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Manchmal kam Jasper jetzt in den Pausen zu ihr herüber, fragte wer das nächste Mal für die Schokolade sorgen musste und ließ sich von Madison, Laureen und Hillary bereitwillig anstarren.
„Woher kennst du ihn eigentlich?", fragte Laureen sie in Zaubertränke, als Jasper ihr in der letzten Pause auf diese Frage nicht geantwortet hatte, und nach einem hilflosen Blick in Lilys Richtung auf einmal ganz plötzlich hatte verschwinden müssten. „Wen?", sagte sie geistesabwesend und wog die passende Menge Gürteltierschnallenpulver ab. „Na wen wohl?", stöhnte Laureen genervt. „Jasper natürlich!"
„Nicht so laut!" Lily räusperte sich, genau wissend, dass Sev zwar mit dem Rücken zu ihr stand, aber nichts desto trotz jedes ihre Worte würde hören können.
„Du musst außerdem umrühren, Laureen. Sonst wird es zu heiß und fängt an zu stinken.", sagte sie und versuchte ihre Frage zu ignorieren. Laureen ging nicht auf sie ein. „Lily. Hollow. Antworte mir!" „Ich hab ihn zufällig getroffen.", nuschelte sie dann schließlich. „Und jetzt verbringt ihr die Pausen zusammen?" „Sieht wohl so aus." Lily vertiefte sich wieder in die Arbeit „Sieht wohl so aus? Du kannst mir einiges erzählen, aber-" „Laureen, rühr endlich um!" Sie schnaubte entrüstet.
„Und ich wäre dir außerdem sehr verbunden, wenn du nicht mein Gürteltier von der Waagschale atmen würdest." Laureen verdrehte gespielt beleidigt die Augen und tauchte dann ab, um von ihrem Toast abzubeißen, dass sie heute Morgen nicht mehr hatte essen können, weil sie zu lange geschlafen hatte.
Währenddessen begann es nach faulen Eiern zu riechen, dass sogar Sev es nicht mehr ignorieren konnte und es aufgab, ihrer Unterhaltung lauschen zu wollen. Als Laureen ihren Kopf wieder hob, stand Sev vor ihrem Kessel und schenkte ihr einen hoffnungslosen Blick. „Leeren Sie das und beginnen Sie von vorne. Vielleicht bin ich dann nicht wieder gezwungen, Ihnen ein M zu geben."
„Diese alte Fledermaus!", presste Laureen zwischen ihren Lippen hervor, als Sev dazu übergegangen war, den Inhalt Lunas Kessel kritisch zu begutachten. Wütend knallte sie ihren Zauberstab so fest auf den Tisch, dass Funken stoben. Erst abends im Schlafsaal fiel ihr wieder ein, dass sie ja gerade erst mit ihren Fragen begonnen hatte.
„Ist er nett?" Lily faltete ihren Umhang zusammen und suchte nach einem noch halbwegs sauberen, den sie morgen würde anziehen können. „Jasper?" „Natürlich Jasper!" „Woher soll ich denn wissen, wen du meinst? Wir haben seit heute Morgen nicht mehr über ihn geredet!" Hatte sie denn wirklich kein einziges Kleidungsstück, das nicht vor Tintenflecken strotze?
„Wie viele dunkelhaarige Jungen aus Slytherin, mit denen du neuerdings deine Pausen verbringst, kennst du denn noch?" Lily verdrehte genervt die Augen. „Was hat deine Frage denn bitte damit zu tun, dass er ein dunkelhaariger Junge ist!" Laureen zuckte mit den Schultern.
„Und kann es vielleicht sein, dass diese Bluse die du da trägst eigentlich mir gehört?" Laureen schaute sie überrascht an. „Und ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, warum die so lang ist. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich heute Morgen aus Versehen etwas Kürbissaft drüber gekleckert habe?" „Nein, überhaupt nicht.", seufzte Lily resigniert. „Aber sorg bitte dafür, dass die auf deinem Wäschehaufen landet und nicht auf dem der undefinierbaren Kleidungsstücke." „Undefinierbare Kleidungsstücke.", murmelte sie entrüstet. „Ich weiß gar nicht, was du meinst. Nur weil ich letztens die Unterhose meines Bruders in diesem Haufen gefunden habe, heißt das noch lange nicht, dass-" Lily wandte sich kopfschüttelnd ab.
„Ist er denn jetzt nett?" „Wer?" Laureen stemmte sich die Hände in die Hüften „'Tschuldige. Du meinst Jasper." Laureen gab ein genervtes Geräusch von sich. „Ja, er ist nett. Was erwartest du denn? Dass ich eure überaus freundliche Pausenbequatschung für jemanden aufgebe, der nicht nett ist?" Lily entlockte Laureen trotz allem ein Grinsen.
„Also die Slytherins aus unserem Jahrgang sind ja wohl alle ein bisschen unheimlich.", schaltete sich jetzt auch Madison ein, von der Lily geglaubt hatte, dass sie vollkommen mit der Verfassung eines Briefes an einen Jungen, der in ihrem Heimatdorf wohnte, beschäftigt gewesen war.
