fifteen
-Anja-
Ich verstand seine Ambitionen nicht. Seine Gefährtin konnte ich nicht sein, dafür war er zu ruhig, zu beherrscht. Wäre ich seine Gefährtin, würde er sich herrisch und besitzergreifend verhalten, wahrscheinlich würde er bei meinen Andeutungen ausrasten. Die Lykae hatten sich selbst nicht unter Kontrolle, wenn es um ihre Gefährten ging, ganz besonders wenn sie ihn oder sie das erste Mal sahen. Sie verloren sich selbst an ihre Instinkte. Grauenhaft. Manches Mal beneidete ich sie ja darum, dass sie wussten, dass es irgendwo die eine für sie bestimmte Person gab, aber dann dachte ich wieder daran, dass sie nur für diesen einen Menschen lebten, ihr ganzes Dasein sich darauf stützte und ihnen jegliche Freiheit nahm und es blieb nichts anderes als Bedauern für sie übrig. Ich liebte meine Freiheit, meinen Freiraum. Es gab zwar Tage an denen ich ihn genauso auch hasste, und dafür eintauschen würde, wieder in meinem Koven leben zu können, aber das lag auch nur daran, dass ich wusste, dass ich noch immer all meine Freiraum innerhalb des Kovens hatte. In dieser Hinsicht waren alle Walküren gleich.
„Du faszinierst mich und damit hast du mir mein Leben gerettet." Gestand er nach einem Moment, in dem er über seine Antwort nachdachte. „Ich wollte mir das Leben nehmen, bis zu der Nacht, in der du in meinem Traum erschienen bist und ich danach die Blitze sah, die den Himmel in zwei spalteten. Du bist seit langen das erste wirklich Interessante, dass mir begegnet ist." Geschockt sah ich den gutaussehenden Riesen durch den Spiegel an. „Sei nicht dämlich." Fuhr ich ihn dann an. „Selbstmord ist keine Lösung!" Ich war über mich selbst erstaunt, denn die Worte kamen heftig aus mir, aus tiefsten Herzen und waren vollkommen ernst gemeint. Ich wollte nicht, dass er sich umbrachte oder auch nur daran dachte.
Seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Nein, aber es wäre ein Ende gewesen." Erklärte er nüchtern. „Ich hatte nichts mehr für dass es sich gelohnt hätte zu leben. Meine Familie, meine Freunde, mein Rudel, sie sind alle tot." Zählte er auf, wobei man ihm den Schmerz darüber nur an den Augen ansehen konnte. „Die Welt habe ich schon gesehen. Die Menschen, die neuen Technologien... ich finde es ermüdend." Verriet er und tatsächlich klang so etwas wie Resignation aus seiner Stimme mit. Und ich verstand ihn. Es schmerzte ihn so zu sehen, die Vorstellung er könnte sich das Leben nehmen, löste eine unewöhnliche Beklommenheit in mir aus. Lag es daran, dass ich in seinen Traum gewesen war oder daran, dass er der erste Unsterbliche seit langem war, mit dem ich mich unterhielt, oder einfach nur daran, dass ich schon zu viele von uns hatte fallen sehen. Ich wollte nicht, dass er von dieser Welt ging, dass er mich ein Stück mehr allein ließ als ich es ohnehin schon war. Vielleicht war es auch ein rein selbstsüchtiger Gedanke. Das Angebot, dass er mir machte, klang verlockend. Nicht nur er war in den letzten Jahren allein gewesen, sondern auch ich. Und ich war nicht dafür geboren allein zu sein, ich war eine Walküre. Ich liebte die Gesellschaft um mich herum. Und so sehr uns die Menschen vom Aussehen her ähnelten, so sehr ich sie auch mochte, sie waren einfach nicht wie wir. Sie hatten nicht die gleichen Probleme, nicht die gleiche Sicht auf die Welt, wie ein Unsterblicher sie nun einmal hatte. Immer war ich in ihrer Nähe befangen, da ich darauf achten musste um mich nicht zu verraten. Ich konnte ihnen ja nicht einmal meine Ohren zeigen, weil sie mich innerhalb kürzester Zeit in ein Labor stecken würden, um diese „Anomalität" zu untersuchen. Mit dem Lykae hingegen wäre es ganz anders. Er wusste was ich war, er hatte wahrscheinlich ähnlich viel erlebt wie ich und spürte nun diese Müdigkeit. Vielleicht war es dumm, sehr wahrscheinlich war es das sogar, aber alles in mir sehnte sich nach seiner Gesellschaft. Und das lag in diesem Fall nicht daran, dass ich seinen Anblick mochte und ihn am liebsten in mein Bett zerren wollte. Nein, dieses Mal ging es mir einfach nur darum, dass ich mit ihm nahezu überalles reden konnte ohne aufpassen zu müssen. Das Einzige was er nicht erfahren durfte war, dass ich nicht die einzige Walküre auf dieser Welt war, aber das sollte mit Sicherheit kein Problem darstellen.
„Was hältst du davon, wenn wir zusammen einen Kaffee trinken gehen?" bot ich ihm schließlich an, als ich den Spiegel hervor holte, damit er seinen neuen Haarschnitt bewundern konnte. Seine Gesellschaft damit ich nicht mehr ganz so einsam zwischen all die Menschen war, meine Gesellschaft damit er nicht einfach so sein Leben davon warf. Klang fair und es war das Risiko, das ich mit diesen und jeden womöglich weiteren Treffen einging doch wert, oder?
