
"Du entschuldigst dich zu oft."
Guten Abend!
Wenn auch spät, ist hier ein neues Kapitel für euch. Es wird emotional, viel Spaß dabei!
Wörterzahl: 1865
Zitat: „Du entschuldigst dich zu oft."
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Nervös tippe ich mit den Fingernägeln auf den Holztisch. Nur das Ticken der Wanduhr durchbricht die Stille. Ich konnte die letzte Nacht überhaupt nicht schlafen und auch den Tag über war ich derbe unruhig. Denn ich weiß, was in den nächsten Minuten auf mich zukommen wird. Gleich wird er kommen, gleich werde wir reden. Immer wieder muss ich tief durchatmen, um Ruhe zu bewahren. Trotzdem zeigt die Pulsmessung meiner Smartwatch einen Wert von über Hundertzwanzig.
„Fahr dich runter", sage ich mir immer wieder, „Du kannst das."
Wenn ich zurückdenke, wie oft meine Mama schon gesagt hat, was für ein starkes Mädchen und heute eine ebenso starke Frau ich doch sei. Was ich doch schon alles durchgestanden hatte. Da dürfte das hier doch ein Klacks gegen sein. Ich beruhige meine zitternden Hände und auch der Puls ist ein kleinwenig runtergegangen. Ich habe Taschentücher bereitgelegt, für den Fall, dass ich gegen meine Erwartungen weinen werde. Eigentlich möchte das erst hinterher tun, dann habe ich wirklich allen Grund dazu.
Ein Schlüssel dreht sich im Schloss, die Wohnungstür knarzt wie gewohnt beim Aufgehen. Sofort steigt mein Puls wieder in die Höhe. Jetzt bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als das durchzustehen.
„Cleo? Ich bin da!", ruft seine tiefe Stimme.
Die, die doch so liebevoll klingt wie immer. Ein Seufzen entfährt mir, ich gebe ihm Bescheid, dass ich in der Küche sitze.
„Hey Schatz", begrüßt er mich grinsend, sein wuscheliges schwarzes Haar ist nass vom Regen.
Beinahe ironisch, dass es an einem Tag wie heute regnet.
„Hallo Thorben. Bitte setz dich doch,"
„Ist alles okay?", fragt er mit besorgter Miene.
„Setz dich, dann erkläre ich es dir", antworte ich ruhig, schiebe die Teetasse vor mir ein Stück beiseite, damit meine Hände etwas zu tun haben.
Thorben folgt meiner Bitte und setzt sich mir gegenüber. Er will meine Hand nehmen, aber ich ziehe sie weg. Er wird stutzig, hat scheinbar keine Ahnung, was ich von ihm will. Oder er ist ein grandioser Schauspieler. So, wie er da vor mir sitzt, wirkt er wie ein unschuldiges Reh. Ich muss mich bemühen nicht zu lachen. Unschuldig, so unschuldig schuldig.
Wenn ich mich an den Moment zurückerinnere, als ich wie aus dem Nichts davon erfahren habe. Ich weiß davon schon länger, genauer gesagt zwei Wochen ist es her. Ich habe gedacht, es sei nichts, aber ich wurde in diesen zwei Wochen mehr und mehr getäuscht. So oft hat er mir in die Augen gesehen und mich dreist belogen. Oh, diese wunderschönen verlogenen Augen.
Es war ein Dienstag, wir schauten abends eine Serie. Er musste auf die Toilette, während ich gemütlich auf dem Sofa lag und den Worten von Dr. Meredith Grey lauschte. Sein Handy lag direkt neben mir, eine Push-Mittelung ließ es aufleuchten. Der Klassiker. Irgendwas in mir schrie danach, auf sein Handy zu schauen. Meine Face-ID ist in seinem Smartphone gespeichert, so war es mir ein leichtes, die Nachricht zu lesen. Eigentlich tat ich sowas nicht, wir vertrauten uns blind. Nur die Blinde war eben ich. Eigentlich.
„Wegen einer Nachricht? Schatz, das war ein Scherz von ihr. Ich kenne sie schon ewig, wir sind befreundet. Habe ich dir nie von ihr erzählt?"
„Nein", lautet meine kühle Antwort,
Thorben verschränkt die Hände hinter seinem Kopf. Gerät er jetzt schon in Erklärungsnot? Ich konfrontiere ihn weiter, als wäre es nur diese Nachricht gewesen. Nein, oh nein.
„Das war erst der Anfang von zwei höllischen Wochen, mein Schatz."
