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𝗟𝗢𝗦𝗘𝗥𝗕𝗘𝗘𝗥𝗘

» Park. «

» Jung. «

Statt eine richtige Begrüßung zustande zu bringen, nickten sie einander nur abgeneigt zu und ließen sich erst dann am einzigen Tisch im Konferenzraum nieder. Es war ein runder, weißer, über den sich schon Schrammen und Kritzeleien zogen, dennoch sammelten sich die Schüler langsam um das Möbelstück.

Die Schülervertretung hatte nicht viele Mitglieder.

Da war Dongyoung, der Oberstufensprecher, ein ausgefuchstes Literatur- und Fremdsprachengenie, das als einer der wenigen, die zugelassen wurden, die Singgruppe ihrer Schule, die Teen Voices, besuchte. Er hatte eindeutig Führungspotential, aber wurde nervös, wenn ihm zu viel Verantwortung übertragen wurde. Daher bewarb er sich auch nicht um den Posten des Schulsprechers.

Dann gab es noch Renjun, der Klassensprecher der 3-1, der sich mehr um die Medien und die Verbreitung von Ideen kümmerte. Auf den ersten Blick mochte man ihn wegen seiner Größe und seinem niedlichen Gesicht für harmlos halten, doch er war ein schlagfertiges Energiebündel mit viel Temperament.

Als Nächstes kam Donghyuck, Klassensprecher der 3-2, der mit dem Schulblog zusammenarbeitete, um beispielsweise Umfragen zu realisieren oder neue Stände über Beschlüsse herauszugeben (das war gelogen, der Schulblog bestand nur aus Gossip). Er hatte ein gesundes Selbstbewusstsein und war sehr streitfreudig, immer auf Krawall gebürstet, weshalb er sich oft mit Renjun in die Haare kriegte.

Klassensprecher der 3-3 war Kun, der etwas Übereifrige. Trotz seiner eher mittelmäßigen Schulleistungen war er stets ambitioniert und verkörperte mittlerweile auch eine Art Streitschlichter für den Schülerrat, der Diskussionen über Kompromisse in Gang setzte und Konflikte deeskalierte, wie zum Beispiel wenn Renjun und Donghyuck erneut versuchten, einander umzubringen.

Zusätzlich gab es noch Jaemin, die absolute Nervensäge. Er hatte keine Aufgabe, aber er wollte den Unterricht schwänzen und machte zudem guten Kaffee.

Und zuletzt war da noch Chaeyoung: Das einzige Mädchen im Schülerrat, was eine einzige Enttäuschung für die Frauenquote war.

Gott, wie sehr sie Yoonoh nervte.

Wenn Kun übereifrig war, dann war Chaeyoung überüberübereifrig. Hoch zehn. Zum Quadrat.

Schon seit ewiger Zeit herrschte zwischen ihnen beiden ein Kampf um Ruhm und Ehre, ein Dualismus wie zwischen Vampir und Werwolf ─ oder weniger melodramatisch: Ein Konkurrenzkampf, der am ersten Tag der Oberstufe begonnen hatte. Ein einziges Hin und Her, bei dem jeder vergessen hatte, mitzuzählen, bis auf die beiden. Wer schrieb mehr gute Klausuren? Wer meldete sich öfter? Wer war in mehr AGs? Jedes Mal, wenn einer aufholte, zog der andere nach und wurde sogar noch besser. Eine nie enden wollende Periode von Gleichständen. Doch einen Wettkampf gab es noch: Wer hatte die wichtigere Stellung in der Schulhierarchie?

Und hier kam die Kandidatur zum Schulsprecher ins Spiel. Der Sieg über diese letzte Schlacht würde aussagen, wer von den beiden der bessere Schüler ─ Schrägstrich ─ die bessere Schülerin ─ Schrägstrich ─ König ─ Schrägstrich ─ Königin war. Und Yoonoh wollte diesen Sieg mehr als alles andere.

Als Dongyoung also zum Schluss der Sitzung endlich zum neuen Thema, der Schülersprecherwahl, kam, schrie Yoonoh vor Aufregung fast auf. Diesmal würde er Chaeyoung plattmachen. » Möchte von euch überhaupt jemand kandidieren? «

» Ich! «, riefen sie im Chor. Beide sprangen gleichzeitig auf und reckten die Hände in die Luft, während sie finstere Mienen austauschten. Selbst über die Luft hinweg trugen sie ihren Krieg noch aus, indem sie dem jeweils anderen Blitze in Form giftiger Blicke entgegenschleuderten.

Überfordert hielt Dongyoung inne. » Oh. Okay. Sonst noch wer? «

Ansonsten regte sich keiner.

» Gut, dann notiere ich als bisherige Kandidaten Park Chaeyoung und Jung Yoonoh «, hielt er fest und lächelte. » Auf einen fairen Wettkampf. «

» Dieser Wettkampf wird nicht fair. Wie soll jemand wie Yoonoh mit mir mithalten? «, peitschte Chaeyoung und verschränkte die Arme vor der Brust.

» Glaubst du, diese Sprüche hinterlassen bei irgendwem Eindruck, Chaeyoungie? «, entgegnete er amüsiert über ihre schnippische Bemerkung.

» Sie zeigen zumindest, dass ich besser kontern kann «, schlug sie zurück. Es war, als hätte man den Raum auf Anhieb um zusätzliche 100 Grad erhitzt, so sehr feuerte Chaeyoung gerade Yoonohs Willen an, sie zu übertrumpfen.

» Ist das zu glauben? Wieso versuchst du es überhaupt? «, spottete Yoonoh und verdrehte die Augen. » Ich bin viel beliebter, allein deswegen werde ich gewinnen. «

» Weißt du, Yoonoh? Ich gewinne nicht mit Schleimerei und aufgesetzten Freundschaften, ich gewinne, weil ich ein gutes Programm habe. Ich gewinne, weil ich mich für die Rechte der Schüler einsetze. « Sie hob die Hand und ließ ein imaginäres Mikrophon fallen. Passend zum Klingeln zur zweiten Pause verließ sie den Raum.

» Chaeyoung hat's echt drauf «, meinte Renjun und nickte anerkennend. » Die könnte für dich echt gefährlich werden. «

Yoonoh wischte sich über die trockenen Lippen. » Mit der kann ich es locker aufnehmen. «

•  •  •

Als Dongyoung die ersten Kandidaten verkündet hatte, war Yoonoh nicht darauf gefasst gewesen, dass Chaeyoung sich bereits voll in den Wahlkampf stürzen würde. Ihre Freundinnen Lalisa, Jisoo und Jennie halfen ihr schon beim Aufhängen von bunten Plakaten. Ihre Röcke schwangen aufgeregt hin und her, während sie durch die Flure eilten und einen Bogen nach dem anderen an die Wände pinnten.

Skeptisch trat er ein paar Schritte auf das erste Plakat zu und inspizierte es. Die hübsche Chaeyoung posierte darauf mit ihrem hüftlangen, schwarzen Haar und schien buchstäblich auf ihn herabzublicken, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und breit lächelte. Der Hintergrund war in Violett eingefärbt und unten prangte der Schriftzug: » Girls support girls! ─ Für mehr Fairness. «

» Heilige Scheiße «, murmelte er irritiert. Wie dämlich. Jemand sollte wegen seines Programms ins Amt gewählt werden, nicht wegen seines Geschlechts.

Mit verwunderter Miene drehte Lalisa sich um. » Oh, da ist ja die billige Konkurrenz. «

Getroffen zog Yoonoh die Augenbrauen hoch. » W-Wie bitte? « Er dachte, sie beide wären Freunde. Immerhin hatten sie sich oft im Informatikkurs ausgetauscht.

» Sorry, ich tue das für Chaeyoung «, meinte sie und klopfte Yoonoh entschuldigend auf die Schulter. » Du weißt, vor blöden Typen kommt immer zuerst die Schwester. «

» Ganz genau, also zieh dich warm an! «, fuhr Jennie ihn nun auch an, aber sie war noch lange nicht so einschüchternd wie Lalisa.

» Woher habt ihr die Plakate? «, fragte er verblüfft von den hochaufgelösten Bildern und der einwandfreien Gestaltung. Sie mussten das schon länger geplant haben. Lächerlich. War das Chaeyoung dermaßen wichtig, dass sie ihre Zeit sogar vor der Ankündigung damit verschwendet hatte? Verflucht, warum war Yoonoh nicht darauf gekommen?

» Aus deinem Arsch, und jetzt verzieh dich! «, befahl Jennie und schnipste verdeutlichend, wovon sich Yoonoh aber nicht einschüchtern ließ. Jennie war viel zu niedlich, als dass man Angst vor ihr haben könnte. Sie hatte ein niedliches Gesicht mit Hamsterbäckchen und war zudem ziemlich klein, was ihre Bedrohung eher wie das verzweifelte Bellen eines winzigen Chihuahuas wirken ließ.

