𝒔𝒑𝒓𝒊𝒏𝒈 | »Opfer«
K AP I T E L || 66
{Emma Clark}
Jack hat mir versprochen, mir morgen ein Teil von dem neuen Lied zu schicken. Vermutlich ist das nur eine Taktik, um mich abzulenken. Er hofft bestimmt darauf, dass ich bis morgen vergessen habe, dass er mir etwas schicken wollte oder nicht noch einmal nachfrage. Da hat er sich aber geschnitten. Als es an der Tür klingelt, mache ich mich auf den Weg zu ihr. Es ist schon relativ spät, weshalb ich auch eigntlich keinen Besuch mehr erwarte.
»Shawn?«, frage ich verblüfft, als ich die Tür öffne und er davor steht.
»Sorry, dass ich dich so spät noch störe, aber ich habe chinesisches Essen dabei. Was hältst du von einem Filmabend?«, fragt Shawn und hält die Tüte hoch. Mir kommt ein Schwall von Essensgeruch entgegen.
»Eigentlich habe ich schon gegessen, aber komm doch rein. Gegen Frühlingsrollen kann ich nichts sagen«, antworte ich und grinse. Wegen des ganzen frittierten und panierten Essens werde ich noch fett. Wenigstens mit Shawn zusammen.
»Oh...Das hätte ich mir wohl denken können«, murmelt er und betritt die Wohnung. Ich schließe die Tür wieder und folge ihm ins Wohnzimmer, wo er die ganzen Tüten aufmacht.
Überrascht stellt er fest: »Du hast ja seit gestern eine ganze Menge geschafft!«
Als er das sagt, schüttele ich meinen Kopf und deute auf die Stecknadeln. Erkennt sonst noch jemand einen roten Faden? In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so viel über diese kleinen Dinger geredet, wie in den letzten Tagen.
»Siehst du?«, sage ich schließlich, »Das ist alles nur festgesteckt. Ich habe noch ein ganze Menge zu tun. Das Meiste ist außerdem noch gar nicht zurrecht geschnitten.«
»Sieht trotzdem gut aus«, sagt Shawn, bevor er sich auf dem Sofa zurück lehnt.
»Sag Mal, was gibt es bei dir Neues? Also ich meine wir haben uns zwar gestern erst gesehen, aber was ist passiert, während wir na ja...eine Freundschaftspause hatten?«, frage ich und setze mich neben Shawn. Meine Beine verschlingen sich im Schneidersitz. Mit meiner rechten Hand schnappe ich eine der Boxen, auf denen in rot ein chinesisches Zeichen draufgedruckt ist.
»Neues? Ich habe an einem neuen Album gearbeitet. Ansonsten habe ich nicht so viel gemacht. Ein paar Interviews hier und da, aber eigentlich habe ich mich voll und ganz auf die Musik konzentriert. Was du gemacht hast weiß ich ja...«, bekomme ich eine etwas seltsame Antwort. Gut, was soll man auf diese Frage schon sagen? Vermutlich hat er nicht viel mehr gemacht. Irgendwie habe ich trotzdem erwartet, dass er etwas von Camila erzählt. Immerhin sind die Beiden zusammen.
»Was willst du denn damit sagen? So langweilig ist mein Leben jetzt auch nicht!«, protestiere ich. In dem Moment, in dem ich das ausspreche, wird mir anhand seines Gesichtsausdrucks klar, dass er das vermutlich nicht gemeint hat.
»Behandelt Jack dich wenigstens anständig?«, fragt er dann. Zustimmend nicke ich. Das Ganze driftet mir jetzt doch in eine eher unangenehme Richtung ab. So war das nicht geplant. Ja okay, ich habe auch an Camila gedacht, aber das ist etwas anderes. Sofort meldet sich die Stimme in meinem Kopf. Warum sollte das einen Unterschied machen? Wir sind beide in einer Beziehung und wir beide sind wieder gut befreundet. Da redet man über so etwas. Das ist ganz natürlich.
Shawn fallen ein paar Nudeln in den Schoß, als er gerade dabei ist, sie mit den Stäbchen zu seinem Mund zu führen. Ohne meinen Reflex zu kontrollieren, pruste ich laut los.
»Du Opfer!«, bringe ich unter lautem Lachen heraus. Woher das jetzt kam, ist mir schleierhaft. Das letzte Mal, dass man sowas gesagt hat, war wohl in der fünften Klasse.
»Wie erwachsen«, zischt Shawn, während er auf die Nudeln starrt, die ihm runtergefallen sind. Mit den Stäbchen versucht er jetzt, sie wieder hochzuheben. Daraufhin muss ich nur noch mehr lachen. Es ergibt ein lustiges Bild. Trotzdem stehe ich auf, um ein paar Küchentücher für ihn zu holen.
»Warte kurz, ich hole dir was, womit du das wegmachen kann. Außerdem hole ich dir noch ein Lätzchen!«, sage ich und kann mir den letzten Teil meiner Aussage einfach nicht verkneifen. Shawn brummt irgendwas, das ich nicht verstehe. Es klingt allerdings wie ein kleines, motziges Kind. In der Küche angekommen, reiße ich mir ein paar Küchentücher ab und will gerade zurück gehen, als ich eine Nachricht von Estelle erhalte.
Können wir die Schichten tauschen? Mein Ex treibt mich in den Wahnsinn!
Wir sind nicht mehr in derselben Abteilung. Tut mir leid!
Kannst du mir nicht diesen einen Gefallen tun?
Es geht leider wirklich nicht. Der Einzige, mit dem du die Schichten tauschen könntest, wäre dein Ex, aber für morgen seit ihr ja zusammen eingeteilt.
No shit, Sherlock.
Kopfschüttelnd bringe ich Shawn die Küchentücher. Das wird lustig morgen. Es tut mir natürlich leid, sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen, aber da muss sie durch.
»Hat dich jemand auf dem Weg zur Küche entführt und du musstest dich erst aus seinen Fängen reißen, bevor du dich wieder auf den Weg zu mir machen konntest?«, fragt Shawn und reißt mir die Tücher aus der Hand.
»Behandelt man so seinen Freund und Helfer?«, entgegne ich. Damit setze ich mich wieder hin.
Shawn verdreht die Augen und schnaubt: »Du bist nicht vom Staat angestellt, sondern du hast mir lediglich ein paar Tücher gebracht.«
»Dein Freund bin ich trotzdem und geholfen habe ich auch. Aber weißt du was? Ich hoffe die Fettflecken bleiben in deiner Hose!«, antworte ich, woraufhin Shawn aufhört seine Hose sauber zu machen und mir einen Mörderblick zuwirft. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich jetzt tot. Anscheinend versucht er sein Bestes, um das in die Wirklichkeit umzusetzen, denn genau in dem Moment kann ich einen Kissenangriff noch gerade so abwehren.
Als Rache werfe ich ihm auch eins an den Kopf. Leider kann er das mit einem Handgriff fangen.
»Du wirfst, wie ein Mädchen!«, provoziert er mich. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen.
»Und du wie ein Musiker«, wehre ich mich und fange das Kissen, das er mir entgegen wirft.
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