Er schaut mich mit großen Augen an, öffnet den Mund, aber sagt dann doch nichts. Also fahre ich fort. Theoretisch hätte ich auch alles in einem Ordner sammeln und ihm vor die Füße werfen können. Aber das wäre zu einfach, ich will, dass er hört, wie sehr er mich mit seinem Verhalten verletzt.
„Noch vor zwei Wochen hatten wir unseren fünften Jahrestag und du schenktest mir den schönsten Ring, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Weißt du es noch? Wir gingen Spazieren, waren schick Essen und im Mondschein fragtest du mich, ob ich deine Frau werden will. Ich war so glücklich, ich tat diese Nachricht als Scherz ab und ich sagte Ja. Du sagtest, dass du mich liebst. Weißt du das noch?"
„Ich liebe dich doch auch, Cleo. Sonst hätte ich dich doch nie gefragt..."
„Ob wir heiraten wollen. Ja, schon blöd."
Wenige Tage nach dem Ereignis mit der Nachricht, was ich beinahe schon wieder vergessen hatte, war ein seltsamer Brief in der Post. Selbstverständlich an Thorben adressiert, aber weil ich dies zu spät sah, habe ich ihn geöffnet. Darin waren Fotos von einer leicht, bis gar nicht bekleideten Frau, nur das Gesicht war nicht zusehen. Warum erhält Thorben ohne weitere Worte so etwas? Konfrontiert habe ich ihn damit nicht, stattdessen habe ich den Brief, gepackt in einen einfachen Steckumschlag, wieder auf den Poststapel gepackt und abgewartet. Ich hatte keine Kraft für ein solches Gespräch, stattdessen sperrte ich mich ins Badezimmer und heulte mir eine Stunde lang die Augen aus.
„Das war ein Scherz von einem Kollegen, wie eine Stripperin zum Junggesellenabschied!", versucht Thorben sich weiter verzweifelt zu verteidigen.
„Ich bin noch nicht fertig", ermahne ich ihn bloß, ohne auf das Gesagt einzugehen.
Dafür habe ich sowieso keinerlei Kraft mehr. Thorben reibt sich die Schläfen, die Fassade fängt an zu bröckeln. Es ist beinahe zum Lachen, wenn es nicht so eine beschissene Situation wäre.
„Sie war hier, Thorben. Vor drei Tagen war sie hier. Sie hat herausgefunden, dass ich existiere. Dass ich seit scheiß fünf Jahren existieren. Ein paar Tage zuvor hat sie bei mir angerufen, hat wohl von deinem Handy meine Nummer abgelesen. Dann kam sie in diese Wohnung, ich hatte sie eingeladen. Du warst ja schließlich nicht da. Endlich war deine Ausrede, auf einem Seminar zu sein, echt. Oder gibt es noch eine Dritte im Bunde?"
„Nein, ich..."
„Als wenn ich dir noch glauben würde. Nein. Ich habe mit Zoey gesprochen, sie hat mir alles erzählt. Dass sie auch die Kontaktdaten von Olive gefunden hat. Und auch sie war hier, am selben Tag. Dabei wolltest du doch zu ihr, nicht?"
„Nein, ich... Ach fuck ey!", schreit plötzlich, „Ich war bei Theresa."
„Ah, Nummer vier."
„Sie hat aber mit mir Schluss gemacht."
„Ja, weil Zoey auch sie kontaktiert hat, aber sie gebeten hat, nichts weiter zu verraten. Vier Frauen, Thorben. Vier Leben. Ist es das wert? Du hast zumindest nie erwähnt, dass du polygam bist."
„Bin ich auch nicht. Ich liebe dich, Cleo. Nur dich. Die anderen...das war nur für den Spaß. Es tut mir leid, Cleo. Es tut mir so unfassbar leid. Ich habe Fehler gemacht, aber ich war so verzweifelt, weil du und ich momentan so viel arbeiten mussten. Ich weiß doch auch nicht, irgendwie hat mich da mein Testosteron gesteuert. Es tut mir so leid, ich bitte dich."
„Du entschuldigst dich zu oft. Deine Hormone vorzuschieben, ist keine Entschuldigung. Deine Notgeilheit vorzuschieben, keine Entschuldigung. Dein persönliches Versagen und deine Feigheit sind nicht nur unentschuldbar, sie sind vor allem derbe verletzend. Wie kann man nur so derbe ekelhaft und abscheulich sein? Wie konnte ich nur so dumm sein, auf dich hereinzufallen?"
Ich bin aufgestanden, presse die Handflächen auf den Tisch. Meine Augen starren ihn an, wie er dasitzt. Wie ein kleiner geschlagener Welpe. Ich fange an zu lachen. Fühlt er sich jetzt als Opfer? Der arme kleine Thorben. Seine braunen Augen trauen sich kaum mehr mich anzusehen. Ich bin wütend, so unglaublich wütend!