» Komm, Jisoo, du sagst es mir. « Nun wandte er sich der Genannten zu und lächelte sie sanft an.

Unverhofft brach sie unter dem Druck und piepste: » Im Copy Shop, die Straße runter. «

» Jisoo! «, fluchte Lalisa und stieß ihr mit dem Ellenbogen in die Seite. » Bleib cool, Mann! «

» Du bist ein wahnsinnig liebes Mädchen, Jisoo «, behauptete Yoonoh und tätschelte ihr den Kopf, bevor er an den Dreien vorbeilief und sie zurückließ.

» Chaeyoung macht dich fertig, Yoonoh! «, schrie Lalisa ihm aufgebracht hinterher. » Mann, die macht dich so was von fertig, du wirst dich wundern, Mann! «

Das wurde also wirklich ein richtiger Wettbewerb. Yoonoh benötigte dringend Unterstützung ─ und er wusste vielleicht auch schon, woher er sie kriegen konnte.

•  •  •

» Donghyuck, ich brauche deine Hilfe «, verkündete er unruhig und riss den Betroffenen am Oberteil zurück, weshalb der ermüdet aufstöhnte.

Er wandte sich von seinem Heft ab und blickte zu Yoonoh auf. » Was? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin? «

Jetzt bemerkte Yoonoh auch, dass er gerade seine Hausaufgaben bei jemandem abschrieb. Jeder respektierte Donghyucks Gossip-Blog, der schon die ein oder andere Sache aufgedeckt und für viele (zu viele) Skandale gesorgt hatte. Damit hatte er leichtes Spiel, wenn er Lösungen für irgendwelche Aufgaben benötigte.

» Tut mir leid, aber ich muss gegen Chaeyoung gewinnen und dafür «, er machte rhythmische, klickende Geräusche mit dem Mund und deutete mit tänzelnden Zeigefingern auf Donghyuck, » brauche ich deine Hilfe. «

» Bitte «, sagte er, als ihm Yoonohs Handbewegungen zu albern wurden, » lass das. «

Sofort zog Yoonoh seine Hände ein und verschränkte sie unter dem Tisch. » Ich dachte, das sei lustig. «

Donghyuck verzog keine Miene.

» Tja, also ich muss auf mich aufmerksam machen und du ... du bist doch beim Schulblog ... Und irgendwie hast du doch auch das Sagen dort. «

» Da musst du Jisung ansprechen, er ist der Leiter des Ganzen «, erklärte er und machte sich daran, die restlichen Aufgaben zur Kosinusfunktion zu übernehmen.

» Du machst doch trotzdem, was du willst. «

Donghyuck stach mit seiner Zunge in seine Wange. » Äh ... «

Sofort nutzte er die Gelegenheit, nachzuhaken. » Cool, könntest du dann vielleicht etwas Publicity für mich machen? «

» Du bist ja witzig, Jung «, meinte Donghyuck und lächelte falsch. » Du bist wirklich witzig. « Das Grinsen verflog binnen einer Millisekunde und Donghyuck wurde wieder todernst. » Glaubst du, meine Leser juckt so ein Dreck wie die Schulsprecherwahl? «

» Also ─ «

» Du und Chaeyoung seid beide ungefähr die uninteressantesten Leute, die ich kenne. Ihr seid so unglaublich ... gewöhnlich. «

Yoonoh runzelte die Stirn. Gewöhnlich ... und ... langweilig? Stimmte das etwa? Yoonoh war für sein Alter ziemlich groß. Das war ungewöhnlich. Und er konnte jeden Satz der Serie The Vampire Diaries auswendig. Das war auch unüblich. Nicht jeder konnte das.

» Yoonoh, du bist nicht gerade das, was Menschen als Unterhaltung wahrnehmen «, stellte er mit angedeutetem Ekel in der Stimme fest. » Die Leute wollen Gossip, aber du bist so normal. Ein guter Schüler, siehst okay aus, bist ganz sozial, ein Abbild von Normalität. Wir Menschen tun immer so, als wäre Normalität, das reine Dazugehören das Wichtigste «, er musterte Yoonoh, » aber wir hassen Normalität auch gleichzeitig so sehr. Wir hassen Leute wie dich, die alles auf die Reihe bekommen und einfach perfekt hier reinpassen. Deswegen brauchen wir Lästereien und Gossip. Und du bist kein Gossip-Material. Über dich kann man nicht lästern, weil es nichts zu lästern gibt. «

Yoonoh sah zu Boden. Normal? Er war normal? Er wusste nicht, ob er das als gut gemeintes Kompliment oder schwere Beleidigung aufnehmen sollte. Einerseits hieß das, dass er der Gesellschaft gerecht wurde, andererseits sprach das aber auch für fehlende Individualität. War Yoonoh nicht individuell?

» Warum will jeder immer wissen, wer mit wem zusammen ist, Yoonoh? « Er zeigte Yoonoh ins Gesicht. » Wir Menschen wollen immer nach etwas graben. Wir wollen ganz tief in jedermanns Privatsphäre eindringen, diese schwer errichtete Mauer, die wir Normalität nennen, durchbrechen, die Geheimnisse und Tabus wie Sexualität, das Menschliche hervorholen, das wir immer zu verbergen versuchen. Wir wollen danach graben, bis es nichts mehr zu wissen gibt. « Er pikste Yoonoh in die Brust. » Aber du bist eine glatte, feste Oberfläche. Da kommt nichts durch. Du bist für uns nur ein langweiliges Subjekt. Weil du so simpel bist. «

Okay, langsam fühlte Yoonoh sich wirklich beleidigt.

» Und wie wird man deiner Meinung nach ... interessant? «

Donghyuck grinste frech. » Gossip. «

Yoonoh hob eine Augenbraue. » Entschuldigung? «

» Gerüchte. « Er verformte beide Hände vor seinem Mund zu einem Trichter und flüsterte: » Chaeyoung steht auf Jung Yoonoh. Chaeyoung flirtet mit Jung Yoonoh. Chaeyoung wurde von Jung Yoonoh abgewiesen. Chaeyoung macht nur bei den Wahlen mit, weil Yoonoh sie hat abblitzen lassen und sie es ihm heimzahlen will. «

» Aber ... das wäre alles gelogen. «

» Keine Lügen. Gerüchte. « Er wechselte die Patrone seines Füllers und fokussierte das Schreibutensil. » Außerdem spricht doch nichts dagegen, dass es ... «, seine Pupillen zuckten wieder in seine Richtung, » Realität wird. «

Yoonoh spürte ein unwohles Gefühl im Magen. Als würde er bereits etwas Furchtbares ahnen. » Ich kann sie nicht leiden. Ich will nie im Leben, dass das Realität wird. «

» Hör mich an, dummer Junge «, befahl er und schlug ihm gegen in die Seite. » Sorg dafür, dass Chaeyoung sich in dich verliebt. Du weißt schon. Flirte mit ihr. Sei gut zu ihr. Sei nicht zu auffällig, aber komm ihr unauffällig näher. Lass einfach mal deinen Charme spielen. Das wird erstmal genug Gerüchte geben ... und ich habe Themen für meinen Blog. « Ruckartig stand er auf und schlug heftig auf den Tisch. » Und dann zerschmetterst du sie. Du zerschmetterst sie mit allem, was du hast, und brichst ihr das Herz. Dann ist der Sieg ganz allein deiner. «

» Das klingt diabolisch «, klagte Yoonoh, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verlieren. Das würde er einer Frau nicht antun. Keinem Menschen eigentlich. Jemandem Hoffnungen zu machen, nur um damit ein im Vergleich dazu irrelevantes Ziel zu erreichen, war krank und gemein. Ein gebrochenes Herz war mit einem Sieg nicht aufzuwiegen. Yoonoh würde nur anfangen, sich schuldig zu fühlen.

Und vor allem: Wieso sollte Chaeyoung sich in ihn verlieben? Ihre Rivalität war der Grundbaustein ihrer Beziehung, es war unmöglich, daraus das Fundament einer Liebesgeschichte zu formen.

