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Nach zwei Stunden, Kisten aus dem Umzugsvan in Liams und jetzt auch unsere Wohnung zu tragen, sitze ich jetzt im vollen sogenannten "großen Saal". Schüler wuseln überall herum und unterhalten sich über ihre Ferien. Manche blieben im Internat, da ihre Eltern zu weit weg wohnten und manche fuhren nach Hause. Das üppige Buffet welches in der Mitte des Raumes aufgebaut ist, ist voll gedeckt und mit allen möglichen Speisen gefüllt. Von gefüllten Paprikas und Burger bis hin zu Macarons und Pudding zum Nachtisch. Traumhaft. Allerdings ist das nicht jeden Tag so. Leider. Nur am ersten Tag nach den Ferien gibt es so eine große Auswahl. Ansonsten ist alles ganz normal. Eine vegetarische Speise, eine mit Fleisch und dazu ein Dessert. Das alles hat mir Liam erklärt als wir zum Essen untergelaufen sind. Als Direktor nimmer er auch immer an den essen teil. Den anderen Lehrern bleibt es selbst überlassen. Nur eine oder zwei von ihnen haben immer Aufsichtspflicht.
Ich will gerade aufstehen und mir Nachschlag holen, die Paprikas sind einfach zu lecker, als Liam auf mich zu kommt. Neben ihm der Junge auf den Fotos. Das ist also Paule. Sie bleiben vor mir stehen.
"Akilah, das ist Paule. Mein Sohn", stellt er ihn mir vor.
An ihn gewandt fügt er hinzu: "Paule, das Akilah. Die Tochter von Maya. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch ein bisschen kennenlernen würdet. Wie wäre es, wenn Du sie zu Dir an den Tisch mitnehmen würdest. So lernt sie direkt neue Leute kennen", schlägt er vor und lächelt mich warm an.
Paule, der bis jetzt noch nichts gesagt hat, und mich nur stumm gemustert hat, nickt und mustert mir kurz. Dann macht er kehrt und läuft zu seinem Tisch. Ich schnappe meinen Teller, hebe kurz meine Hand, um mich von Liam zu verabschieden und eile Paule so schnell wie möglich hinterher.
Als er endlich anhält bemerke ich, wie die Blicke der Jungen und Mädchen am Tisch auf mir liegen.
"Hi, ich bin Akilah", sage ich unsicher und lächle zaghaft in die Gruppe.
Nach einem kurzen schweigen, steht ein Mädchen mit hell-orangefarbenen Haaren auf und streckt mir ihre Hand hin.
"Hey, ich bin Marissa und das", sie zeigt auf die anderen," sind Kira der Schlaufuchs unserer Clique, Elissa die Fashionista. Wenn du auf Partys gehst, sie hat für jeden Typ, und jedes Motto was im Kleiderschrank, Katlein die Sportliche. Ungeschlagen in jeder Sportart, Ricka sie ist eher die künstlerische und verbringt ihre Freizeit am liebsten im Kunstatelier unserer Schule, Leone Nervensäge Nº 1. Aber wir haben ihn trotzdem ganz doll lieb. Luc unsere Quasselstrippe und Nicklas unser Klassenclown. Paule muss ich dir ja nicht vorstellen".
Jetzt kommt auch in die anderen Bewegung und Elissa steht auf und holt einen weiteren Stuhl.
Und kaum habe ich mich gesetzt, prasseln schon die ganzen Fragen wie die Niagarafall auf mich herab.
"Setzt dich doch zu uns. Woher kommst du und warum kommst du mitten im Schuljahr, woher kennst du Paule?"
Ich fange an zu lachen und verschlucke mich dabei an meiner Paprika und fange wie eine bekloppte an zu husten. Ein schwarzhaariger Junge, ich glaub es war Luc, klopft mir auf den Rücken. Mittlerweile habe ich Tränen in den Augen und bin wahrscheinlich so rot im Gesicht wie die Paprika die ich gerade verschluckt habe. Mein „Retter" reicht mir ein Wasserglas und ich trinke ein Schluck.
"Alles gut mit dir?" fragt mich Marissa besorgt und schaut mich prüfend an.
