
Camelot
[Donnerstag, 3 Tage bis zum Spiel]
„Sloane?" Mein Vater steckt den Kopf durch die Tür und sieht mich fragend an.
Ich schaue meinen Vater über mein Buch hinweg an und nicke leicht. Er setzt sich zu mir ans Bett und nimmt mir mein Buch aus der Hand.
„Hey!", beschwere ich mich und versuche es mir wiederzuholen.
„Sloane, bitte." Mein Vater sieht mich bedrückt und gleichzeitig ernst an.
„Was ist los?", frage ich jetzt vorsichtig und setzte mich auf.
„Ich muss heute Arbeiten. Bis morgen früh. Der Oberarzt ist krank geworden und ich darf heute für ihn einspringen. Das verstehst du doch, oder?"
„Natürlich, verstehe ich das. Geh ruhig. Ich kann auf mich aufpassen. Ich bestelle mir einfach Pizza oder mache mir Pfannkuchen. Keine große Sache", winke ich ab.
„Wann bist du nur so groß geworden? Die Zeit vergeht wie im Flug. Und wenn ich dann irgendwann von der Arbeit komme, bist du nicht mehr zu Hause. Dann bist du mit deinem dritten Freund zusammengezogen und rufst mich nur noch an Wochenenden an", sagt er lächelnd.
„Dad, ich bin 9!", beschwere ich mich lachend. „Und ich würde nie mit meinem dritten Freund zusammenziehen. Ich werde nur einen haben. Die wahre Liebe. Wie du und Mom."
„Das wäre wundervoll. So erspare ich mir eine Menge Liebeskummer", sagt er lachend und schaut auf seine Uhr.
„Tut mir leid, Spatz. Aber ich muss los. Geld findest du auf dem Tisch. Pass auf dich auf und lasse keine fremden Menschen ins Haus." Er gibt mir einen leichten Kuss auf den Kopf und verschwindet aus meinem Zimmer.
Gegen 12:00 Uhr verlasse ich dann ebenfalls das Haus und schlendere durch die Stadt. Vanessa hat Training. Vielleicht noch eine Stunde. Ich höre das Knattern eines Motors und erschrocken drehe ich mich um.
„Willi?", frage ich und gehe auf ihn zu. „Raban, Joschka?"
„Sloane. Gut das du da bist. Wir können jede Hilfe gebrauchen", sagt Willi und deutet dabei auf seinen Anhänger und die beiden Jungs.
„Was ist denn los? Und was tragt ihr da?", frage ich die beiden Jungs und deute dabei auf ihre Klamotten.
„Der dicke Michi. Er greift Camelot an. Wir müssen uns beeilen!", sagt Raban aufgebracht.
„Was? Warum?" Verwirrt sehe ich zwischen den dreien hin und her.
„Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen uns beeilen. Los!" Joschka und Raban laufen los und ich sehe entnervt zu Willi.
„Komm, schon Sloane. Hilf ihnen."
„Sie haben mir auch nicht geholfen", meine ich schnippisch.
„Das ist jetzt ein gut gemeinter Rat. Lebe nicht in der Vergangenheit. Du kannst sie nicht mehr ändern. Aber die Zukunft. Lass sie dir nicht von den Jungs kaputt machen. Das macht dich noch kaputt."
Geknickt nicke ich. Er hat ja recht.
„Los gehen wir", flüstere ich und folge Raban und Joschka nach Camelot.
Willi hat die beiden Jungs und mich schon längst überholt und ist deshalb schon vor uns am Baumhaus.
„Kreuzkümmel und Hühnerdreck! Ist dein Wohnwagen abgebrannt?", höre ich Juli schon von weitem rufen.
„Ne, es ist schlimmer. Der dicke Michi greift an. Und das heute noch", erwidert Willi.
„Was?" Alle höre ich sie schreien.
„Bedankt euch bei den beiden. Die haben mich Gott sei dank noch rechtzeitig gewarnt. Und Verstärkung haben wir auch mitgebracht."
Raban, Joschka und ich kommen hinter den Bäumen hervor.
„Was will die denn hier?" Leon deutet auf mich und sieht Willi sauer an.