Die Augen des Lykaes fanden meine im Spiegel und strahlten mich warm an, sodass sich meine Lippen unweigerlich zu einem Lächeln verzogen. Sowie er mich jetzt ansah, war ich mir sicher, dass er tatsächlich einfach nur meine Gesellschaft wollte und keine weitere Hintergedanken hegte. Es beruhigte mich, löste ein Kribbeln in meinem Bauch aus und bestärkte mich in meiner Entscheidung. Manchmal musste man oder in diesem Sinne Walküre etwas wagen, um etwas zu gewinnen.
„Sehr gern. Jetzt gleich?" fragte er erwartungsvoll, seine Frisur ignorierend und mich noch immer taxierend. Ich zögerte. „Susie?" fragend wandte ich mich an meine Chefin. „Kann ich eine Mittagspause machen, mein nächster Kunde kommt planmäßig erst in eineinhalb Stunden?"
Sie lächelte breit, ihr Blick schweifte kurz zu den Lykae, der sie ebenfalls abwartend ansah. „Na klar. Kein Problem." Stimmte sie mir zwinkernd zu.
„Geh..." ich wurde von einem lauten Knurren unterbrochen und lachte irritiert als ich erkannte, dass es vom Bauch des Lykaes kam. „Es gab heute kein Frühstück." Erklärte er beschämt und ich war mir nicht sicher, ob ich es mir einbildete, aber ich meinte, dass auf seinen Wangen ein rötlicher Schatten lag. „Dann sollten wir vielleicht auch was Essen gehen." Meinte ich locker und zwinkerte ihm gut gelaunt zu. Die Aussicht mich mit ihm zu unterhalten und einfach ich selbst dabei sein zu können, beflügelte mich mehr als ich jemals gedacht hätte. Er grinste.
„Also, was ist nun mit deiner Frisur?" fragte ich ihn, schließlich hielt ich noch immer den Spiegel in der Hand und der Lykae hatte noch immer nicht seine Meinung dazu gesagt. Ich zweifelte, ob er überhaupt schon einen Blick darauf geworfen hatte.
„Passt." Erklärte er nach einem flüchtigen Blick. Kurz sah ich ihn empört an. Männer, in mancher Hinsicht waren sie doch alle gleich. „Gefällt es dir nicht?" fragte er, als er das Verrutschen meiner Mine bemerkte. Ich zog eineBraue hoch. „Mir gefällt es schon, aber die Frage ist doch, ob es dir gefällt. Immerhin musst du damit jeden Tag rumlaufen und nicht ich!" erklärte ich ihm. „Es sind nur Haare." Gab er dann zur Antwort. „Wenn es dir gefällt, reicht mir das." Grinste er dann. Unverbesserlich, dachte ich. Also eitel war er auf jeden Fall nicht, stellte ich dann für mich fest und dabei musste ich sagen, dass er sowie er aussah, es sich hätte erlauben können.
Nachdem er den Haarschnitt bezahlt hatte, machten wir uns auf den Weg zu einem Restaurant in der Nähe, von dem Susi schon mehrmals geschwärmt hatte. Der Lykae hatte mir verraten, dass er noch nie in der Stadt Essen war außer abends ab und an in einer Bar mit seinen Kollegen und ich musste gestehen, ich auch nicht.
Ganz Gentlemanlike hielt er mir die Tür auf und ließ mir den Vortritt, jedoch waren mir die zuvor prüfenden Blicke nicht entgangen. Ich wusste nicht, ob der Lykae immer so angespannt war, oder ob es an mir lag, dass er so aufmerksam und wachsam war. Ich meinte damit nicht, dass er mich fürchtete -ich glaube das hatten wir mittlerweile geklärt- sondern dass er sich seiner Umgebung gegenüber sehr wachsam verhielt. Selbst ich war an den meisten Tagen nicht so übervorsichtig wie er in diesem Moment. Als ein Kellner herbei eilte, schob er sich schützend vor mich und ich konnte nicht anders als die Augen zu verdrehen. Er meinte seine Worte bitterernst, als er sagte, er wolle auf mich aufpassen. Auf eine Walküre?! Fast erschien es mir lächerlich, was ich ihm vor einer halben Stunden noch alles anhängen wollte und für was ich ihm alles verdächtig hatte. „Willkommen im Brauhaus." Begrüßte uns der Kellner freundlich und lächelte uns höflich an. „Haben Sie reserviert?" fragte er, wobei sein Blick nicht lange an den grimmig dreinschauenden Lykae haften blieb und schließlich auf mir zum liegen kam. Meine Begleitung ließ den Jungen eindeutig unruhig werden. „Nein, wir haben gehofft, dass Sie noch zwei Plätze für uns frei haben." Erklärte ich mit einem freundlichen Lächeln, als der Lykae keine anstalten machte zu antworten. Der Kellner nickte warf einen Blick auf den Lykae, der wenn möglich sogar noch finsterer schaute und den Kellner geradezu mit seinen Blick durchbohrte.
„Sie haben Glück, bitte folgen Sie mir." Forderte der Kellner uns auf und wir begleiteten ihn zwischen den besetzten Tischen hindurch zu einem freien Platz.
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Der ein oder andere hat es schon mitbekommen, die Updates werden sich die nächsten ein zwei Monate wahrscheinlich immer ein wenig zeitlich verzögern, da ich eine Projektarbeit schreiben muss. Ich bemühe trotzdem weiter um regelmäßig Updates. ;)
Na, was sagt ihr nun zu dieser Antwort?
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