[ LXVI - Rachefeldzüge (1) ]
[ LXVI - Rachefeldzüge (1) ]
„Wieso hast du June nicht mitgebracht?", fragte Dad mich, als ich gemeinsam mit Cora den Küchentisch deckte.
„Vermutlich wollte er nicht, dass sie mit massiven und explosiven Durchfall auf dem Klo sitzt", lachte Cora leise.
„So schlimm wird das Chilli auch nicht sein", schnaubte Dad beleidigt.
„Das einzig Gute was du kannst, sind Sandwiches, Dad. Das musst du dir doch selber eingestehen, dass deine anderen Kochkünste nicht gerade super sind."
„Ich habe gestern den ganzen Topf vorbereitet. Ach... ich hab vergessen den Herd anzustellen. Das kann jetzt mit dem Erwärmen dauern."
„Na prima", seufzte ich. „Ich hab heute die Argents gesehen. Umzugswagen standen vor der Tür."
„Ja, das habe ich auch gesehen. Hoffentlich, kehrt jetzt endlich mal Ruhe ein", sagte Dad. „Wo ist den Erik. Der muss doch auch langsam mal wieder auftauchen."
„Wo ist der denn?"
„Der ist kein Stubenhocker. Der treibt sich sicherlich wieder irgendwo herum", antwortete ich.
„Sein Körper sagt da aber was anderes."
„Vermutlich hängt er nur wieder in irgendwelchen Restaurants, bis er den besten Hamburger auf den Planeten entdeckt hat."
„Der Typ war schon immer sonderbar. Genauso wie sein Vater."
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", sagte Cora und lachte leise.
„Ja, aber es ist gut, dass wir nur zu dritt sind", fing Papa an. Misstrauisch blickte ich ihn an. Irgendwas lag ihm schon wieder auf dem Herzen.
„Was ist denn Papa?", fragte ich.
„Cora und ich haben über etwas geredet."
„Über was denn?", hakte ich nach.
„Naja, wir haben darüber geredet Beacon Hills in ein paar Wochen wieder zu verlassen. Hier sind zu viele Erinnerungen für uns, die einen kaputt machen. Talia und Laura."
Ich schluckte nur. „Ich fühle mich aber wohl hier. Trotz allem."
„Du fühlst dich in Beacon Hills nur wohl, weil eine gewisse Dame namens June in dein Leben getreten ist. Was ist, wenn sie nicht wäre? Würdest du dann mitkommen?"
„Ich werde euch nicht alleine gehen lassen. Ich hab Cora versprochen, dass ich mit ihr gemeinsam gehe."
„Ich sage jetzt nicht super. Das wird dann wohl heißen, dass ein gebrochenes Herz hier in Beacon Hills ist und eins mit uns unterwegs."
„Mal wieder", murmelte ich.
Cora seufzte nur. „Das will ich nicht durchmachen, Dad. Und das willst du beim besten Willen auch nicht erleben, wie er in eine Depression verfällt."
„Das letzte Mal, als wir Beacon Hills verlassen haben, hast du zwei Wochen durchgeheult."
„Das hatte seine Gründe."
„Paige?"
„Nein, der Tot unserer Mutter vielleicht und vielleicht war ich als ältester Bruder in dem Moment einfach nur überfordert?"
Wieder seufzte meine kleine Schwester. „Dad, ich will nicht, dass es Derek scheiße geht und ich hab ehrlich gesagt June auch in mein Herz geschlossen. Sie ist gar nicht so übel."
„Worauf willst du hinaus, Cora?"
„Können wir June nicht mitnehmen?", fragte sie.
„Wir können sie nicht einfach aus ihrem Umfeld reißen. Mitten im Schuljahr", sagte Dad und schüttelte seinen Kopf. „Und was ist, wenn die beiden sich mal trennen sollten. Dann hängt sie irgendwo in Amerika fest und hat niemanden mehr. Finde ich nicht so gut."
„Das sagst du nur, weil..."
„Ja, vielleicht sage ich es nur, dass es irgendein Mädel ist, in welches sich mein Sohn verliebt hat. Aber das ist auch irgendwann wieder vorbei."