"Ja... ja alles gut. Ich sollte vielleicht erstmal runterschlucken. Danke Luc", wende ich mich an den schwarzhaarigen Jungen.
"Kein Problem. Wir wollen ja nicht, dass du am ersten Abend schon ins Krankenzimmer kommst. Aber ich heiße Nicklas".
"Ohh. Tut mir leid, aber so viele Namen auf einmal, verwirren mich manchmal".
"Kein Problem, kann ja jedem mal passieren", lächelt er mich an und ich lächle zurück.
"Also zu euren Fragen. Ich komme aus Cunstern und bin mit meiner Mutter hierher gezogen, da Liam ihr neuer Freund ist. Daher kenne ich auch Paule. Warum wir mitten im Schuljahr hierhergezogen sind, ist eine lange Geschichte."
„Oh ok. Weißt du eigentlich ob du zu uns in den Jahrgang kommst?" fragte mich diesmal Kira.
„Ich weiß nicht. In welchem Jahrgang seid ihr denn?"
„Also wir sind alle in der zwölften Klasse. Außer Paule – der ist noch eine Klasse drüber."
„Ah okay. Dann denke ich schon, dass ich in eure Klasse komme. Wie läuft das denn bei euch mit den Klassen? Also gibt es mehrere Klassen oder nur eine Klasse pro Jahrgang", ich schaue fragend in die Runde.
Nicklas gibt Paule einen Seitenstoß und schaut ihn auffordernd an. Als der aber nicht reagiert, räuspert er sich kurz: "Also es gibt pro Jahrgang zwei Klassen. Wir sind ja relativ", er deutet Anführungsstriche an, "exklusiv".
"Jetzt übertreib mal nicht Nicklas. Wir sind einfach eine kleinere Schule", schmunzelt Katlein, "aber wenn du willst, hole ich dich morgen ab und wir gehen zusammen zu Violet und holen deine ganzen Schulsachen und den Stundenplan", redet sie weiter.
"Klar gerne. Das wäre echt super lieb," antworte ich strahlend und zerreiße mein Brötchen in der Hälfte.
Ich glaube, ich werde viel Spaß mit allen am Tisch und auch so haben. Aber was ist nur mit Paule los. Passt es ihm nicht, dass wir jetzt unter einem Dach wohnen oder war er von einer neuen Fast-Schwester genauso überrascht wie ich von ihm und er muss es erst "verdauen"? Ich glaube, ich spreche ihn nachher oder wenn wir mal allein sind an.
"Sagt mal, was wollen wir gleich machen? Lust auf eine Runde Volleyball? Es ist soooo gutes Wetter und noch total hell. Nutzen wir doch noch die Zeit uns etwas zu bewegen", fragt Katlein wieder und schaut erwartungsvoll in die Runde.
"Klar warum nicht? Es ist ja noch ein bisschen Zeit bevor wir in die Zimmer müssen und Hausaufgaben haben wir auch noch keine auf. Ich bin dabei," erwidert Luc ebenso begeistert und klatscht sich mit Leone ab.
"Okay", erwidere ich, " ich bin auch dabei. Nach der langen Autofahrt kann ein bisschen Sport gut tun".
"Was ist mit euch Paule. Oder Nicklas, Elissa, Kira, Marissa, Ricka. Jemand dabei?"
"Also na gut. Ich bin dabei. Ein bisschen Abwechslung kann ja nicht schaden", seufzt Marissa und blickt Kira und Ricka mit einem Dackelblick erwartungsvoll an. Diese verdrehen kurz die Augen und nicken dann ergeben.
"Sorry Leute, ich muss noch was erledigen. Das nächste Mal versprochen", sagt Paule und rückt dann mit dem Stuhl zurück, um seinen Teller abzugeben.
Momentmal, er hat gesprochen. Also ist er doch nicht auf den Mund gefallen!
"Ich kann auch nicht. Muss noch Geschichte lernen. Ich kann es mir nicht leisten nochmal in Geschichte ne 5 zu kassieren", sagt Elissa enttäuscht.