„Ihr könntest ja auch mal mit ihm reden, dann könnt ihr euch selbst von seiner Nettigkeit überzeugen.", sagte Lily mit ironischen Unterton und fing an, ihren Zaubertrankaufsatz zu bearbeiten. „Wenn man Leute nämlich nur anstarrt, erfährt man nicht allzu viel über sie."
Eine Weile schwiegen die anderen, dann holte Laureen Luft. „Aber du sagst uns wenn-" Lily starrte Laureen ungläubig an und sie wackelte bedeutungsvoll mit dem Augenbrauen, „also wenn du zu einer Madison mutierst."
Lily schraubte gelassen ihr Tintenfass zu, nur um sich dann unter lautem Kriegsgeschrei mit ihrem Kissen bewaffnet auf Laureen zu stürzen. Sie schrie erst vor Schreck laut auf, dann bekam sie einen heftigen Lachanfall, weil Lily sie unter den Füßen kitzelte. „Maddy! Hilf mir!", quetschte sie zwischen ein paar Kitzelschüben hervor, aber Hillary und sie feuerten Lily nur noch lauter an.
Ginnys Vorhang blieb zugezogen.
Der Frühling kam und gleichzeitig keimte die Hoffnung darauf, der Erbe Slytherin würde mit dem Winter verschwinden. Die letzten Angriffe lagen fast vier Monate zurück. Lily ertappte sich selbst dabei, wie sie die Versteinerten als Beweis für das Monster in der Kammer herunterspielte, die immer noch bestehende Gefahr herunterspielte.
Gilderoy Lockhart bekräftigte ihrer aller Hoffnungen, in dem er verkündete, man habe schon einen konkreten Verdacht im Zaubereiministerium vorliegen. Sev schnaubte nur, als Lily ihm davon erzählte.
„Konkret? Wusstest du, dass Dumbledore noch einige seiner Aufsätze behalten hat?" „Aus der Schulzeit des Zauberei Ministers? Aus Fudges Schulzeit?" Er nickte. „Zaubertränke waren definitiv nicht seine Stärke." Sevs Mund verzog sich zu einem lippenlosen Lächeln. „Er ist ebenso so weit davon entfernt den Erben Slytherin zu finden wie ich. Vielleicht sogar noch etwas weiter."
Lily verließ sein Büro mit einem mulmigen Bauchgefühl. War es doch aber nicht irrsinnig, dass das Monster noch einen weiteren Angriff starten würde, wenn die Chancen auf eine Heilung so gut waren? Die Alraunen würden bald ausgewachsen sein, bald würde der Spuk doch ein Ende haben.
Es war ein ständiges Pendeln zwischen starrer Angst und verzweifelter Hoffnung.
Der Frühsommer begann und sie alle täuschten sich. Die Vorfreude auf das letzte Quidditchspiel der Saison lebte auf. Sie alle täuschten sich, ließen sich bereitwillig mitreißen, ohne nachzudenken.
Der Morgen des Endspiels war klar. Ein klares, trügerisches und helles blau. Eines, das einen dazu verleitet, den Pullover im Schrank zu lassen, sodass man hinterher frierend draußen sitzt. Gryffindor gegen Slytherin, ein besseres Endspiel, kaum vorstellbar.
Die Tage, an denen die Spieler wegen aus den Mundwinkeln gezischten Flüchen in den Krankenflügel eingeliefert wurden, waren vergangen, das Spiel war heute. Die Gerüchteküche hatte gesprudelt, die Slytherins würden die Gryffindors vorher alle versteinern, sodass sie den Hauspokal gewinnen würden. Jasper hatte nur den Kopf geschüttelt über diese Theorien. Lily hatte ihm zugestimmt, trotzdem konnte sie nicht umhin, in die grimmigen Gesichter der anderen Mannschaft zu schauen und sich zu fragen, ob einer von ihnen für all das verantwortlich war.
Lily saß eingequetscht neben Laureen und dem Jungen mit der Kröte, dessen Namen sie schon wieder vergessen hatte. Die Stimmung war beinahe greifbar, erinnerte Lily auf seltsame Art und Weise an den Feuerwerkskörper, der einem der Schwelltränke explodiert war. Es ließ einem die Haare zu Berge stehen.
Die Spieler standen bereit am Feldrand, warteten auf den Startpfiff, der sie aus ihrer Starre erlösen würde. Lily sah Harry verstrubbeltes Haar in der kühlen Frühlingssonne, sah wie er nervös über die Reisige seines Besens fuhr. Der Startpfiff kam, durchschnitt die Luft und für den Bruchteil einer Sekunde war es ruhig. Dann ertönte das laute Tosen der sich täuschenden Menge, die Spieler packten ihre Besenstiele fester, bereit, sich im nächsten Moment von der Erde abzustoßen. Dann wieder Stille.
McGonagall besaß wie Sev die Fähigkeit, ihre Klassen mit nur einem Blick zum Schweigen zu bringen. Jetzt schwieg die gesamte Schule. Man konnte die lautlose Angst beinahe riechen, als sickere sie durch die Mauern hindurch, durchtränke die gesamte Schule, bis sie sich in einem riesigen See über dem Quidditchplatz ergoss.