Ich schnaubte nur. „Kannst du in die Zukunft sehen, oder was?"
„Das hat nichts damit zu tun, Derek. Es liegt nur auf der Hand. Vielleicht hat sie irgendwann die Schnauze voll von dir und deinen Werwolfsgehabe, oder sie mag mich nicht und Cora auch nicht. Es kann alles sein. Ich denke, dass wird nicht gut ausgehen."
„Dann sollst du mal aufhören zu denken", brummte ich.
„Mensch, jetzt sei doch nicht so sauer."
„Ich bin nur enttäuscht, weil es für mich gerade so rüber kommt, dass du June nicht ausstehen kannst."
„Ich hab keine Lust auf Drama. Sie ist ein zerbrechlicher Mensch. Wenn du ihr was tust, ist das Geheule wieder groß, Derek."
„Was soll ich ihr bitte schon antun?"
„Sie ist krank und du kommst wieder auf die behinderte Idee, sie verwandeln zu wollen. Und dann stirbt sie in deinen Armen. Und dann hast du dein widerliches und blutiges Déjà-vu."
Es war klar, dass er wieder mit Paige anfing. Aber Paige war Vergangenheit. Paige schwirrte seit drei Jahren nicht mehr in meinem Kopf herum. Jetzt war es nur noch June, die vierundzwanzig Stunden und sieben Tage die Woche in meinem Kopf herumschwirrt. Bei der ich mich wie ein Mensch fühlte und nicht wie ein Werwolf. Ich wollte June nicht alleine in Beacon Hills lassen. Ich wollte sie mitnehmen. Ich konnte nicht mehr ohne sie. June war die Richtige für mich und da gab es keine Diskussionen.
Ich weiß noch wie ich auf June traf, aber sie noch nicht auf mich. Sie hatte sich im Wald aufgehalten und war dort auf der Suche nach ihrem Bruder. Dabei sah ich, dass sie bereits den abgesperrten Fundort der Leiche ihrer Mutter gefunden hatte. Als ich sie weinen sah, tat sie mir leid. Und es war zu dem Zeitpunkt absurd gewesen. Aber ich wollte sie trösten, sie in den Arm nehmen und sagen, dass alles wieder gut wird. Aber vermutlich hätte ich ihr dann nur den Schreck ihres Lebens verpasst. Ich wusste, wie June sich fühlte, mit dem Verlust ihrer Mutter. Mit einem Mord. Wie es bei meiner der Fall war. Ich fühlte mich schlecht, dass ich dem unbekannten Mädchen nicht helfen konnte. Ich wollte es, aber hatte Angst wieder abgestoßen zu werden. Das konnten Menschen gegenüber mir gut.
Ich habe zu Hause herumgelungert und mir den Kopf zerbrochen, bis ich einen nervösen Herzschlag wahrnahm. Schon wieder irgendein Teenager der auf der Suche nach dem Fundort der Leiche war. Ich hatte schon etliche Sprüche parat gehabt und sprang zum Fenster. Aber diese verschwanden, als ich das Mädchen vom Fundort auf dem Anwesen sah. Natürlich war es June. Ich fand sie auf dem ersten Blick schon wunderschön. Sie hatte irgendwas an sich, was mir sofort gefiel. Die braunen langen Haare und ihr starker Geruch nach Apfelshampoo und ihrem Parfüm, der bei mir Schwindelattacken auslöste.
Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und trat raus. Wollte nicht, dass sie mich auf dem ersten Blick für einen merkwürdigen Typen hielt. Ich versuchte, dass ich nett klang. Aber irgendwie kam ich wieder total verbittert und unfreundlich rüber. „Was machst du hier?", fragte ich.
Ihr Herz machte vor Schreck einen Aussetzer. Sie schaute sich um und blickte dann zu mir. Und diesen Blick werde ich nie vergessen. Die geröteten Augen, leuchteten für fünf Sekunden vor Angst auf. Aber dieses verschwand schnell wieder, ehe sie mich mit einer Neugier musterte. „Das ist ein Privatgrundstück", machte ich sie darauf aufmerksam.
Ich merkte es schon an ihrem Herzschlag, dass sie nervös war. Das schönste war, dass sie die erste Person war, die nicht großartig Angst vor mir hatte.
