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„Hast du es schon gehört? Es soll Kürbisse geben, so groß wie ganze Wagenräder!" „Mein Bruder hat erzählt, dass Hagrid die Kürbisse schon seit Wochen mit Filibusters besten Feuerwerkskörpern düngt, damit sie in der Nacht explodieren. Und Rosmerta soll ganze Fässer mit Butterbier aus den drei Besen schicken!" Durch das ganze Schloss geisterten Gerüchte über bevorstehende Halloweenfest und beim Abendessen gab es kaum ein Thema, über das häufiger geredet wurde. „Denkt ihr diese Sachen stimmen?", fragte Hillary zögerlich und übertönte dabei das Gespräch der beiden Gryffindors neben ihnen, die beide davon überzeugt waren, Dumbledore würde die Schicksalsschwestern für diesen Abend organisieren.
„Also das stimmt sicherlich nicht.", stellte Ginny bestimmt fest, „Der Tagesprophet schreibt, dass sie in dieser Nacht ein Konzert in Yorkshire geben." „Also denkst du nicht, dass es etwas Besonderes werden wird?", fragte Laureen, ein bisschen enttäuscht. „Ich glaube Halloween hier im Schloss wird nie langweilig. Aber es müssen ja nicht gleich hundert Fässer Feuerwhiskey sein.", antwortete Ginny ihnen.
„Ja, letztes Jahr zum Beispiel wurde ein Troll in den Kerkern gefunden.", erinnerte sich Lily. „Ein Troll? Wer hat den denn reingelassen. Etwa deine Brüder als Halloweenscherz?", fragte Madison und knuffte Ginny leicht mit ihrem Ellenbogen. „Nein, das ist nicht ihr Stil. Fred und George haben mir letztes Jahr davon geschrieben, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, woher der letztendlich gekommen ist..."
In den letzten Tagen vor dem Fest brachte die Gerüchteküche Hogwarts noch merkwürdigere Geschichten zum Vorschein, aber Ginny sollte Recht behalte. Als sie sich zusammen auf den Weg zum Festmahl in die große Halle machten, sah alles noch aus wie immer. Nur Ginny war etwas verstimmt, Laureen hatte ihr Geheimversteck in ihrem Nachttisch entdeckt und ihren gesamten Vorrat an Schokoriegeln geplündert.
Erst nachdem sie beteuert hatte, dass sie ihr die gegessenen Riegel plus noch zwei zusätzliche zurückgeben würde und dass sie nichts anderes aus dem Schrank entwendet hatte, besserte sich ihre Laune wieder ein bisschen.
Auch wenn in den Gängen alles beim Alten geblieben war, hatte man die große Halle dafür besonders aufwendig geschmückt. Die Kerzen, die normalerweise über den Haustischen schwebten, steckten in kleinen Kürbissen. Ihr Licht drang durch geschnitzte Fratzen flackernd nach draußen. Der Himmel war, dem Fest angemessen düster und mit bedrohlichen Wolken verhangen. „Das sieht echt gut aus, obwohl ich mich über eine Bühne für die Schicksalsschwestern noch ein bisschen mehr gefreut hätte.", gab Laureen zu.
Anstatt der Schicksalsschwestern stand Professor Flitwick auf großen langbeinigen Stuhl und dirigierte das Streichorchester. „Die spielen extra schief, oder?", fragte Madison angesichts der quietschenden Töne. „Wegen Halloween und so." „Hoffen wir es mal.", sagte Lily, obwohl sie insgeheim nicht daran glaubte.
Nach dem quälend langen Auftritt des Streichorchesters kamen allen die Gesänge des darauffolgenden Chores nur noch halb so schlimm vor, wenn gleich sogar fast an der Grenze des Erträglichen. Trotzdem war Lily erleichtert, als Professor Flitwick sich setzte und Dumbledore das Essen für eröffnet erklärte. Die vier Haustische bogen unter der Last der gefüllten Teller, mit bestem Fleisch belegten Platten und den Schüsseln voller Plumpudding und Sirup.
Fred und George unterhielten den gesamten Gryffindortisch, indem sie so viele Witze über Halloween erzählte, teilweise mit ziemlich eindeutigen Andeutungen in die Richtung bestimmter Lehrer („Was wäre ein passendes Halloweengeschenk für Gilderoy Lockhart?" „Ein Kürbis mit Spiegelfunktion." oder „Führt Dumbledore einen Muggel über das Schlossgelände. Nach einer Weile gibt er zu, dass ihm das Schloss zwar gut gefällt, er aber dennoch eine Frage hätte. Dumbledore ermuntert ihn, sie zustellen. 'Nun, ich habe gehört, dass es hier unheimlich spuken soll!' Antwortet Dumbledore: 'Ach, da kann ich sie aber beruhigen. Ich bin jetzt schon seit fast hundert Jahren hier an der Schule und bisher ist mir noch nichts unheimliches begegnet.'"), dass einem schwindelig werden konnte.