» Das ist verrückt. Nein. Das werde ich nicht tun. «

Donghyuck stieß ihm vor die Schulter. » Mach, was du willst. Aber in meinem Blog landet nur, wer sich interessant macht. Und das ungewöhnliche Rendezvous zweier Konkurrenten wäre doch so ... verboten und aufregend. « Er wedelte mit der Hand, um Yoonoh wegzuscheuchen. » Und nun hinfort mit ihm, husch, husch. Er ennuyiert mich mit seinem fatiganten Betragen. «

•  •  •

Nachdenklich musterte er Chaeyoung, die mit ihren Freundinnen gerade einen Tisch ans andere Ende des Atriums trug und dort abstellte. Die Wand dahinter war schon mit drei neuen Plakaten tapeziert und Jisoo trug gerade einen Korb mit Süßigkeiten dorthin, während Lisa ein paar Zettel auf die Tischplatte legte, wahrscheinlich so etwas wie Wahlprogramme. Mann, Chaeyoung übertrieb es ja richtig! Das war unfair.

» Hörst du mir überhaupt zu? «, fragte Johnny neben ihm und boxte ihm gegen die Schulter, weshalb Yoonoh aus der Salve an Rachefantasien fiel, die ihm gerade durch den Kopf geschossen waren. » Lass Chaeyoung doch machen. «

» Das ist scheiße! Ich will gegen sie gewinnen «, entgegnete er zähneknirschend und verfolgte Chaeyoungs Bewegungen, als sie das Megaphon in ihren kleinen Händen einstellte. » Chaeyoung zu besiegen ist alles, was ich je in meinem Leben gewollt habe. «

» Denkst du nicht, ihr übertreibt beide etwas? Ihr verrennt euch beide total in eurem Konkurrenzkampf, langsam wird es absurd «, erklärte er und hob skeptisch eine Augenbraue.

» Nein. Wir sind in allem gleich auf: Noten, Kurse, AGs. « Als Chaeyoung begann, ihre Wahlsprüche durch den Flur zu plärren, musste Yoonoh seine Stimme etwas erheben, um gegen sie anzukommen. » Das ist das Einzige, was entscheiden kann, wer von uns wirklich besser ist. «

» Und du glaubst, nach dieser Wahl werdet ihr aufhören, euch unnötig zu bekriegen? «, zweifelte Johnny, den Blick nun auch zu Chaeyoung und ihren Freundinnen gewandt, und verschränkte die Arme vor der Brust.

Er machte ein klickendes Geräusch mit dem Mund. » Kann ich nicht garantieren. «

» Gib doch einfach nach. Ihr quält euch schon viel zu lange mit dieser ewigen Scharade. «

» Niemals! «, schrie er wie der Held eines Filmes und sah Johnny wütend an. Er hatte ja keine Ahnung, wie lange Yoonoh sich das bereits ersehnte. Nie im Leben würde er sich eine Gelegenheit nehmen lassen, Chaeyoung zu schlagen. Das war vielleicht seine letzte Chance, sich gegen sie zu behaupten.

Hastig stieß Yoonoh sich von der Wand ab und lief auf Chaeyoungs Stand zu, weshalb von Johnny nur ein geseufztes » Oh Mann « kam. Prompt stellte sich Lalisa wieder vor ihn und fragte: » Kommt da jemand, um unsere Chaeyoung zu sabotieren? «

» Och, willst du mich echt jedes Mal so anfahren? «, fragte er eingeschnappt und musterte das Mädchen vor sich, das ihn mit großen, genervten Augen tot starrte. » Wir haben uns doch immer so gut verstanden. «

» Lass ihn, Lisa «, bat Chaeyoung und legte ihr eine Hand auf die Schulter, bevor sie einen elektrischen, gereizten Blick mit Yoonoh austauschte. » Ich behalte ihn im Auge. «

» Denkst du nicht, du übertreibst? «

» Man kann nie übertreiben, wenn es darum geht, Jung Yoonoh zu besiegen «, lächelte sie frech und zuckte mit den Augenbrauen. » Und was hast du bisher gemacht? «

Yoonoh biss sich auf die Unterlippe. Er hatte sich ein grobes Programm zurechtgelegt und an einer Rede gearbeitet, aber er war nicht davon ausgegangen, dass das hier so intensiv werden würde.

» Punkt für dich, Chaeyoungie «, gab er gezwungenermaßen von sich. » Aber mit der Feministen-Scheiße wird dich niemand wählen. Wer soll dich denn da ernst nehmen? « Er zuckte mit den Achseln. » Außerdem hat Feminismus ... nun ja, immer einen faden Beigeschmack ... Wie dein Name. «

» Aber wenn niemand darüber redet, kann sich ja nichts ändern! Und wenn du echt glaubst, Männer und Frauen seien schon gleichberechtigt, dann hast du einen gewaltigen Knall. Es gibt immer noch viel zu viele junge Mädchen, die glauben, sie könnten sich nicht an Naturwissenschaft und Mathematik heranwagen, weil sie von dieser Schule nicht genug unterstützt werden. 86 Prozent aller Mädchen haben Physik und oder Chemie abgewählt, während Jungen dazu tendiert haben, Sprachen abzuwählen. Weißt du, woran das liegt? « Sie stupste Yoonoh mit dem Zeigefinger vor die Stirn. » Niemand sagt laut und deutlich, dass Frauen oder Männer das eine oder das andere nicht können, aber es ist trotzdem in unseren Köpfen. Und ich will etwas tun, damit Frauen sich mehr zutrauen. «

Yoonoh verdrehte die Augen. » Du interpretierst da aber auch was rein. «

» Das ist nicht das Einzige. Es gibt beispielsweise für Mädchen keine Binden oder Tampons. Man muss selbst welche mitbringen oder zum Sanitätsraum gehen, das ist scheiße. Ich finde, die Schule sollte welche in den Toiletten zur Verfügung stellen. Was, wenn ich mitten in einer Klausur plötzlich bemerke, dass ich blute und keine Binde dabeihabe? «

Yoonoh verzog das Gesicht. » Musst du das so sagen? Ist ja widerlich. «

» Ich finde es unglaublich, dass so viele Menschen angewidert davon sind «, bemerkte Lalisa neben ihr und verdrehte die Augen. » Was kann Chaeyoung denn dafür? Warum ist es so ein Tabu, darüber zu reden? Das ist nur natürlich. «

» Es gibt noch so viele andere Punkte, in denen Mädchen noch benachteiligt werden. Beschwerden bei Lehrern wegen Belästigung werden nicht ernst genommen, Mädchen werden wegen ihres Kleidungsstils, ihres Make-Ups und generell ihres Aussehens fertiggemacht ─ teilweise sogar von Lehrern ─, die Liste geht ewig weiter. Deshalb braucht es eine Frau in der Führung, die sich für ihr Geschlecht einsetzt. «

Na ja, wenn sie es jetzt so sagt ... So ganz sinnlos klang das eigentlich nicht. Trotzdem!

» Rein statistisch betrachtet bekommen Frauen seltener Führungspositionen, aus diesem Grund habe ich rein statistisch betrachtet gewonnen. «

» Rein statistisch betrachtet «, imitierte sie ihn lächelnd, » bist du ein Arschloch und ein Sexist. « Sie hob ihr Megaphon an die Lippen und sofort dröhnte durch den gesamten Flur: » Jung Yoonoh ist ein verdammter Sexist und respektiert Frauen und ihre Rechte nicht. Wählt Park Chaeyoung, sie ist für mehr Frauen in der SV, die sich für euch alle einsetzen! Von Gleichberechtigung hat jeder etwas! «

» Das ist Propaganda! Und ich bin kein Sexist! «, rief er, doch Chaeyoung übertönte ihn eindeutig.

» Wählt keine Idioten, die uns unsere Rechte aberkennen wollen, wählt Park Chaeyoung! Die Frau, die endlich etwas gegen Benachteiligung tut! «

Lalisa neben ihr hob die Hand und Chaeyoung klatschte bei ihr zu einem High Five ein. Dann brüllte sie Yoonoh mit dem Megaphon ins Gesicht: » Ich bin eine starke Frau, die sich holt, was sie will! «

•  •  •

Und schon flog das nächste Papierkugel in den Müll. Er würde noch völlig durchdrehen. Wie konnte es sein, dass Chaeyoung schon jetzt ein Programm hatte? Genau, sie hatte schon die Planung. Sie hatte ihr Ziel vor Augen und kam nicht vom Weg ab.

Yoonoh war das Ganze viel zu locker angegangen. Er hatte gedacht, das würde er schon schaukeln. Dabei hatte er Chaeyoung und ihren Willen komplett unterschätzt. Das war traurig und erbärmlich. Jetzt musste er doppelt Gas geben, um auf die Überholspur zu kommen ─ allerdings hatte er keinen Treibstoff. Keine Idee, keine Innovation, kein Interesse, dass seinen Ehrgeiz befeuerte. Es war dieser bloße Gedanke, der ihn momentan antrieb: Er wollte Chaeyoung unter gar keinen Umständen gewinnen lassen. Nur wie sollte er das schaffen?