„Bitte glaub mir doch", gibt er kleinlaut von sich.
„Warum sollte ich? Du hast mich belogen. Wer weiß, wie lange schon. Du wirst sowieso nicht den Mumm haben, mir alles zu offenbaren. Und sag mir nicht, dass da nicht mehr ist, das glaube ich dir sowieso nicht."
Thorben entfährt ein Seufzen, ich stehe immer noch und starre ihn an. Es herrscht eine kurze, eiskalte Stille. Was denkt er? Will er sich doch noch äußern? Tief atme ich durch, ein und aus.
„Sag mir einfach die verfickte Wahrheit", platzt es dann doch aus mir heraus.
„Okay. OKAY! Ich hatte Sex, viel Sex mit anderen Frauen! Weil ich Spaß wollte, abseits von dieser scheiß Arbeit, abseits von Streitereien, abseits vom Alltag! Wie eine Art Hobby, verstehst du?! Ich weiß, es ist scheiße Frauen als solches zu bezeichnen, aber es hat mich entspannt und mich gelöst! Das ging bei uns einfach so häufig nicht, okay?!"
„Hör auf mich anzubrüllen, du hast dazu nicht das mindeste Recht! Du bist ein so egoistisches und frauenfeindliches Arschloch! Wenn du dich mit anderen Frauen vergnügen möchtest, dann hab den Arsch in deiner viel zu engen Hose und macht Schluss!", schreie ich ihm entgegen, „Aber jetzt bin ich diejenige, die dich hier rausschmeißt. ICH bin diejenige, die das, was ich eigentlich Liebesbeziehung nannte, beendet. Es ist aus, Schluss, Ende!"
Meine Worte hängen in der Luft. Thorben rührt sich nicht. Hat dieses Arschgesicht wirklich gedacht, dass ich ihm dieses angebliche Hobby verzeihe. Ist er bescheuert? Wobei, die Frage kann ich mir eigentlich selbst beantworten.
„Du willst das Alles wegwerfen?"
„Ich? Oh Mann, du bist noch ekelhafter als ich dachte. Weißt du was, bevor du weiter auf meinem Herz herumtrampelst, hier", ich ziehe den Ring von meinem Finger und knalle ihn vor ihm auf den Tisch, „Nimm dieses scheiß Ding und verpiss dich! Pack deine Sachen, ich will dich nie wieder sehen, ich will dich nicht mehr kennen."
Ich habe die Küche verlassen und mich ins Wohnzimmer gesetzt, während er im Schlafzimmer seinen Koffer packt. Wo er hingeht, ist mir völlig egal. Am liebsten wäre es mir grade, er müsse unter einer Brücke schlafen. Dann bin ich ihn und das Leid los.
Aber das Schlimmste wird gleich noch auf mich zukommen. Das spare ich mir für den krönenden Abschluss auf, Es wird mehr weh tun als die Trennung, ich werde hinterher weinen. Nur für den Moment muss ich stark bleiben.
Ich stelle mich in den Türrahmen, als ich Schritte im Schlafzimmer Richtung Flur höre. Ich frage ihn, ob er alles habe. Alles übrig Gebliebene werde ich spenden oder im Internet verkaufen. Verdient hat er es allemal.
„Dann war's das jetzt?", hakt er nach, sein Blick wirkt traurig.
„Hast du dir selbst zuzuschreiben", entgegne ich kühl.
„Bitte vergiss nie, dass ich dich liebe."
„Ich frage mich eher, ob du das je getan hast."
Er nickt und greift zur Türklinke, doch ich halte ihn noch auf.
„Moment, ich habe noch etwas für dich", ich ziehe einen kleinen Gegenstand aus meiner hinteren Hosentasche, überreiche es ihm.
Seine Augen werden groß, er schaut gegenüber dem und mir hin und her.
„Du...?"
„Eigentlich wollte ich es dir gar nicht mehr sagen, aber dieser Gesichtsausdruck ist es mehr als wert. Schau es dir genau an, denn es ist das erste und einzige Foto, was du von deinem Kind sehen wirst. Du hast unser gemeinsames Leben und unsere Zukunft zerstört, du wirst niemals mehr ein Teil davon sein. Mach's gut, Thorben. Ich habe nie jemanden so geliebt wie dich."
Damit verlässt er die Wohnung, das kleine Ultraschallbild fällt zu Boden. Ich sinke auf die Knie, hebe es auf und drücke es an meine Brust, ehe ich anfange zu weinen. Das war's.
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