Bei einem Witz ( „Warum können Geister nicht lügen?" „Weil sie zu schnell durchschaut werden."), musste Laureen so heftig lachen, dass Lily ihre Luftzufuhr ernsthafte Sorgen bereitete. Ginny dagegen ließ sich nur zu einem müden Lächeln hinreißen. „Geht es dir nicht gut?", fragte Lily sie, nachdem sie sichergestellt hatte, dass Laureen nicht den Erstickungstod sterben würde. „Ich weiß nicht, mir geht es nicht so gut. Es dreht sich alles und mein Kopf fühlt sich an, als hätte jemand darin mal ordentlich umgerührt." Sie verzog das Gesicht. „Ist dir schlecht?" „Weiß' nicht so genau. Vielleicht ein bisschen.", antwortete ihr Ginny gequält.
„Sollen wir vielleicht kurz nach draußen gehen, ein bisschen an die frische Luft?" Lily konnte bei der Lautstärke, die das Gelächter um sie herum nun erreicht hatte, kaum ihr eigenes Wort verstehen. Ginny nickte, dann hängte sie sich ihre Tasche um den Hals. „Wir gehen kurz vor die Tür, ihr geht es nicht so gut.", versuchte Lily den andern durch Zeichensprache deutlich zu machen, bis Hillary es schließlich verstanden hatte und Ginny einen aufmunternden Blick zuwarf.
„Ich weiß nicht, was los ist mit mir. Schon seit heute Morgen habe ich einfach mörderische Kopfschmerzen und-" „Und seit Laureen auch noch deine Schokoladennotreserven geplündert hat ist der Tag völlig im Eimer.", ergänzte Lily. „Ja, so ungefähr." Ginny umklammerte ihre Tasche, als suche sie etwas, dass ihr Halt geben konnte. „Können wir grad vielleicht doch noch zu den Toiletten? Ich glaub mir ist schlecht." Lily betrachtete Ginnys leidvolles Gesicht. „Natürlich. Ich hoffe bloß, Myrte ist nicht da."
Mit letzter Kraft schleppte sich Ginny zu den Mädchentoiletten. „Ich glaube Myrte hatte auch Lust auf einen Halloweenstreich.", sagte Lily und deutete auf die große Wasserpfütze zu ihren Füßen. „Solange Filch nicht denkt ich sei das gewesen, kann das mir egal sein. Hauptsache die Toiletten sind noch da. Du musst nicht mit rein gehen, ich schaffe es ab hier alleine, denke ich." „Sicher? Es ist kein Problem für mich." „Glaub mir, Aimée, dass muss niemand sehen. Geh ruhig wieder zum Festmahl zurück. Ich werde mich gleich ins Bett legen und hoffen, dass ich morgen nicht mehr krank bin." „Dann gute Besserung!", rief Lily ihr noch zu, aber da war sie schon in der überschwemmten Mädchentoilette verschwunden.
Nur noch das Summen der vielen Stimmen aus der Großen Halle war zu hören, auf den Korridoren herrschte Stille. Langsam ging Lily zur Halle zurück, Sev kam ihr entgegen. „Was machst du hier?", fragte Lily und schreckte erstaunt zusammen, dass ihre Stimme so laut klang. „Was machst du hier?", gab Sev wesentlich leiser ihre Frage zurück. „Ich habe eine Freundin...", Lily zögerte kurz, „Ich habe Ginny nach oben begleitet, ihr ging es nicht gut." Schließlich musste Sev nicht wissen, dass sie gerade wahrscheinlich erbrechend über einer Kloschüssel in den überschwemmten Toiletten gebeugt war.
„Es gibt einige Schüler, die heute nicht beim Festmahl sind." Lilys strengen Blick bemerkend fügte er hinzu, „Natürlich ist das nicht verpflichtend, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass sie gerade hier im Schloss die Regeln missachten." Lily musste sich stark zurückalten, um nicht die Augen zu verdrehen. „Ich geh' dann mal wieder. Die anderen werden sich bestimmt schon fragen, wo ich so lange bleibe." Sev nickte, als wolle er gar nicht so genau wissen, wer diese andern waren. „Fröhliches Halloween noch.", sagte sie zum Abschied, gesalzen mit einer Prise Ironie, Sev mochte Schulfeste wie diese nicht, besonders Halloween verabscheute er geradezu. Man konnte es ihm nicht verübeln, im letzten Jahr hatte er fast sein Bein verloren, aber auch in den Jahren zuvor war seine Laune an Halloween immer mehr als unterirdisch gewesen.