Ja, er mochte schon den ein oder anderen Wähler haben, weil er die Sympathie vieler Schüler hatte, aber das genügte nicht. Er musste sich eine Strategie ausdenken. Außerdem brauchte er ein Thema, ein Aushängeschild, wie Chaeyoung es hatte. Gleichberechtigung war es bei ihr. Was war es bei ihm? Mehr Freiheiten, vielleicht? Schüler liebten Freiheiten. Aber was für Freiheiten? Welche Freiheiten wären sinnvoll und zugleich umsetzbar? Freiheiten, mehr Freiheiten ...

Was hatte Donghyuck nochmal gesagt? » Sorg dafür, dass Chaeyoung sich in dich verliebt. « Das solle Teil seiner Strategie sein, hatte er behauptet. Es würde sie zerschmettern, hatte er behauptet. Chaeyoung ... Wie kam er an Chaeyoung heran? Auch wenn Yoonoh es ungern zugab, sie war hochintelligent und sehr geschickt. Fernab davon wäre es einfach nur ein perfides Spiel. Yoonoh wollte gewinnen, aber fair. Na ja, unfair war es ja nicht. Er tat nichts Illegales oder Verbotenes. Zudem: wie hoch war überhaupt die Wahrscheinlichkeit, dass Chaeyoung sich tatsächlich in ihn verliebte?

Menschenskinder. Das war zu viel.

» Du belagerst die Bibliothek also für dein Brainstorming «, ertönte plötzlich Chaeyoungs tiefe Stimme hinter ihm, dann tauchte auch ihr Oberkörper hinter der Tischkante auf. Yoonoh legte den Kopf in den Nacken und sah ins grinsende Gesicht seiner Kontrahentin. » Wie läuft's denn, du Loserbeere? «

» Dir auch einen guten Tag, Chaeyoungie. «

» Da ist wohl jemand leicht verzweifelt «, provozierte sie und ließ sich gegenüber von ihm auf einem Stuhl nieder. » Aber hübsche Mindmap. «

Verwundert sah Yoonoh auf das karierte Papier vor sich, über das sich beinahe unlesbare Wörter, durchgestrichene Ideen und krakelige Pfeile und Symbole verteilten.

» Ich bin nicht oberflächlich, mein Stift auch nicht. Das alles soll nicht schön sein, sondern dient der bloßen Aufgabe, Wichtiges festzuhalten. «

» Du hast einen Chicken Wing gezeichnet. «

» Ich habe Hunger, okay? « Schnell zerknüllte Yoonoh den Zettel und holte aus, um die Kugel in den Mülleimer zu befördern. Jedoch traf er nicht, weshalb das Papier an einem Bücherregal abprallte und zu Boden fiel.

» Den hast du ja perfekt eingelocht. « Sie lachte leise. » Das hörst du bestimmt zum ersten Mal. «

» Haha! Der Witz klappt nicht, weil ich noch Jungfrau bin! « Er hielt kurz inne. » Moment, ich glaube, das ist kein guter Konter ─ «

Chaeyoung hob eine Augenbraue. » Also schlagfertig bist du nicht. «

Yoonoh tat die Lippen zu einer Schnute auf. » Ist auch egal, das mit der Papierkugel war eh Absicht. «

» Jung Yoonoh ist nicht nur Sexist, sondern auch Umweltverschmutzer. «

Yoonoh fasste sich an die Stirn. » Oh Mann. «

Ein Lächeln legte sich über ihre roten Lippen. » Soll ich das in meiner Rede erwähnen? «

» Nein, Alter, nicht cool. « Er schüttelte den Kopf und schmunzelte unwillkürlich. » Jetzt lass mich arbeiten, sonst drehe ich noch durch. «

Nachdem sie aufgestanden war, zwinkerte sie ihm zu. » Versuch doch wenigstens, zu gewinnen. «

Yoonoh ballte die Fäuste. Verdammt!

•  •  •

Mit neu gewonnenem Ehrgeiz stürzte Yoonoh zum Drucker der SV und begann, seine vorbereiteten Flyer zu vervielfachen. Das Thema: Mehr Freiheiten für Schüler. Yoonoh wollte sich gegen die strengen Regeln zum Thema Gaderobe wehren, den Toilettengang ohne blöden Flurpass ermöglichen und schlug ein neues System für die Ausleihe von Büchern vor. Und jetzt musste er sich nur zurücklehnen, denn was liebten Schüler mehr als Freiheiten? Das war geradezu perfekt.

Die anstehende SV-Sitzung war jedoch von einer hohen Spannung definiert, der Drucker begleitete die Spannung in der Luft mit penetranten Tönen. Yoonoh hatte das Gefühl, immer Stromstöße zu spüren, wenn Chaeyoung und er Sichtkontakt aufbauten oder miteinander diskutierten. Das war schon lange kein einfacher Wettbewerb mehr: Das war Krieg. Und in der Liebe und im Krieg galten keine Regeln.

» Es geht schleppend voran, aber Chaeyoungs Umfragewerte verbessern sich kontinuierlich «, sagte Renjun zu Yoonoh und deutete auf einige Umfragen, die er in den letzten Wochen der SV zuliebe gemacht hatte. » Ihre motivierende und mitreißende Art, zu reden, begeistert vor allem die Mädchen, zumal sie auch viele gute Beziehungen zu den meisten in unserer Stufe pflegt. Sie ist der Inbegriff eines Social Butterfly. Auch wenn die Feminismus-Schiene in einer Zeit wie dieser sehr gefährlich ist, zieht sie die Menschen auf ihre Seite, weil sie in ihrer Rolle aufblüht. Außerdem beleuchtet sie auch viele andere Missstände fernab von der mangelnden Gleichberechtigung, die viel zu selten angesprochen werden. Sie ist sehr raffiniert und in ihrer Vortragsweise rhetorisch sehr gut aufgestellt. Sie arbeitet viel mit Suggestion. «

» Schon verstanden, Chaeyoung ist toll und ich nicht «, murmelte er und fasste sich an die Stirn. Im Gegensatz zu ihr hatte Yoonoh keine Substanz. Er dachte, er würde Chaeyoung schlagen, weil sie beide nur banale Ideen hatten, die jeder Schüler versprechen und erst Monate später umsetzen würde, aber sie war voll in ihrem Element. Manchmal hatte er das Gefühl, sie würde vor Leidenschaft aufflammen. Das war ihr Ding und Yoonoh würde es nicht zurückgewinnen, wenn sie weiter so darin aufging.

» Das stimmt. Du bist öde. Chaeyoung dagegen hat Charisma und dieses gewisse Etwas. « Er zuckte mit den Achseln. » Ich werde sie definitiv wählen. Ihre Programmpunkte sind auch rein objektiv betrachtet logisch und erscheinen mir umsetzbar und sinnvoll. «

Getroffen schweifte sein Blick zu Chaeyoung, die sich gerade angeregt mit Donghyuck unterhielt.

» Klar werde ich in meinem Blog über dich schreiben «, erwiderte er an Chaeyoung gerichtet und lächelte sie an. » Hast du vielleicht einen Flyer für mich? Dann kann ich auch auf dein Wahlprogramm eingehen. «

» Dein Ernst? «, rief Yoonoh dazwischen und warf die Arme in die Luft. » Über sie schreibst du? «

» Chaeyoung ist interessant geworden. Leute sprechen über sie und es gibt viele Kontroversen. Die Klicks nehme ich selbstverständlich mit. « Desinteressiert machte er eine wegwerfende Handbewegung. » Außerdem finde ich, Chaeyoung ist die erste Kandidatin bei einer Schulsprecherwahl, die nicht nur Scheiße labert. Die hat Ahnung und Ausstrahlung. Du bist nur langweilig, Yoonoh. «

» Oh mein Gott, sind Renjun und Donghyuck mal einer Meinung? «, kam es nun von Jaemin, der für Dongyoung gerade eine Tasse Kaffee zubereiten wollte.

» Sind wir nicht! «, riefen sie wie aus einem Mund und funkelten Jaemin gleichzeitig drohend an, weshalb alle im Raum zusammenzuckten. Sogar Jaemin ließ vor Angst die (Gott sei Dank) noch leere Kaffeetasse fallen. Porzellan zerschellte auf dem Boden.

» Zusammen sind sie so furchteinflößend «, flüsterte er sich selbst zu und bückte sich, um die Scherben aufzusammeln.