„Auch schön deine Hackfresse wiederzusehen!", erwidere ich.
„Moment! Kann mir das vielleicht einer erklären? Was um alles in der Welt habt ihr vor?" Eine junge Frau um die 30 kommt auf uns zu und sieht uns überfordert an.
„Wir, Kreuzkacke, wir machen gar nichts. Der dicke Michi greift an!", antwortet Juli.
„Der, der den Hunden die Ohren abreißt", fügt Joschka hinzu.
„Genau, Frau Juli-Joschka. Sie sehen wie ernst die Sache ist. Wir können jede helfende Hand gebrauchen." Willi gibt der Frau, welche die Mutter von Juli und Joschka scheint, Federn und eine passende Kanone dafür. „Na dann los!"
Die Wilden Kerle und ich packen mit an und bauen Fallen, Netze und den Weihnachtsbaumeinpacktunnel auf. Raban und Joschka haben sich auf die Lauer gelegt, um uns rechtzeitig zu warnen.
„Sie kommen Leute! Sie sind gleich da!", schreien sie in unsere Richtung.
Nach einer langen Diskussion mit der Mutter von Juli und Joschka, stellt sich jeder an seinen Platz und wartet auf den Angriff. Jeder war irgendwo auf Camelot verteilt, um es von allen Seiten zu verteidigen.
„Hey, hallo! Ist da jemand? Ich suche die sieben Zwerge, hinter den Sieben Bergen.", macht sich der dicke Michi lustig und bringt so Marlon, welcher neben mir sitzt, aus der Fassung.
„Beruhig dich!", sage ich lauter als gewollt und ziehe den Rotschopf wieder auf den Boden.
„Greif an, wenn du dich traust!", vernehme ich Joschkas Stimme.
„Das könnt ihr haben! Mähdrescher, Fettauge, los! Zerlegt Camelot!", sagt Michi und die drei angesprochenen laufen auf das Baumhaus zu.
Die beiden kommen mit lauten Gebrüll auf uns zu. Jojo und Markus kümmerten sich um die zwei. Sie spannten das Stolperseil und die beiden flogen direkt durch die Weihnachtsbaumeinnetztonnen. Es ging alles so schnell, dass ich mir noch sehe, wie ein Sandsack Kong genau auf den Kopf traf. Marlon und ich nehmen uns derweil einen anderen Jungen vor. Maxi und Juli haben sich um zwei andere gekümmert. Einer ging is Netz und der andere wurde mit einem Sandsack K.O geschlagen. Ich lasse Marlon alleine und mache mich mit meiner Wasserkanone auf den Weg zu Fabi. Sense stand jetzt genau vor ihm und sieht ihm mit einer Axt Inder Hand an.
„Was machen wir jetzt?", fragt er belustigt.
„Wie wäre es mit fliegen?", antworte ich. „Festhalten!", schreie ich Fabi an und so schnell wir greifen können, fassen wir an die Seile vor uns und lösen die Brücke auf der Sense steht.
Dieser rutscht nach unten und fällt in eine Wanne mit dunkler Flüssigkeit. Fabi und ich klatschen uns ab, als wir wieder auf festem Boden stehen.
„Das werdet ihr büßen!" Michi schaltet seine Motorkreissäge an und kommt mit lautem Gebrüll auf uns zu. „Hört ihr das? So klingt es, wenn Camelot stirbt!"
Und dann fangen wir an mit unserem restlichen Wasser auf ihn zu schießen.
„Ist das alles, was ihr habt?", macht er sich über uns lustig.
„Das ist das große Finale, Fettsack!", erwidere ich.
Dann schießen Raban und Joschka mit einer Riesenwasserkanone auf die Zielscheibe über ihn.
„Aber treffen solltet ihr noch lernen!", meint er an die beiden Kleinsten gerichtet.
„Das tun wir doch! Guck doch mal hoch, du schwabbelbäuchiger Weltraumpups."
Dann fällt eine dickflüssige Substanz auf ihn.
„Scheiße!"
„Nein, das ist keine Scheiße, das ist Honig!", lacht Raban.