Zurück in der großen Halle ließ Lily sich erschöpft auf ihren Platz zurückfallen. „Wie geht es Ginny?", fragte Laureen. Wahrscheinlich hatte sie ein schlechtes Gewissen wegen der Schokoriegel. „Schlecht, glaube ich. Sie ist jetzt oben und will sich gesund schlafen." Laureen nickte verständnisvoll, Lily konnte es jedoch nicht lassen, sie ein bisschen zu ärgern. „Und jetzt hat sie noch nicht einmal Schokolade um sich von ihrem Unglück abzulenken. Es ist schon tragisch." Laureen streckte ihr die Zunge raus und schnappte ihr die Plumpuddingschüssel vor der Nase weg. Inzwischen waren sie beim Nachtisch angelangt. Lily musste immer häufiger anfangen zu gähnen, es dauerte bestimmt nicht mehr lange, bis das Festessen zu einem Ende fand. Gerade als die Witze der Weasley Zwillinge anfingen immer dubioser zu werden, erhob Dumbledore sich und ließ mit einer Geste die benutzten Teller und leergeputzten Platten verschwinden. Lily grinste schadenfroh, als Laureen daran scheiterte, sich die letzte Kürbispastete zu ergattern.
„Liebe Schülerinnen und Schüler, ich-" Anders als sonst schaffte Dumbledore es nicht, alle Haustische ruhig zu halten. Verwundert drehte Lily sich zu den Hufflepuffs um, von denen das Gemurmel ausging. Der Blick des Schulleiters wanderte zu dem hilflos schauenden Vertrauensschüler, der sich bemühte, einen Überblick über die Situation zu bekommen. Es dauerte nicht lange, bis aus dem Gemurmel laute Gespräche wurden, bis Dumbledore das Wort ergriff.
„Ruhe, bitte Ruhe.", sagte er mit leiser Stimme. „Was ist los, Mr. Diggory?" Der Vertrauensschüler der Hufflepuffs stand auf, verdattert, vom Schulleiter angesprochen zu werden. „Ich weiß es nicht genau, Sir. Draußen, also nicht draußen vor dem Schloss sondern. . Also im Korridor – Filch und Sn – Professor Snape scheinen sich mit Harry Potter und zwei seiner Freunde zu, zu – Sie diskutieren über etwas." Kaum hatte sich Diggory wieder gesetzt, brach das Chaos in der großen Halle aus. Schüler stellten sich auf die Bänke und Tische um besser sehen zu können, bis sie schließlich von den Gryffindors und Slytherins, die auch etwas sehen wollten, aus der Halle hinaus getrieben wurden.
Es war, wie der Vertrauensschüler es beschrieben hatte, oder zumindest hatte beschreiben wollen. Sev stand mit Filch zusammen vor einem verunsichert drein schauenden Harry, mitten in der Wasserpfütze, die aus Myrte Toilette hinaus geschwappt war. Lily hoffte sehr das Ginny gut gespült hatte, sonst war Wasser nicht das einzige, was auf den Gang hinaus trieb.
Den Grund weshalb sie sich stritten sah Lily erst, als sich auf Zehenspitzen stellte. Zwischen Filch und Harry lag Mrs. Norris und bewegte sich nicht mehr. „Ist sie tot?" „Wer ist tot?", fragte Madison die so klein war, dass sie selbst auf Zehenspitzen nichts gesehen hätte. „Mrs. Norris hängt da am Fackelhalter wie tot. Filch wird Harry bis ans Ende seines Lebens verfolgen, wenn er wirklich etwas damit zu tun hat." An der Wand gegenüber von den Toiletten waren Worte auf die Wand geschmiert worden. „Die Kammer des Schreckens wurde geöffnet, Feinde des Erben nehmt euch in Acht! Ihr seid die Nächsten, Schlammblüter!"