Kun klopfte auf den Tisch. » Stellt bitte mal langsam die Privatgespräche ein! Wir haben immer noch keine Lösung für die Schaukästen im Atrium, die wir dem Schulleiter vorlegen können. Die Klassen 2-1 und 1-3 streiten sich immer noch um den Platz für ─ «

» Kun, du bist ein Spießer «, kommentierte Renjun ungerührt und deutete auf Chaeyoung, dann auf Yoonoh. » Die Schulsprecherwahl geht vor. «

Donghyuck pflichtete ihm bei: » Ich will die zwei auch streiten sehen. «

» Schon wieder! Einer Meinung! «, kicherte Jaemin aufgeregt, woraufhin Donghyuck aufstand und drohte: » Ich dreh' dir den Hals um, du dreckiger Bastard! « Im selben Moment schleuderte Renjun ihm auch ein » Ich wünsch' dir ein Aneurysma und einen Tumor und noch ein Aneurysma! « entgegen.

Donghyuck und Renjun wechselten einen Blick, dann setzten sie sich leicht beschämt wieder hin.

» Es knistert «, flüsterte Jaemin und begann, seltsame tanzende Bewegungen mit den Schultern zu machen. Er musste Risikos lieben.

» Okay, Kun hat vermutlich recht ─ «, mischte Dongyoung sich ein, allerdings stand Chaeyoung da bereits auf.

» Ich finde, die Kunst der Schüler muss gewürdigt werden. Die Bilder von den Leuten aus dem ersten und zweiten Jahr sollten dort hängen «, begann Chaeyoung. » Diese ganzen Flyer von der Schule liest niemand. Sie sollten lieber in Form von Kurzvorträgen an die Klassen weitergegeben werden, wenn es etwas Wichtiges ist, zum Beispiel Angebote für Ausbildungen oder duale Studiengänge. Dafür sollte man sich die zwei Minuten Unterrichtszeit nehmen dürfen. «

» Das geht nicht. Wer soll diese Vorträge halten? Es wäre eine zusätzliche Belastung für alle Klassenlehrer «, argumentierte Yoonoh dagegen.

» Die SV könnte das doch machen. «

» Bis wir alle Klassen darüber aufgeklärt haben, vergeht zu viel Zeit. Wir verpassen wichtigen Unterrichtsstoff. Viel logischer wäre es, die Schaukästen nur für die Kunst freizuräumen und Informationen über unsere Schulwebsite durchzugeben. Dort können wir die Infos auch jederzeit updaten und ansprechender gestalten. Jemand müsste die Website nur mal auf Vordermann bringen. «

» Dafür sind Renjun und Donghyuck doch perfekt «, meinte Jaemin und zeigte abwechselnd auf die Genannten. » Ihr seid doch so auf Medien versiert. Wendet euch an Herr Shin. Er macht die ganzen digitalen Sachen und ist immer offen für Verbesserungen. « Er schenkte sich etwas Kaffee ein. » Dann könnt ihr zwei zusammenarbeiten. Perfektes Dreamteam. «

Renjun hielt sich die Stirn und murmelte sich selbst zu: » Du kannst ihn nicht töten ... Dann landest du nur im Knast ... Du kannst ihn nicht töten ... «

» Hey, unsere Mordgedanken über Jaemin verbinden uns ja tatsächlich «, bemerkte Donghyuck. » Wie willst du ihn töten? «

Jaemins Lächeln verschwand langsam. » So war das nicht gedacht! «

Während Donghyuck und Renjun ihre Mordfantasien austauschten, erhob Yoonoh erneut die Stimme, weil ihm aufgefallen war, dass er nun genug Kopien hatte: » Dann wäre das geklärt. Entschuldigt mich, ich habe noch eine Wahl zu gewinnen. « Somit erhob er sich von seinem Platz und schnappte sich seinen Collegeblock und die fertigen Flyer.

» Hey, die Sitzung geht noch 20 Minu- «

Da hatte Yoonoh schon den Raum verlassen.

•  •  •

» Hier. Hilf mir «, befahl er Johnny, der überfordert den Stapel Flyer in die Hand nahm. » Wir machen jetzt Werbung für mich und sind dabei beide möglichst charmant. Ich punkte mit Inhalt und Sympathie. «

» Dir auch hallo? «, entgegnete er; es klang eher wie eine Frage.

» Sag ihnen, sie sollen mich wählen, weil ich mehr Freiheit für die Schüler will. « Er griff nach vier Reißzwecken aus der Tasche seines Hoodies und befestigte ein paar an einer Pinnwand. » Manchmal behandelt man uns fast wie Tiere. «

» Hey, du hast mich die letzten Tage fast nur ignoriert. Könntest du mal einen Gang runterschalten? «, fragte er und legte die Zettel auf den Tisch vor sich, bevor er eine Hand auf Yoonohs Schulter legte. » Du und Chae steigert euch da zu sehr rein. «

» Chae? Ein Spitzname? Ist sie etwa mit dir befreundet? Okay, willkommen zu Hause, Verräter! Fahnenflüchtiger! Deserteur! «, schimpfte er und zeigte vorwurfsvoll auf Johnnys Gesicht.

» Vorsichtig mit diesen Wörtern. Früher wurden Leute dafür exekutiert, Kollege. «

» Und ich exekutiere dich gleich, › Kollege ‹! «

Der Angesprochene hob beschwichtigend die Arme. » Komm mal runter, Kollege. Was ist mit deinem unbesorgten, ruhigen Arsch passiert? Dir war alles immer so gleichgültig, jetzt heißt es immer nur Chaeyoung, Chaeyoung, Chaeyoung. Wegen ihr bist du dauernd gestresst. «

» Ich bin nicht gestresst! «, protestierte er aufgebracht und sah sich hektisch an. » Jetzt beweg dich, wir haben nur noch 392 Stunden bis zu den Wahlen und verlieren von Sekunde zu Sekunde potentielle Wähler an Chaeyoung! «

» Ugh «, machte er und verdrehte die Augen. » Ich will dir ja nur helfen. «

» Wenn du mir › helfen ‹ willst «, reagierte er energisch und drückte Johnny den Papierstapel wieder in beide Hände (Scheiße, hatte er große Hände), » dann teil die aus und flirte mit Mädchen ... und Jungen, ich verurteile niemanden. « Das hatte er sich nach Chaeyoungs Ansagen fest vorgenommen. » Flirt einfach mit jedem. Und erwähne in Nebensätzen, wie gut du mich als Schulsprecher fändest. «

» Ich weiß nicht, ob ─ «

» Vielleicht kriegst du auch die Nummer von einem hübschen Mädchen. Und das alles hättest du «, er hob einen seiner Zettel an, » diesen wundervollen, bunten Flyern zu verdanken. «

Entnervt stöhnte Johnny auf. » Na schön ... «

Zufrieden grinste Yoonoh ihn an. » Lass einfach deinen Charme spielen, hm? « Auch, als Johnny sich umwandte und bereits den Platz verließ, rief Yoonoh ihm noch zu: » Die Leute lieben dich, Hyung! «

Somit war Phase I abgeschlossen: Ideen ausarbeiten und verbreiten. Zu Phase II gehörte Chaeyoung.

•  •  •

» Na, du Hexe «, provozierte Yoonoh und stellte Chaeyoung einen Starbucks-Becher vor die Nase, als er sie beim Büffeln im Konferenzraum entdeckte. Ihre Haare verdeckten ihr rundliches, weiches Gesicht.

Ihr Blick blieb erst beim Kaffee (mit einem Schuss Milch und Zucker, so, wie Chae ihn mochte) hängen, dann erst schenkte sie ihre Aufmerksamkeit Yoonoh. Ihre dunklen Augen durchlöcherten ihn mit offensichtlichem Misstrauen. » Ist da Gift drin? «

» Nein! «, protestierte Yoonoh und setzte sich neben sie, dann schlürfte er von seinem eigenen Chai Latte.

» Hast du da reingewichst? «

Er schlug auf den Tisch. » Ich bin doch nicht gestört! «

» Aber du würdest dich sicher daran ergötzen, wenn ich deine Wichse trinke. «

» Hör auf, › Wichse ‹ zu sagen! Du bist so vulgär! «

» Ich will nur wissen, ob ich, wenn ich aus diesem Becher trinke, Teile deines Ejakulats schlucken könnte. «

Hastig riss er die Arme hoch und hielt sich angewidert die Ohren zu. » Benutz auch keine Synonyme! «

» Sperma. «

» Ah! Hör auf! «

» Milch. «

» Ew! «

» Pimmelsaft. «

Schließlich gab er es auf und nahm die Hände von seinen Hörmuscheln, dabei motzte er weinerlich: » Wer sagt denn › Pimmelsaft ‹? «

Sie zuckte mit den Achseln. » Ich gehe das Risiko ein «, murmelte Chaeyoung und trank einen Schluck vom Kaffee, Yoonoh allerdings war der Appetit vergangen.

» Mann, wie kann man so widerlich sein? «, schimpfte er und stellte sein gerade mal halbleeres Getränk vor sich auf den Tisch.