„Es hat einen weiteren Angriff gegeben. Einen Doppelangriff. Ich bitte Sie alle Ruhe zu bewahren und in die Gemeinschaftsräume zurückzukehren. Die Hauslehrer, sowie die Vertrauensschüler begleiten ihre Häuser hinein. Alle Veranstaltungen sind damit für den Rest des Jahres gestrichen."
McGonnagalls Körper straffte sich, sie stand aufrecht und gerade, während um sie herum das Wispern, das Flüstern, die Fragen zu einem immer lauter werdenden Sturm heranbrausten.
Die nächsten Tage vergingen unter einem trüben Schleier. Er hatte sich über die gesamte Schule gelegt. Die Sicherheitsvorkehrungen nämlich waren noch weiter verschärft worden. Keinem der Schüler war es mehr gestattet, sich alleine im Schloss zu bewegen, immer musste ein Lehrer die Klassen von einem Raum in den anderen begleiten. Lily konnte sich kaum vorstellen, wie Jasper seine heimlichen Spaziergänge mit Claire bewerkstelligen wollte, ihre wöchentlichen Ausflüge hatte sie seit der Bekanntgabe der neuen Regeln schon in Gedanken begraben.
Lily verbrachte den Großteil ihrer Zeit mit Sev vor dem Zaubertrankfeuer. Sie hielt es nicht aus, in ihrem Schlafsaal zu bleiben, wenn sie immer daran denken musste, wie in Hermines Schlafsaal jetzt ein Bett leer blieb.
Sie war versteinert worden. Beim Brauen konnte sie sich an den genauen Zahlen festhalten, die das Thermostat ihr zeigte.
Eine Vertrauensschülerin war neben Hermine gefunden worden. Es war eine stumpfsinnige Arbeit, die ihr den Kopf vernebelte.
Lily hatte das Mädchen aus Ravenclaw nicht gekannt, vielleicht hätte sie nie ihren Namen vernommen, wenn sie nicht versteinert worden wäre.
Eine grausame Berühmtheit. Sie sah die anderen, die, die keine Arbeit hatten und nichts, um sich abzulenken. Allen voran Ginny. Vielleicht hatte sie sich das glückliche Mädchen, das sie am Schulanfang erlebt hatte, nur ausgedacht.
Ginny hatte mit dieser Version ihrer selbst nichts mehr zu tun. Ihre Augenringe waren ebenso tief wie die der patrouillierenden Lehrer. Selbst Sev hatte es aufgegeben, sie für ihre ungemachten Hausaufgaben zu tadeln, Ginny nahm die Noten, die ihr das einbrachte ohne das geringste Zucken entgegen.
Selbst die Prüfungen waren gestrichen worden. Lily hätte sie sonst nur als elende Qualen empfunden wurden, jetzt aber hätte sie sie dankend willkommen geheißen. Harry und Ron wirkten verloren ohne den platzbeanspruchenden, krausen Lockenkopf in ihrer Mitte. Lily fühlte sich schuldig, als wäre irgendetwas von dem ihre Schuld. Als hätte sie etwas Gewaltiges übersehen.
Sie verstöpselte gedankenverloren ihre Feuersalamander Tinktur. Der Trank hatte anstatt der blaugrauen Färbung einen deutlichen Stich ins violett. Immerhin war er nicht weiß, so wie Lunas, aber er hatte eindeutig nicht den richtigen Farbton. Man durfte während des Brauens nicht abschweifen, man musste sich konzentrieren. Verärgert über sich selbst füllte Lily eine kleine Phiole ab, Sev würde die Ergebnisse heute bewerten.
Fahrig leerte sie ihren Kessel, legte sich sein kupfernes Band um ihr Handgelenk um ihn in den Schrank zurück zu räumen, als ihr Ellenbogen die Tinktur zu Boden fallen ließ. Sie zerbrach, Glassplitter flogen in alle Richtungen. „Räumen Sie das auf, Miss Hollow. Fünf Punkte Abzug für Gryffindor."
Lily tauchte unter den Tisch ab. Einerseits, um alles aufzuwischen, andererseits um ihr rotangelaufenes Gesicht vor Sev zu verbergen. Die Stunde endete und die meisten verließen so schnell wie möglich dem Kerker, auch wenn sie draußen auf Sev würden warten müssen, damit er sie zum nächsten Klassenraum begleitete.
Langsam ließ sie das Glasfläschchen sich wieder zusammenfügen und nahm einen der ranzigen Lappen, um die Reste der Tinktur vom Boden zu wischen. Bis Lily wiederunter ihrem Tisch hervorgekrochen kam und ihre Sachen zusammengeräumt hatte, waren die anderen schon verschwunden. Die nächste Klasse wartete schon vor der Tür und Lily versuchte, sich möglichst unauffällig zwischen ihnen hindurch zu zwängen. Bis sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte, die sie zurückhielt.
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