Einen Moment lang war es ruhig, dann brachen die Gespräche los, wie ein heftiges Donnergrollen. „Lily, steht das da wirklich an der Wand?" Hillarys Stimme klang mindestens zwei Oktaven höher als sonst. Lily schüttelte den Kopf. „Den letzten Satz hat der Slytherin da vorne sich selbst ausgedacht." „Wer war das, der da gerufen hat?", fragte Madison. Lily stellte sich wieder auf die Zehenspitzen, sah aber nur, wie sich McGonagall und Dumbledore ihren Weg durch die Menge bahnten. „Weiß ich nicht, er hat sich zurückgezogen und ist in der Menge verschwunden." „Typisch. Kleines Drecksschwein. Sein eigenes Blut ist wahrscheinlich nicht mal halb so rein, wie er denkt!" Laureen ballte wütend ihre Hände zu Fäusten. Hillary legte ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.
„Und, worüber reden sie denn?", fragte Madison neugierig von unten. „Ich kann sie zwar sehen aber das heißt noch lange nicht, dass ich sie über hundert Schüler hinweg hören kann, Madison." Sie kratzte sich verlegen an der Nase. „Und was machen wir jetzt?" „Keine Ahnung, Dumbledore wird das uns schon früh genug sagen." Hillary biss sich auf der Unterlippe herum. „Oh, ich glaube es passiert etwas! Dumbledore nimmt Mrs. Norris und...", gab Lily die neusten Geschehnisse weiter. „Wie und? Was passiert jetzt?" „Professor Snape -" „Snape", verbesserte Laureen Lily automatisch, „Snape und McGonagall folgen ihm. Oh, jetzt kommt auch noch Lockhart. Ich glaube, er führt sie in sein Büro. Jetzt sind sie weg." „Und was ist mit Harry?" Hillary, die nur einige Zentimeter kleiner war als sie, versuchte ebenfalls etwas zu sehen. „Sie gehen mit. Aber jetzt kann man nichts mehr erkennen."
Das Murmeln der Schüler wurde jetzt zu einem wahrhaftigen Sturm aus Gesprächsfetzen und wildesten Vermutungen. Dumbledore, Sev und McGonagall, die die einzigen waren, die den Sturm hätten bändigen können, waren verschwunden. Verzweifelt versuchte Professor Sprout Ordnung in das Getöse zu bringen. Aber sie ging so in der Menge unter, dass Lily ihr am liebsten empfohlen hätte, sich auf Hagrids Schultern zu stellen, damit sie überhaupt jemand ernst nahm. „Vertrauensschüler, bitte führt eure Häuser zurück in die Gemeinschaftsräume, niemandem ist es mehr gestattet auf den Gängen zu bleiben!", meldete sich jetzt auch noch Flitwick mit piepsender Stimme zu Wort. Nach etlichen Wiederholungen schien diese Nachricht nun auch endlich bei allen Vertrauensschülern angekommen zu sein.
Percys Gesicht rötete sich und ähnelte, als er dann endlich alle Gryffindors um sich versammelt hatte, einer Tomate mit schlimmen Sonnenbrand. Als Colin dann auch noch versuchte ein Foto von dem Schriftzug zu schießen, ging er beinahe durch die Decke. Im Gemeinschaftsraum angekommen, ließ er sich in einen der Sessel vor dem Kamin fallen und schloss für drei Sekunden die Augen. So lange dauerte es nämlich, bis Fred und George ihm eine Fangzähnige Frisbee über den Kopf hielten, die sich prompt in seinen Haaren festbiss. Zu ihrem Vorteil war Percy schon beim Zusammenrufen der Schüler heiser geworden, sodass er den Zwillingen durch stumme Verwünschungen hinterher krächzen konnte.
Lily dagegen war nicht nach Lachen zumute. Die Schrift auf der Wand hatte dafür einfach zu bedrohlich ausgesehen. „Wer glaubt ihr würde so etwas tun?", sprach Hillary endlich aus, was sie alle dachten. Lily zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es wirklich nicht. Es ist, als wäre heute Abend irgendetwas -" Lily stockte, die Tür zu ihrem Zimmer hatte sich geöffnet. „Oh, du bist es, Ginny. Wie geht es dir?" „Etwas besser. Ich habe lange geduscht und... Ist etwas passiert?" Madison, Laureen, Hillary und Lily nickten einvernehmlich. „Mrs. Norris ist tot oder verletzt, zumindest nicht mehr richtig lebendig und ein Unbekannter hat mit roter Farbe auf eine Wand geschmiert. Ginny wurde, falls das überhaupt möglich war, noch blasser. Selbst ihre Sommersprossen wirkten auf einmal farblos.
Sie sah genauso erledigt aus, wie sie sich alle fühlten.
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