» Warum denn widerlich? Du siehst das Zeug doch einmal täglich, oder? «

Yoonoh rümpfte die Nase. » Oh Mann, was ist denn falsch mit dir? «

» Ist nicht schlimm. Wir Frauen wissen doch, dass ihr masturbiert. «

Yoonoh rieb sich die Schläfen. » Oh mein Gott, wie konnte ein Gespräch derartig eskalieren? «

» Wir Frauen tun das ja auch. Ist doch nichts dabei. «

Yoonoh schaute verwirrt zu ihr auf. » Quatsch. Frauen masturbieren doch nicht. «

Chaeyoung sah ihn ein paar Sekunden lang vergnügt an, dann verging ihr der Spaß und sie hob eine Augenbraue. » Ach, du glaubst das ja echt. «

Yoonoh schwieg und spürte, wie seine Wangen vor Scham heiß wurden. Er hasste Chaeyoung, er hasste Chaeyoung! Es war unmöglich, sie in sich verliebt zu machen, weil er Chaeyoung hasste!

» Egal. Das Thema scheint dir unangenehm zu sein ─ «

» Blitzmerker. «

» ─ also lasse ich's deinetwillen gut sein. «

» Weißt du, ich wollte eigentlich nur nett sein ... «, erklärte Yoonoh und rieb mit beiden Händen über den Jeansstoff, der seine Oberschenkel bedeckte. » Da habe ich gedacht, ich bringe dir Kaffee mit. Aber du denkst, ich habe wieder nur Schlechtes im Sinn. «

» Wie in meinen Kaffee zu wichsen? «

» Oh mein Gott, wenn du noch einmal › wichsen ‹ sagst, bringe ich mich um «, entgegnete Yoonoh. » Ich hab's doch ernst gemeint! Aber ich hätte es wissen müssen. Du ... Vampir. «

» Ich weiß, dass du gerade einfach nur kein Schimpfwort benutzen wolltest «, sagte sie mit einer Babystimme, dann redete sie wieder normal, » aber ich fühle mich ernsthaft beleidigt. Ich bin hundertpro ein Werwolf. «

» Werwölfe sind ranzig und verstören mich. Vampire sind cooler. Ich habe dir also ein Kompliment gemacht. «

» Nein, Werwölfe sind majestätische Wesen und helfen Menschen, Vampire sind nur widerliche Parasiten, die Blut trinken und viel zu lange leben. Ich meine: › Heyho, lasst uns einfach das unnötigste Wesen der Welt kreieren. ‹ Und so was wird gefeiert. Erbärmlich. «

» Oh Mann, Werwölfe sind doch nur dazu da, um für Vampire passende Antagonisten zu spielen. Das ist alles. «

» Alles klar. Aber glitzernde, kleine Fledermäuse ─ «

» Ich sage auch nicht, dass Twilight gut ist! Ich sage nur, dass ich Vampire generell besser finde. «

» Du hast Twilight gesehen? «, fragte Chaeyoung belustigt. » Süß. «

Im Nu schoss Yoonoh wieder hitziges Blut in die Wangen. » Nur so ... einen Teil ... wegen meiner Schwester ... «

» Oh nein, ich seh's dir an. « Sie lehnte sich zu ihm vor. » Du hast sie alle geschaut und auch noch richtig gerne, aber weil du weißt, dass alle sie scheiße finden, gibst du es nicht zu. «

» Du nervst «, stieß er gereizt aus und fuhr sich durch die Haare. Chaeyoung war ihm gerade sehr nah, er konnte sogar den süßen Duft ihres Parfums wahrnehmen.

» Dass du es nicht abstreitest verrät dich, Dummkopf «, mockierte sie sich und deutete mit dem Stift auf Yoonohs Gesicht. » Ist doch nicht schlimm. Ich meine, wenn du Twilight magst. «

» Du bist scheiße. «

» Hey, ich wollte nett sein! Blödmann! «

» Du hast meine Nettigkeit eben auch nicht respektiert! « Wütend stand Yoonoh auf und kickte den Stuhl, weshalb er schmerzverzerrt aufstöhnte. » Au, au! Scheiße! «, brachte er gequält hervor und drehte sich von ihr weg, damit er wütend davonstolzieren (davonhumpeln) konnte. » Das war übrigens mit Absicht! «

Chaeyoung war nicht wie die anderen Mädchen ─ aber wirklich. Sie war schnippisch und humorvoll und sagte ihre Meinung und beleidigte, die meisten anderen waren eher zurückhaltend und höflich und freundlich. Chaeyoung war eigenartig und eben einfach ... anders. Chaeyoung war scheiße. Blöde Chaeyoung. Blöde Werwölfin.

» Jetzt lauf doch nicht weg! «, rief sie ihm noch nach. » Feigling! «

Yoonoh drehte sich aufgebracht um. » Warum willst du das überhaupt so sehr? «

Chaeyoung runzelte die Stirn. » Was? «

» Diese blöde Schulsprecherwahl! Du gibst dir viel zu viel Mühe! «

Chaeyoung neigte den Kopf. » Na, weil mir das wichtig ist. «

» Ja, aber das alles, nur um mich zu besiegen? «

Chaeyoung hob eine Augenbraue. » Doch nicht nur deswegen, du Schwachmat. Meine Welt dreht sich nicht nur um dich. « Sie sah wieder auf den Collegeblock, dem eben eine weitere Seite entrissen worden war. » Ich will mich auch für etwas einsetzen. Für Gleichberechtigung und ... «, das Nächste sagte sie leiser, » Feminismus ... Und ich will mich mehr für Akzeptanz einsetzen. Dass zum Beispiel Homosexualität, Bisexualität und so weiter ... als etwas ganz Normales gelten. Das wäre mir wichtig. «

Yoonoh hielt inne und betrachtete sie einen Moment nachdenklich. Warum hörte sich das alles so schön an? So gutmütig und zuvorkommend und logisch? Und warum passten diese Adjektive zu Chaeyoung?

» Ich meine, ich weiß, dass ich eh nichts ändern kann ... Sind wir mal ehrlich, das Amt ist nur eine Finte, um den Schülern weiszumachen, sie hätten auch Macht. Aber ich will es zumindest versuchen, damit die Schule mal etwas offener wird. «

Bedrückt sah er zu Boden. » Mh ... «

» Ich meine, klar, ich will dich auch übertrumpfen. Aber ... ich will mich für die einsetzen, für die sich sonst niemand einsetzt. «

•  •  •

» Hey, hast du sie noch alle? «, fragte Johnny, der Yoonoh gerade hinterhertrabte und versuchte, ihn davon abzubringen, seine Flyer von den Wänden zu ziehen. Reißzwecken flogen, als er die Zettel von den Pinnwänden riss.

» Kann nicht reden «, entgegnete er monoton und zerriss die Zettel mit beiden Händen, bevor er sie in eine Mülltonne drückte und es sich dann zur Aufgabe machte, die Reißzwecken aufzusammeln.

» Alter, ich habe Werbung für dich gemacht. Lass das nicht umsonst gewesen sein «, quengelte er und sah skeptisch in den Müll, der mittlerweile überfüllt war mit Yoonohs zerkleinerten Flyern.

» Johnny, diese Flyer müssen alle weg «, stieß er aus und stopfte die Reißzwecken aufgebracht in seine Jackentasche. » Ich will keinen einzigen mehr sehen. «

» Die hast du doch so hart ausgearbeitet! «

» Na und? «, fuhr Yoonoh ihn an.

» Das ist schade, das war viel Mühe. Was hat dich denn geritten, sie jetzt alle kaputtzumachen? «

» Nichts, jetzt geh und lass mich diese Abbilder der Schande vernichten. «

» Okay, du hast komplett den Verstand verloren «, stellte Johnny fest und bückte sich etwas, um Yoonoh an den Beinen zu packen und ihn über die Schulter zu werfen, als wäre er ein Kartoffelsack.

» Hey! Was soll das? «, rief er und klopfte Johnny aufsässig auf den Rücken, der allerdings schüttelte nur lachend den Kopf.

» Du reißt dich jetzt erstmal zusammen «, entgegnete er und trug ihn durchs gesamte Atrium herüber in den Konferenzraum des Schülerrats.

» Du blamierst mich! Lass mich runter! «, klagte er und schlug weiter auf Johnny ein, der jedoch gehorchte keineswegs.

» Nope «, kam es nur schadenfreudig von ihm, weshalb Yoonoh sich seinem Schicksal hingab und sich wie eine Leiche schlaff herunterhängen ließ, die nur dann zum Leben erwachte, wenn er anderen Schülern zuwinkte, die ihn verwirrt anschauten.