„Das werdet ihr mir büßen!"
„Marlon, Vanessa. Jetzt!" Leon und die anderen beiden anderen gehen zur Federkanone und im nächsten Moment war der dicke Michi von oben bis unten mit Federn bedeckt. Dann rutscht Leon mit einem Seil nach unten zu dem dicken Mich. „Und das ist der Moment, an dem du weglaufen solltest. Findest du nicht? Deine Freunde schicken wir dir hinterher. Die brauchst du ja noch fürs Spiel", sagt Leon Angriffslust.
„Ich glaube nicht, das es stattfinden wird. Ich glaube auch nicht, dass einer von euch am Sonntag erscheint", erwidert der dicke Michi selbstgefällig.
„Und ob wir das tun!", antwortet Jojo für das ganze Team.
„Und dann schießen wir euch auf den Mond!", fügt Markus hinzu.
„Und danach direkt in die Hölle!", ergänzt Raban.
„Das werdet ihr nicht. Denn euer Willi hat euch verarscht. Er hat euch einen Dreck beigebracht. Hört ihr? Er versteht überhaupt nichts von Fußball. Er ist auch noch nie ein Profi gewesen!", schreit der Fettsack.
„Du lügst", meint Leon selbstbewusst und ich schaue dabei unsicher zu Willi.
„Dann frag ihn doch selbst. Der muss hier doch irgendwo herumlungern. Hey Willi! Komm her und sag was du wirklich bist." Der dicke Michi schaut sich suchend nach dem Mann um.
„Der dicke Michi hat recht. Aber sonst hättet ihr mir nicht vertraut", entschuldigt Willi sich.
„Du hast gesagt, wir sollen immer ehrlich sein!", wirft Marlon ihm vor.
„Das hab ich, das stimmt." Willi sieht bedrückt zu den Jungs.
„Und das sollen wir dir jetzt noch glauben?", schreit Juli.
„Dass wir die unbesiegbaren Sieger trotzdem besiegen?", macht Fabi weiter.
„Glaubt mir. Für mich seid ihr die beste Fußballmannschaft der Welt", sagt Willi entschlossen.
„Und du bist ein Lügner Willi!", meint Leon lauter.
„Wir wollen dich nie wieder sehen. Nie wieder! Hast du das gehört?", fragt Fabi an ihn gewandt.
„Hau ab!" Leon sieht Willi sauer an.
Ein letztes Mal sehe ich Willi an, bevor er und die unbesiegbaren Sieger uns verlassen.
„Sag mal, geht's dir noch gut? Du hast gerade den besten Trainer aller Zeiten verloren!", schreie ich Leon an.
„Hast du nicht zugehört? Er ist kein Trainer! Er hat uns belogen.", erwidert er sauer.
„Ich weiß, dass Willi kein Trainer ist. Ich bin ja nicht blöd. Aber er ist eure einzige Chance auf den Sieg am Sonntag!", erkläre ich ruhiger.
„Wir brauchen Willi dafür nicht", sagt Leon überzeugt.
„Ist klar. Weißt du was? Mach doch was du willst! Das hast du sowieso schon immer." Ich schenke Leon noch einen giftigen Blick und verlasse die wilden Kerle.
Soll der Idiot doch machen, was er will!
20:00 Uhr. Mein Vater ist arbeiten und ich sitze alleine in meinem Zimmer und lese. Ich hatte nichts zu Abend gegessen, da mir der Appetit vergangen ist.
Ich zucke zusammen, als unser Telefon klingelt.
„Hallo?"
„Sloane?" Ich höre Vanessas Stimme auf der anderen Seite der Leitung.
„Ja, was ist?", frage ich und setzte mich wieder hin.
„Treffen wir uns in einer halben Stunde am Baggersee?", höre ich sie fragen.
„Am Baggersee? Was willst du denn da?", frage ich überrascht.
„Sei bitte einfach in einer halben Stunde da. Und bringe dir was Heißes zutrinken mit und eine Decke. Wir sehen uns da."
„Aber Van-" Doch da hat meine Freundin schon aufgelegt.
Will die mich verarschen?
