8. Was denkst du?
Lucy
Ich erwachte ausgeschlafen aus meinen Träumen, und sah ... Henry, der auf meinem Stuhl schlief. Was machte er hier?
«Henry? Aufwachen, du bist eingeschlafen», versuchte ich ihn zu wecken. Henry blinzelte ein paarmal, streckte sich und gähnte verschlafen.
«Was ...? Ich bin eingeschlafen!?» Henry langte sich an seine Stirn.
Warum war es ihm so wichtig, nicht einzuschlafen? Hatte er mich beobachtet?
«Du hast schlaf gebraucht ... ist doch nicht schlimm», beruhigte ich ihn und machte ein verwirrtes Gesicht.
«Ich wäre einfach nur beruhigter, wäre ich wach gewesen.» Er senkte seinen Blick, als hätte er etwas gesagt, was peinlich wäre.
«Es ist nichts passiert! Ganz im Gegenteil, dank dir habe ich einschlafen können», machte ich ihm klar, verstand nicht, warum er solch ein Drama machte.
Henry hob seinen Blick und und lächelte auf einmal.
«Wirklich?»
«Ja, wirklich», wiederholte ich bestätigend und lächelte beruhigend.
Henry holte von Zuhause seinen Rucksack und zog sich eine leichte Jacke an, damit wir zur Schule gehen konnten.
In der Schule unterhielt er sich mit Charlotte und Jasper, der mir dauernd einen komischen Blick zuwarf. Nicht böse, eher schmeichelhaft. Weil mir unwohl dabei war, versuchte ich so zu tun, als hätte ich ihn überhaupt nicht wahrgenommen.
Am Nachmittag verabredete ich mich mit Charlotte, die unbedingt einen Mädelsabend machen wollte. Immerhin waren wir zwei Mädchen mit zwei Jungs, und warum sollten wir uns da nicht anfreunden? Zudem war sie wohl ziemlich allein mit beiden.
Wir gingen ins Kino und sahen einen Film an. Ich bestellte mir Popcorn, das ich mit Charlotte teilte. Der Film war einigermaßen okay. Ich ging nicht gerne ins Kino, lieber schaute ich mir Zuhause einen Film an. Charlotte hatte Wind davon bekommen und fing an zu reden.
«Du hast Henry ziemlich verändert.»
«Was meinst du mit verändert?» Charlotte blickte mich mit zusammengedrückten Augen durchdringlich an, als dachte sie, ich würde wissen, was sie meint.
«Nun ja, seit du hier in Swellview bist, ist Henry so ... vorsichtig und achtsam auf uns alle geworden. Er schläft kaum noch oder sehr wenig, weil er denkt so kann er auf uns alle achtgeben. Dabei braucht er jemanden, der auch auf ihn aufpasst. Ihm sagt, dass er halblang machen soll. Und ich denke diese Person bist du.»
Ich konnte überhaupt nicht nachvollziehen, warum Charlotte mich meinte. Ich war auch nur ein gewöhnliches Mädchen, nichts Besonderes. Es gab keine Erschreckenden Familiengeheimnisse, keine Haustiere und keine verschwundenen Geschwister. Nichts besonderes schließlich. Warum sollte ich dann also Henry so verändert haben? Und konnte sie ihm nicht beistehen?
«Und warum ich?», fragte ich, und war immer noch in meinen Gedanken, fast schon wie gefangen.
«Weil es so ist, glaub mir. Es ist Schicksal, dass du nach Swellview kamst.» Verwirrter als vorher wand ich meinen Blick von Charlotte ab und mir viel auf, dass der Film vorbei war.
Es war Zeit zu gehen, nicht nur wegen dem Film, sondern auch, dass ich die zweite Frage nicht beantworten musste, die sie mir vielleicht stellen würde. Doch bevor ich gehen konnte, hielt Charlotte mich am Arm fest.
«Weißt du über die Sache heute in der Schule Bescheid?», fragte sie.
«Nein, aber du weißt es.»
«Henry hat sich mit Mitch geprügelt, ich denke es war wegen dir.»
Es ergab Sinn, alles ergab Sinn. Er dachte er müsse mich vor Mitch beschützen. Ich war ihm mehr als dankbar über die zwei Situationen in denen er mir half, doch er konnte nicht immer bei mir sein. Siehe die drei vergangenen Tage an, wo es keinerlei Spur von Henry gab. Henry konnte nicht jeden retten. Das musste er akzeptieren. Er konnte es nur zumindest versuchen.
«Wenn du meinst. Ich weiß nichts darüber», sagte ich sanft und wir verließen schweigend das Kino, was mir herzlich egal war. Schweigen war mir lieber, statt irgendwelcher Fragen zu beantworten.
Charlotte begleitete mich ein Stück, doch auch unsere Wege trennten sich irgendwann. Kurz vor unserem Haus, sah ich Dad der telefonierend wegschlich. Irgendetwas stimmte nicht, er wirkte so anders. Ich beschloss ihm zu folgen.
Mit einem guten Abstand lief ich ihm hinterher und bemühte mich, dass er mich nicht sah. Er lief in Richtung Schule und bog ein paarmal ab, doch weiter konnte ich ihm nicht folgen, da ich eine allzu bekannte Stimme hinter mir hörte.
«Lucy? Was machst du denn hier?»
Ich drehte mich um und sah in braune Augen, die Müde und trüb wirkten. Wegen der Honigblonden Haare erkannte ich, dass es Henry war. Beinahe wäre ich in ihn reingelaufen.
«Ich bin ... meinem Dad gefolgt. Er benimmt sich in letzter Zeit so merkwürdig», erklärte ich.
«Und? Hast du was herausgefunden?», fragte er interessiert und trat näher zu mir.
«Nein, nicht wirklich. Ist auch nicht so wichtig», wich ich ihm aus, drehte mich noch einmal um, konnte aber niemanden mehr erkennen. «Komm wir gehen zurück.»
Henry
Nach der Nacht bei Lucy ging es mir seit langem wirklich gut. Piper war unfassbar traurig gewesen, als ich weg war. Charlotte hatte meinen Eltern erzählt, ich würde bei ihr schlafen und in der Schule hatte man mich entschuldigt. Bis jetzt, bekamen meine Eltern nichts raus und das musste auch so bleiben. Am Abend telefonierte ich mit Ray und fragte, ob es schon etwas Neues gab. Ray erzählte, dass Schwoz über den Herrscher des Bösen nichts herausfand. Was ihn umso grusliger machte, nicht mal Schwoz fand etwas. Man könnte meinen, wir standen zum ersten Mal einem Gegner gegenüber, der uns überlegen war.
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