» So «, stieß Johnny aus und ließ ihn auf das abgenutzte Sofa des kleinen Raumes herunter, wo Yoonoh nun liegend winselte. » Jetzt erklärst du mir mal, was in dich gefahren ist. «

Yoonoh rollte sich auf dem Möbelstück zusammen und legte beide Arme um seine Knie. Dabei schlug ihm der Geruch von alten Büchern und Staub aus dem Sofa entgegen.

» Bist du jetzt beleidigt? Das war doch lustig. «

» Für dich vielleicht ... Blödes Arschloch. «

» Du bist komplett durchgedreht. « Er setzte sich neben Yoonoh. » Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? «

» Alles andere außer das! «

» Du bist in letzter Zeit so launisch. «

» Bin ich nicht! «

Johnny legte ihm eine Hand auf den pochenden Kopf. » Komm, sag mir, was los ist. Warum hast du die Flyer eben heruntergerissen? «

Yoonoh begann, an den Bändeln seines Hoodies zu knabbern, bis sie von Speichel durchtränkt waren.

» Du hast dich bei vielen sympathisch gemacht und die Schüler haben angefangen, dich ansprechend zu finden. Oder › die Leute reden über dich ‹, wie Donghyuck gesagt hat. Du bist interessant «, fuhr er fort und zuckte mit den Achseln. » Donghyuck hat sogar wirklich in seinem Blog über dich geschrieben. «

Jählings richtete Yoonoh sich auf. » Er hat was?! «

Verwundert blickte Johnny ihn an. » Er hat über dich geschrieben. Hat deine Vorschläge und Ideen befürwortet. Du und Chaeyoung seid beide im Gespräch und ihr scheint beide wirklich gut anzukommen. «

» Er soll nicht über mich schreiben! «

» Warum nicht? Deine Popularität schießt derzeit voll nach oben. Donghyuck hat in dieser Schule viel Macht. «

» Das soll aber nicht passieren! «, schimpfte er und schlug wuchtig auf das Sofapolster.

» Warum? «, lachte Johnny. » Willst du Chaeyoung etwa gewinnen lassen? «

Das Schweigen schien Yoonoh zu verraten, denn Johnnys Mundwinkel zuckten nach unten und er besah ihn einen Moment unschlüssig.

» Dein Ernst? Woher der Sinneswandel? «

» Sie hat es verdient. Mehr als ich «, knickte er ein und fuhr sich betroffen durch die Haare. » Sie ... Sie hat viel bessere Ideen und Ziele und ... «

Ein Lächeln, das Yoonoh noch nie bei ihm gesehen hatte, legte sich über Johnnys Lippen. » Du stehst auf sie, nicht wahr? «

» Was?! Was?! «, rief er pikiert und spürte, wie seine Wangen zum Zentrum aller Hitze in seinem Körper wurden. » Ich stehe nicht auf sie! I-I-Ich hasse sie! Die blöde Werwöfin! «

» Hä? «

Yoonoh fasste sich an die rosaroten Wangen und schüttelte den Kopf, damit Johnny nicht auf den ersten Blick sah, wie verlegen er wurde. » Sorry, komisch formuliert, ich ... äh ... «

» Ach, nur ein Insider zwischen euch, hm? «, kicherte er und boxte Yoonoh gegen die Schulter. Sarkastisch betonte er das Ende seines Satzes: » Du kleiner Charmeur. «

» Ich stehe nicht auf sie! Niemals! «

» Yoonoh ist verliebt, Yoonoh ist verliebt «, sang er wie ein kleines Kind, woraufhin Yoonoh aufgebracht die Fäuste ballte.

» Stimmt nicht! «

» Doch, du Riesenbaby! «

Jetzt hatte Yoonoh die Schnauze voll. Er schubste Johnny in das Polster des Sofas und stürzte sich auf ihn, dann hob er die Faust und holte aus.

» Du kannst mich nicht schlagen. Das weiß ich doch. «

Angespannt hing sein Arm einige Sekunden in der Luft, dann ließ Yoonoh ihn sinken und wandte sich von Johnny ab. So positionierte er sich wieder in die Embryonalstellung und versteckte das Gesicht hinter den Knien. » Ich rede nie wieder mit dir. «

» Ha, ich wusste es doch. «

•  •  •

» Na? Nervös? «, begann Yoonoh eine Konversation mit seiner Sitznachbarin, die genau wie er darauf wartete, aufgerufen zu werden. Alle Schüler hatten sich bereits auf der riesigen Tribüne der Sporthalle niedergelassen und widmeten dem Pult in der Mitte des Raums kein bisschen ihrer Aufmerksamkeit, stattdessen quatschten und lachten sie. Nur noch wenige Minuten, dann würden sie ihre Reden halten ─ und so angespannt wie jetzt hatte er Chaeyoung noch nie erlebt.

» Etwas. Aber ich werde das schon schaffen. « Verspielt grinste Chaeyoung. » Willst du nicht doch lieber aufgeben? «

Yoonoh lächelte sanft und schüttelte den Kopf. » Du kannst gerne versuchen, gegen mich zu gewinnen, du Loserbeere. «

» › Loserbeere ‹ ist meine Beleidigung, du Loserbeere «, verteidigte Chaeyoung ihr vermeintliches Eigentum.

» Ist jetzt aber meine. Habe meinen Namen draufgeschrieben. «

» Und ich habe ein Trademark gesetzt. «

» Und ich habe Patent angemeldet. «

» Und ich habe die Patent ... Behörde ... Macher ... Institution ... Dings ... also die, die das Patent dingsen, niedergebrannt. «

Mit nasaler Stimme antwortete sie vornehm: » Deine Artikulationskünste imponieren mir überaus, chapeau. «

» Du weißt, dass ich kein Spanisch kann. «

Chaeyoung verkniff sich ein Lachen, während Yoonoh sie abwartend ansah und inständig hoffte, ihr wenigstens ein kleines Schnauben zu entlocken. Sie war so schön, wenn sie lachte. » Männer schwören, ihr Humor sei elite, und hauen dann so was raus. «

» Ich sehe doch, dass du ─ «

Als jemand gegen das Mikrophon am Pult klopfte, schüttelte Chaeyoung den Kopf und deutete nach vorne. » Pscht, zuhören. «

So kam es, dass der Direktor erstmal seine Lebensgeschichte erzählte und ihre Schule lobpries, bis schon die ersten zehn Minuten rum waren und alle Schüler bereits aufgeregt auf ihren Sitzen hin und her rutschten, weil sie wussten, dass das weniger Unterrichtszeit bedeutete. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem er endlich die Kandidaten nannte und die ambitionierte Chaeyoung nach vorne holte. Froh über seine Konkurrenz sah Yoonoh dem lächelnden Sonnenschein nach, wie sie vor ihm zum Podest lief und ihre Zettel darauf anordnete.

Das zwischenzeitliche Gebrabbel in den Reihen hörte auf, als Chaeyoung sich vorlehnte und ins Mikrophon sprach: » Ich bitte um eure Aufmerksamkeit. «

Stille trat langsam ein.

» Liebe Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen, ich möchte Ihnen zeigen, was wir alles für die Schüler hier noch tun können, damit sie sich so wohl wie möglich fühlen «, begann sie und ließ den Blick durch die Menge schweifen. » Ich finde es wichtig, dass wir weniger Kommentare hinsichtlich unseres äußeren Erscheinungsbilds abbekommen. Dauernd höre ich von Lehrern, dass sich jemand nicht so viel schminken oder seine Haare anders tragen solle, dabei ist das doch die Entscheidung eines jeden Individuums. «

Yoonoh sah aus der Ferne, dass ihre Hände zitterten.

» Zudem wünsche ich mir kostenlose Hygieneartikel für die Toiletten unserer Schule. Sie sollten in den Kabinen frei zur Verfügung stehen. Es ist beschämend, dass wir selbst dafür sorgen müssen, immer welche dabeizuhaben. «

Sie zählte weitere ihrer Ideen auf und schaute dabei abwechselnd zwischen den Schülern und ihren Materialien hin und her. Immerzu behielt sie ihren konzentrierten Blick und gestikulierte ab und zu sogar ein wenig, allerdings schien sie das nervöser zu machen, als man ahnen mochte.

Während dessen lagen Yoonohs Nerven blank. Die Rede gelangte nur noch in undeutlichen Lauten in seine Ohren und klang mehr wie ein Hintergrundgeräusch, für das er momentan kein Gehör hatte. Alles war so seltsam angespannt. Was willst du jetzt tun? Was willst du jetzt tun? ─ Ja, Kopf, je öfter du diese Frage stellst, desto langsamer komme ich zu einer Antwort.