„Sorry", meinte sie. „Dann gebe ich dir einen Rat. Stell ein Schild oder so auf. Oder stell Blumen auf die Veranda, damit es bewohnt aussieht", plapperte sie wild drauf los. „Sieht dann auch alles viel freundlicher aus." Ich musste mir in dem Moment wirklich ein Lachen verkneifen, weshalb ich meine Lippen zusammenpresste und meine Augen zusammenkniff. „Ich gehe ja schon", sagte sie dann. Nee, ich wollte nicht, dass sie ging. Ganz sicherlich nicht. „Suchst du irgendwas?", rief ich hinterher. Leichte Freude sprang in mir auf, als sie stehen blieb und sich zu mir drehte. „Och, nö.", sagte sie und ich konnte einen komischen Unterton raushören. Auch ihr Herzschlag verriet mir, dass sie log.
„Du suchst wie die anderen bekloppten Teenies nach dem Fundort, wo die Frauenleiche gefunden wurde. Oder die Hälfte der Frau."
„So bekloppt bin ich auch wieder nicht", sagte sie und schnitt eine Grimasse. „Habe vorhin nur einen herrenlosen Hund in den Wald rennen sehen." Lüge und Lüge.
„Aha", machte ich. „Aber glaub mir, ich wäre mir sicher, wenn hier ein Hund herumgelungert hätte."
„Hm."
„Du suchst doch nach dem Fundort, gib es doch einfach zu."
„Ich suche nach dem Hund. Sei mal nicht so neugierig." Frech war sie. Und das mochte ich sofort an ihr.
„Du schleichst dich doch hier auf meinem Grundstück herum. Wer ist hier neugierig?"
„Was auch immer, Sherlock", murmelte sie, machte auf dem Absatz kehrt und folgte den Reifenspuren meines Camaros den Weg entlang. Und schon war sie weg gewesen. Aber ich bekam noch am selben Abend die Chance sie wiederzusehen.
„Derek!", mein Vater schnippste mit den Fingern vor meinem Gesicht herum und ich kam aus meinem Erinnerungswirrwarr zurück in die Realität.
„Hm, was? Wie? Wo?", fragte ich.
„Hat deine geistliche Abwesenheit etwas mit June zu tun?"
„Du magst sie doch eh nicht."
„Unterstell mir sowas nicht", sagte Dad grummelnd. „Ich will nur nicht, dass dir das zweite Mal soetwas mit einem Menschenmädchen passiert."
„Sie wird schon nicht draufgehen, wenn ich auf die glorrreiche Idee komme, sie zu verwandeln."
„Was macht dich da so sicher?"
„Sorry, wenn das jetzt respektlos klingt und du mir vermutlich jetzt eine reinhaust, aber Dad, bist du geisitig behindert, oder so?"
Dad schnaubte nur. „Ja, und du hast meine geistigen Behinderungen doch alle geerbt. Worauf willst du denn jetzt hinaus?"
„Worauf ich hinaus will", sagte ich. „Hm. Ihre Tante ist da so ein komisches Katzenwesen. Ein Kanuma oder so. Und das ist Junes Tante."
„Aaaach", machte Dad. „Du glaubst, wenn du June beißt, wird sie zu einem Kanuma? Wie ihre Mom und ihre Tante..."
„Und ihren Bruder", beendete Cora meinen Satz.
Ich nickte nur und Dad seufzte. „Derek, wenn es mal so kommen sollte. Dann gibt es auch eine fünfzig zu fünfzig Chance. Sie wird sich entweder in einen Kanuma verwandeln, oder draufgehen."
„Aber sie trägt doch die Kanuma-Gene in sich. Ein Biss und die werden so gesehen aktiviert."
„Das hört sich alles immer so einfach an", sagte er und klopfte mir auf die Schulter. „Kannst du das Chilli umrühren?"
„Du bist näher dran?"
„Ich bin alt und habe eine schwache Blase", sagte Dad.
Ich stand auf und blickte zu Dad. „Dann geh doch aufs Klo."
„Wieso sollte ich auf die Toilette gehen?"
„Du hast doch gesagt, dass du eine schwache Blase hast?"