Also mache ich mir schnell einen Kakao und fülle ihn in eine Thermosflasche ab. Eine Decke stopfe ich zusammen mit der Flasche in einen Rucksack. Dann ziehe ich mir wieder was Vernünftiges an und schwinge mich auf mein Fahrrad. Knappe zehn Minuten später komme ich am Baggersee an und stelle mein Fahrrad an einem Baum ab.
„Sloane!" Mein Kopf schellt in die Richtung, aus der die Stimme kam und ich erblicke Vanessa. Und die Jungs!
„Was machen die denn hier?", frage ich angepisst und deute eigentlich nur auf Leon.
„Siehst du das denn nicht? Sie will springen", höre ich Marlon sagen, welcher dabei auf Vanessa zeigt.
„Hat die nh Meise?", fragt Joschka und sieht seine Freunde belustigt an.
„Nein. Und ich springe ganz sicher nicht alleine." Vanessa legt ihren Rucksack ab.
„Und ob du das wirst", sagt Leon.
„Das werde ich nicht"
„Genau. Denn ich springe mit ihr." Fabi geht auf Vanessa zu und stellt sich neben sie.
„Ihr habt ja nen Knall." Leon sieht seinen besten Freund und Vanessa undefiniert an.
„Und ihr seid absolut feige", meint Vanessa. „Kommst du Sloane?", fragt meine Freundin mich.
„Warum nicht." Ich zucke mit den Schultern und ziehe im Gehen meine Schuhe aus.
„Was hast du gesagt, wie hoch das ist?", fragt Fabi und greift nach der Hand von Vanessa.
„Über zehn Meter."
„Wieviel über zehn Meter?", frage ich.
„Keine Ahnung. Hundert oder Tausend. Woher soll ich das wissen?", zickt Vanessa leicht.
„Wenn du stirbst, dann werde ich allen erzählen wie mutig du warst. Und wie feige die anderen", sagt Fabi.
„Das wird lustig", versuche ich dir Stimmung aufzulockern.
„Halt wartet!" Wir alle drehen uns zu Maxi um.
Er zieht seine Schuhe aus und stellt sich neben Fabi.
„Hast du gerade geredet?", frage ich total geschockt.
„Kacke verdammte! Maxi, das werde ich dir nie verzeihen. Warum musst du ausgerechnet jetzt mit dem Reden anfangen?" Leon sieht Maxi genauso verblüfft an wie ich.
„Verdammt! Maxi hat recht. Oder wollt ihr ab jetzt alle als Feiglinge dastehen?" Leon stellt sich zwischen Vanessa und mich und ich stelle mich sofort zu Marlon. „Dafür bringe ich dich um."
„Das darfst du, wenn du danach noch lebst", kontert Vanessa.
Ich stehe jetzt zwischen Marlon und Markus und nehme nur wieder willig die Hand von Markus.
„Das wird nie wieder passieren", höre ich ihn neben mir sagen.
„Keine Sorge. Deine Hand würde ich nicht nochmal freiwillig anfassen", murmle ich.
„Eins" Vanessa fängt an zu zählen und mein Händedruck wird fester.
„Zwei" Leon zählt weiter und ich halte schon automatisch die Luft an.
„Drei", schreien wir alle und springen von der Klippe.
Mit einem lauten platsch, landen wir alle im Wasser. Ich tauche wieder auf und wische mir die Haare aus dem Gesicht. Nach und nach tauchen auch die anderen auf.
Am Ufer angekommen, nehme ich mir sofort meine Decke und den Kakao und setzte mich zu Vanessa.
„Danke", flüstere ich leise.
„Wofür?" Vanessa sieht mich an und trinkt von ihrem heiß Getränk.
„Dass du mich gezwungen hast, hierher zukommen. Das war super. Das haben wir alle glaube ich gebraucht."
„Ja. Meine Oma kann schon mal gute Ideen haben", lacht Vanessa.
„Dann richte ihr meinen größten Dank aus", lache ich ebenfalls und sehe mir die anderen Jungs an.
„Kommst du am Sonntag zum Spiel? Für mich?" Ich sehe Vanessa an und nicke.
„Aber wirklich nur für dich."
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