Ja, plötzlich machte alles Sinn, was Chaeyoung sagte. Na und? Jahrelange Rivalität war dadurch nicht wiedergutzumachen. Aber es ist Chaeyoung ... Yoonoh wusste es doch! Was willst du tun, was willst du tun? Ja, was denn? Was sollte er tun?

» Ich möchte unsere harte Schulzeit mit diesen möglicherweise klein wirkenden Änderungen entlasten, und dafür lohnt es sich zu kämpfen, liebe Schüler und Schülerinnen «, sagte sie ins Mikrophon, während sie die Schülerscharr unverwandt betrachtete. » Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. «

Applaus.

Voll neuem Selbstbewusstsein grinste sie breit und zischte Yoonoh im Vorbeigehen ein gehässiges » Top das, Loserbeere « zu, während sie zu ihrem ehemaligen Platz stolzierte. Im Gegensatz dazu konnte er gar nicht mal auf den gemeinen Kommentar eingehen und fuhr sich rastlos durch die Haare. Mit aufgeregten Schritten trat er vor und platzierte seine Dokumente ebenfalls auf der Ablage des Pults. Hektisch las er sich die ersten Zeilen seiner Rede durch und leckte sich über die trockenen Lippen. Was hast du jetzt vor?

Daraufhin schaute er auf ─ in die vielen Gesichter seiner potentiellen Wähler. Anschließend sah er herüber zu seiner Kontrahentin, die auf einer Bank nicht weit vom Pult entfernt saß und ihm blöde die Zunge herausstreckte. Chaeyoung ...

Überstürzt zerknüllte er seine hart erarbeitete Rede. » Ich möchte meine Kandidatur zum Schulsprecher widerrufen. Danke für eure Unterstützung «, sagte Yoonoh und entfernte sich vom Podest in Richtung Ausgang. Hinter sich hörte er, wie schon wirres Gemurmel ausbrach. Mit jedem Meter ließ sein Herzrasen nach, dabei ertönte hinter ihm die Stimme einer Lehrerin: » Wie es aussieht, haben wir einen Gewinner. «

•  •  •

» Was hast du getan? «, fauchte eine offensichtlich verärgerte Stimme hinter ihm, während eine Hand ihn an der Schulter zurückriss. Als Yoonoh sich daraufhin umdrehte, der gerade eigentlich in Ruhe auf seine Bahn warten wollte, erblickte er Chaeyoungs wutverzerrtes Gesicht.

» Oh, hi «, sagte er und lächelte sie vorsichtig an, keinerlei Aufnahmefähigkeit für ihren Zorn. » Herzlichen Glückwunsch. Du hast mich besiegt. «

» Ich habe dich nicht › besiegt ‹, du hast lediglich aufgegeben! «, entgegnete sie noch furioser, woraufhin Yoonoh verwirrt die Augenbrauen hochzog.

» Qué? «

» Ich habe nicht gewonnen, weil ich gut war, sondern weil du die weiße Fahne geschwenkt hast! «

Verwundert zuckte er mit den Achseln. » Das ist doch auch Gewinnen. Außerdem hättest du eh gewonnen. Sind wir mal ehrlich, ich hatte jeden Grund, aufzugeben. «

» Nein, du blöder Idiot darfst nicht aufgeben! So funktioniert das nicht! «, fluchte sie und prügelte mit beiden Fäusten vollkommen geladen einmal in die Luft. » Ich sage dir, dass du aufgeben sollst, und dann lachst du und sagst dasselbe zu mir und dann beleidigen wir uns, so geht das! Nicht anders! «

Er verstand ihre Skepsis nicht. » Aber Chaeyoung, ich finde dich ganz einfach besser als mich. Du hast es viel mehr verdient. «

» Oah, das ist alles eine Falle, nicht wahr? «, warf sie ihm vor, dabei benutzte sie ihre scharfen Zeigefinger wie ein Messer und stach damit mehrmals in Yoonohs Brust. » Ganz genau, in Wahrheit trickst du mich aus, nicht? «

Unschuldig hob er beide Arme, als würde er sich der Polizei stellen. » Nö, du hast gewonnen. «

» Nein, du hast mich gewinnen lassen! So will ich nicht gewinnen! «

» Sind wir mal ehrlich, ich hatte von Anfang an keine Chance. «

Auf Chaeyoungs Stirn bildete sich eine tiefe Furche. » Doch! Du hattest sehr wohl eine Chance! «

Yoonoh war überfordert. » Warum freust du dich denn nicht? Du hast mich endlich besiegt. «

» Ja, weil ich dich vielleicht nie besiegen wollte! «

Die Spannung schien langsam zu steigen, während sie einander atemlos anstarrten.

» Hör mal, ich ... vielleicht habe ich unsere blöden ... Streitereien irgendwie auf eine ganz komische Art und Weise ... lieb gewonnen, klar? Ich mag unseren Konkurrenzkampf, denn das facht mich nur an, noch härter zu arbeiten und ... «

» Du sagst also, du magst mich! «, lachte Yoonoh und zeigte auf sie. » Aha! «

» Tue ich nicht! «, rief sie und schlug ihm heftig gegen den Oberarm.

» Aua! «, stieß er aus und rieb sich gequält die schmerzende Stelle. » Für ein Mädchen hast du echt einen Affenzahn drauf ... «

» Und für einen Jungen bist du eine ziemliche Heulsuse! «, kopierte sie ihn und schlug weiter auf ihn ein.

» Aua, aua! «, machte er, als sie weiter auf seine Brust eintrommelte. Abwehrend hielt er sich die Hände vor den Oberkörper, jedoch half alles nichts. » Mann, du bist voll die blöde Zicke! «

» Komm, kleiner Mann, zeig mir, was das Patriarchat so drauf hat! «, befahl sie und holte aus, als wolle sie ihm ins Gesicht schlagen, allerdings riss sich Yoonoh schnell aus ihrem Minenfeld der Aggression und stolperte zurück.

Die Hände schützend über dem Kopf verschränkt rief er verängstigt: » Ich mag dich, Chaeyoung! «

Sofort hielt die Angesprochene in ihrer nächsten Attacke inne und ließ ihren Arm sinken. » Qué? «

» Ich mag dich, deshalb habe ich aufgegeben «, brachte er hervor und ging in die Hocke, das Gesicht in den Händen vergraben, weil er sich so schämte, dass diese Beichte aus ihm herausgeplatzt war. » Du bist so viel intelligenter und aufgeklärter als ich und hast viel bessere Ideen und dir liegt was an dieser Sache. Das bewundere ich und ... «

» Du magst mich? «

» Ich weiß, voll peinlich «, nuschelte er undeutlich und schüttelte von sich selbst angewidert den Kopf. Warum hatte er das gesagt? Jetzt hatte er nicht nur haushoch ihren Krieg verloren, sondern sich zusätzlich ein zweites Mal mit diesem erniedrigenden Liebesgeständnis blamiert. Chaeyoung mochte ihn eh nicht, wie kam er zur Annahme, dass diese Worte also bei ihr ankamen? Jetzt erhielt sie nur einen weiterem Angriffspunkt, der Yoonoh zu einer noch besseren Zielscheibe machte.

Das Einzige, was sie interessierte, war ihre Leistung. In diesem Drama war Yoonoh nur zufällig der Typ, der ihren Herausforderer darstellte. Es hätte jede Person sein können ─ dementsprechend gehörte er speziell als Individuum nicht zu Chaeyoungs persönlichem Aufmerksamkeitsfeld, sondern die Bedrohung, die von ihm ausging. Die Bedrohung, dass er sie von ihrem Thron kicken könnte.

Diese Erkenntnis schmerzte mehr, als sie sollte. Das beförderte ihn zumindest zurück in die Realität, wo das Mädchen neben ihm sich zu ihm herunterbeugte und Yoonoh heftig erschreckte, indem sie seinen Haaransatz küsste. » Du bist süß. «

Sein Herz ergriff Besitz vom Rhythmus eines schnellen Popsongs. Verlegen schaute er auf, da hatte Chaeyoung sich bereits wieder aufgerichtet und blickte entzückt zu ihm herunter. Danach kehrte sie ihm den Rücken zu und lief zu ihrer Haltestelle.

» H-Hey, was soll das bedeuten? «, warf er er ihr hinterher, sie jedoch würdigte ihn nicht eines Blickes, während sie den Arm in die Luft warf und ihm verabschiedend winkte. » Komm zurück! « Er überlegte, ihr hinterherzurennen, da erreichte sie wiederum schon ihren Zug und stieg mit einem selbstgefälligen Lächeln ein. Dieser Prozess wurde von dem Stechen in seiner Brust munter begleitet, weshalb er sich an die Stelle fasste, wo sein Herz gerade Randale veranstaltete. Er unterdrückte ein leises Schluchzen. » Blöde Werwölfin! «

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