„Ja, im Winter."
„Du kannst froh sein, dass du mein Vater bist. Sonst hätte ich dich schon längst durch Beacon Hills geprügelt."
„Du hast eh keine Chance. Ich bin immer noch der Alpha von uns beiden."
„Gehören wir drei jetzt eigentlich deinem Rudel an?", fragte Cora. „Sind Derek und ich keine einsamen Betas mehr, ohne ihren Anführer?"
„Klar. Isaac gehört auch dazu. Man, mir tut der Junge leid", sagte Dad. „Am liebsten würde ich ihn zu uns holen. Wir haben hier doch noch Platz, oder?"
„Das ist eine Vierzimmerwohnung und alle Zimmer sind belegt. Wo soll er schlafen, Dad? In einem Hundekörbchen?"
„Derek, Chilli umrühren", sagte Dad und zog mir mein Handy aus der Hand. Ich hatte es auf stumm gestellt und gerade zufällig draufgeschaut. Mehr als zwanzig Anrufe in Abwesenheit von June.
Das hatte ich schon mal gehabt. Da hat ihr Handy, durch die Risse im Bildschirm so gespackt, dass das Handy selbst Anrufe tätigte. Anscheinend war es mal wieder so weit.
„Dad, gib mir mein Handy wieder. June hat mich versucht anzurufen."
„Keine Stunde zu Hause und ihr könnt nicht ohne einander. Grauenvoll."
„Mom und du wart doch genauso."
„Ja, das ist was anderes. Bei anderen Pärchen ist das mehr als nervig und ein seelischer Missbrauch der Mitmenschen." Dad drückte mir das Handy wieder in die Hand.
„Hast ja lange durchgehalten", bemerkte ich und schaute nach.
„Dann höre ich wohl mal auf unseren Vater und rühre das Chilli um, wenn es schon nicht mein blöder Bruder machen kann."
„Ich liebe dich auch, Cora", sagte ich und tippte auf dem Bildschirm herum. „Da stimmt irgendwas nicht. Sie hatte mich zwanzig Mal in der letzten Dreiviertelstunde angerufen", sagte ich und rief June gleich mal zurück. Aber sie ging nicht ran. Wehe ihr, dass sie jetzt den Spieß umdreht. Ich blickte zu Cora, die den Deckel des Topfes hoch machte und sich die Kelle schnappte. Nachdem sie die Kelle in den Topf packte, hielt sie inne. „Was ist das denn?", fragte sie. „Da ist irgendwas drinnen."
Ich rief June wieder an. „Hat Dad vergessen das Fleisch klein zu schneiden?", fragte ich belustigt.
Cora schrie auf und sprang zurück. „Oh mein Gott!"
Dad war ebenfalls aufgesprungen und schaute wie Cora in den Topf hinein. Dann legte er sich fassungslos die Hand an die Wange. „Hi, hier ist June..."
„Hi, Babe, du hast mich angeruf..."
„Nö, kleiner Scherz. Hier ist leider nur die Mailbox. Ich hab deinen Namen gesehen und gehe mit Absicht nicht dran. Also hinterlass eine Nachricht auf der Mailbox. Fasse dich kurz. Ich hasse Labertaschen."
Grummelnd legte ich auf und stellte mich zwischen meiner Schwester und meinen Vater, um ebenfalls in den Topf zu schauen. Mein Handy rutschte mir aus der Hand und schepperte auf den Boden, als ich zwischen den Chillieintopf den Kopf von Erik dort schwimmen sah. Im aufgedunsenen Gesicht klebten Gemüseteile. Die Augen waren weit aufgerissen und vom roten Chilli rot verfärbt. Dad klatschte den Deckel wieder rauf und legte eine Hand auf meine Schulter.
„Diese beschissenen Argents", brummte er. Ich sammelte mein Handy vom Boden auf, nachdem ich die Hand meines Vaters von meiner Schulter geklatscht hatte.
„Derek, wo willst du hin?", fragte Dad mich.
Wohin wollte ich denn wohl. Ins Kino ganz sicherlich nicht. Ich schnappte mir meine Autoschlüssel und verließ die Wohnung mit einem lauten Knall der Tür.
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