünf Milimetern vorsichtig vorgeschoben, um die Beatmung zu ermöglichen. Der Tubus wird am besten unter Verwendung von Gleitgel auf einen Führungsdraht geschoben. Es empfiehlt sich, vor dem Eingriff den Kopf in den Nacken zu legen. Meist werden jedoch Punktionsverfahren zur Trachealpunktion-«, höre ich mich reden, ohne dass ich weiß, wo das alles auf einmal herkommt.
»Emma! Wovon redest du?«
»Shawn, wegen dir brauche ich einen Luftröhrenschnitt!«
Shawn scheint langsam durchzudrehen. Sein Blick verrät mir, dass ich für ihn ein einziges Rätsel bin. Vermutlich sehe ich gerade aus, wie ein Sudoku mit Augen und Ohren.
»Du nimmst mir die Luft weg. Wegen dir war ich am Ersticken. Du kannst nichts dafür, aber...Es ist so. Du willst alles oder nichts. Ich kann dir aber nicht alles geben. Trotzdem bist du hier und willst mit mir reden. Es ist als würdest du eine Krikotomie mit einem Kugelschreiber versuchen. Du rammst ihn einfach ohne Plan rein. Du bist nicht Owen Hunt! Du willst reden? Es gibt nichts zu reden. Du hast dich entschieden, genauso wie ich mich entschieden habe. Du hast mich vor eine Entscheidung gestellt. Mir die Luft weggenommen. Jack hat mich gerettet. Aber jetzt, wo ich bei ihm im Krankenwagen liege, kommst du daher stolziert und rammst mir deinen dreckigen Kugelschreiber in die Luftröhre. Doch alles was ich mache, ist bluten. Wäre ich nicht mit Jack hergekommen, dann hättest du doch nie versucht mit mir zu reden. Jetzt geh...ich muss Pinkeln.«
Eine Weile schaut er mich noch verdutzt an, doch dann tritt er einen Schritt zurück, sodass ich die Tür schließen kann. Schnell drehe ich den Schlüssel im Schloss um, als würde ich befürchten, dass er zurück kommt. Es war nicht der Alkohol, der aus mir gesprochen hat, das schleppe ich schon länger mit mir herum. Die Shots haben nur dazu geführt, dass ich anfange, medizinische Vorgänge herunterzurattern. Da soll einer noch einmal sagen, dass man beim Serienschauen nichts lernt. Vielleicht sollte ich Medizin studieren.
Als ich aus dem Bad komme, wartet schon der Nächste darauf, dass es frei wird. Da die Sache mit Shawn jetzt geklärt ist, kann ich mich wieder wichtigeren Dingen widmen. Nämlich verdammt noch einmal Spaß zu haben. Letztendlich ist das wahrscheinlich die beste Zeit meines Lebens. Ich fange bald an zu studieren und bin auf Parties, von denen jeder normal Sterbliche, wie ich, nur träumt. Estelle würde sich einen Arm abhacken, um hier zu sein.
Deshalb mache ich mich auf den Weg zu einem Typen, der gerade Shots verteilt. Vodka, wie ich sehe, als ich mich dem Geschehen nähere. Alle finden es immer ekelhaft russisches Wasser pur zu trinken, doch ich habe absolut kein Problem damit. Vermutlich, weil ich blaue Augen habe. Ich habe mal gelesen, dass Trinkfestigkeit mit der Augenfarbe zusammenhängt. Mit Geschmack hat das jedoch nichts zu tun.
In dem Moment, als ein Shot vor mich gestellt wir, beginnt das Lied City of Angels. Ich summe das Lied mit und nehme einen Shot für Jack mit. Als ich ihm den Shot überreiche, singt er mit »I just want to see you naked!«, woraufhin wir beide lachen müssen.
Nachdem wir beide die Spirituose heruntergekippt haben, zieht mich Jack mit einer Hand, die er um meine Taille legt, zu sich. Ich ziehe die Luft scharf ein. Bei ihm reicht diese kleine Berührung, um mich komplett verrückt zu machen. Mit der anderen Hand hebt er mein Kinn zu ihm hoch, damit der seine Lippen auf meine legen kann. Während unsere Lippen sich auf einander bewegen, versinke ich in dem heißen Kuss.
»Willst du tanzen?«
»Sehr gerne«, stimme ich lächelnd zu.
»Fall mir danach aber ja nicht wieder über eine Tasche«, gibt er mahnend von sich, als wir uns auf den Weg zu der Mitte des Raumes machen, wo tatsächlich einige tanzen. Als Jack mich in eine Drehung zieht, bemerke ich, wie Shawn uns mustert. Hat er uns schon die ganze Zeit beobachtet? Etwas schon bei dem Kuss?
»Bilde ich mir das ein oder mustert mich dein Ex, als würde er mich auf der Stelle vor allen umbringen wollen?«, fragt Jack abwesend. Ich tanze weiter, als wäre nichts gewesen, antworte dann jedoch: »Das ist so. Vorhin ist er mir ins Bad gefolgt, um zu reden.«
»Sollte mich das irgendwie beruhigen? Denn das hat es nicht«, lacht er.
»Dich könnte beruhigen, dass ich dich gleich dazu auffordern werde, mit mir die Party zu verlassen und zu mir zu gehen. Natürlich nur, wenn du nicht lieber hier bleibst«, flüstere ich ihm ins Ohr.
»Uns wird niemand vermissen. Außer vielleicht Shawn. So, wie er dich anstarrt, hat er etwas von einem Psychokiller. Lass uns verschwinden.«
Grinsend laufe ich hinter ihm her, während er meine Hand hält. Damit verlassen wir die Party. Etwas beunruhigend ist jedoch, dass mich Shawn so anstarrt, als hätte ich ihm sein Muffins weggessen. Direkt vor seinen Augen. Oder schlimmer noch: Als hätte ich ihm das Herz gebrochen. Jedoch habe ich das nicht.
Mit Jack steige ich in ein Taxi, das uns relativ schnell nach Hause bringt.
»Ich kann mich so nicht konzentrieren«, murmele ich, als ich zum dritten Mal versuche den Schlüssel ins Schloss zu stecken, weil ich in meinem Nacken Jacks heißen Atem spüre. Doch endlich bekomme ich es hin, schließe auf, um direkt danach gegen die Tür gepresst und in einen Kuss gezogen zu werden. Mein Atem geht unfassbar schnell. Jede Berührung ist wie ein Bitz, der sich entlädt.
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