"Okay, Okay, dann bin ich auch dabei", sagt Nicklas und hebt den Arm und macht ein Peace Zeichen. Wir lachen auf und stapeln unser Geschirr zusammen.
Nachdem wir alles abgegeben haben, verabschiedet sich dann auch Elissa, um sich nochmal Geschichte anzuschauen.
"Okay, Bey Leute, gute Nacht und bis Morgen", sie umarmt jeden und bleibt dann bei mir stehen.
"Gute erste Nacht hier und viel Glück im restlichen Schuljahr", wünscht sie mir und ich drücke sie kurz an mich.
"Danke dir und viel Glück beim Lernen", erwidere ich gerührt. Dann verabschieden wir uns und laufen lachend zum Volleyballfeld.
♥
Zufrieden springe ich die Treppe zur Wohnung hoch und schließe sie auf. Der restliche Abend war echt schön verlaufen. Wie Luc vorhergesagt hat, kamen noch ein paar Personen beim Spiel dazu. Ich habe mich echt gut mit ihnen verstanden und es kann ja nie schaden, neue Kontakte zu knüpfen.
Im Flur höre ich schon von weitem zwei Männerstimmen streiten. Es müssen Liam und Paule sein. Ich laufe leise weiter und will gerade in mein Zimmer verschwinden, als ich meinen Namen höre.
"Aber Dad, die können doch nicht direkt einziehen. Wir kennen sie ja noch nicht mal richtig. Und warum hast du mir nichts gesagt", ruft Paule anklagend.
Ich höre Liam verächtlich schnauben. "Ach ja, und wie sie direkt einziehen können. Ich liebe Maya und Maya liebt mich. Ich weiß wie schwer es seit dem Tauchunfall deiner Mutter für dich ist," fährt er versöhnlicher fort, „aber gewöhn dich daran, dass ich eine neue Frau liebe . Das Leben geht weiter. Ich habe Larissa immer in meinem Herzen und werde sie auch nie vergessen, aber man muss weiter leben und sie hätte es sich auch so gewünscht"! Ich höre Wasserrauschen und wie eine Tür knallt. Dann ist es still.
Zurück in meinem Zimmer lege ich mich auf mein Bett, verschränke die Arme hinter meinem Kopf und mache meine Nachttischlampe an. Das entspannt immer. Paule ist wahrscheinlich wütend abgedampft und Mama wurde von Violet eingeladen sie in den Ort zu begleiten.
Ein Klopfen reist mich aus meinen Gedanken. Liam streckt seinen Kopf herein.
"Oh du bist ja da. Ich habe gar nicht gemerkt, dass du gekommen bist. Wie lang bist du denn schon da", will er unsicher wissen.
"Ach, bin gerade gekommen", beruhige ich ihn. Er muss ja nicht wissen, dass ich die beiden bei ihrem Streit belauscht habe. Er nickt kurz und schließt dann die Tür. Puh. Nochmal gut gegangen.
♥
Die ersten Sonnenstrahlen wecken mich mit einem Kitzeln an der Nase. Jetzt erst bemerke ich die laute Musik, die durch die Wohnung dröhnt. Mühsam stehe ich aus meinem Bett. Welcher Affe veranstaltet denn so früh am Morgen so einen Lärm. Das noch nicht mit dem Besen gegen die Decke vom Zimmer unter uns geklopft wurde, ist erstaunlich. Ich hämmer mit meiner Faust gegen die Tür, doch keiner reagiert. Der Musik nach zu urteilen muss es Paule sein. Ich hämmer noch mal gegen die Tür. Ich bin mir sicher erhat es gehört, da die Musik noch lauter wurde. Jetzt reicht es mir aber. Wütend reise ich die Badtür auf und blicke in die eisblauen Augen von Paule. Mir stockt kurz der Atem. So eisblaue Augen habe ich noch nie gesehen. Sie sind schon so blau, dass sie einem fast unwirklich erscheinen. Ehe ich noch etwas sagen kann, schiebt er mich zur Seite und lässt mich einfach stehen. Die Musik dröhnt weiter im Hintergrund, doch ich bin wie in Trance. Verwirrt trete ich ein und schließe die Tür hinter mir und schalte dann die Bluetoothbox aus.
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