54.| G r a c e
Mein Atem geht schnell, und auch als Noah versucht mich zu beruhigen, verlangsamt er sich nicht. Ich bin einfach viel zu aufgelöst, und meine Gedanken überschlagen sich in meinem Kopf. Vor Noah versuche ich stark zu sein, doch ich weiß ganz genau dass ich es nicht bin, nie war und wahrscheinlich auch nie sein werde. Noch nie hat mich etwas so viel Kraft gekostet, doch als ich mir die Worte zu Recht lege, weiß ich dass es kein zurück mehr gibt. Entweder ich schaffe jetzt Klarheit, oder ich muss alleine mit meinen Problemen zurechtkommen.
Ich sehe zu Noah, und als ich sehe wie sehr er mit mir leidet, ist mir bewusst dass ich langsam anfangen muss zu sprechen. Noch einmal atme ich tief ein und wieder aus, ehe ich die ersten Worte über die Lippen bringe.
"Ich weiß, dass du dachtest ich würde dich lieben", beginne ich und spiele nervös mit meinen Haaren. Die Tränenspuren auf meiner Haut beginnen zu jucken und ich schließe aufgebracht die Augen. Ich weiß nicht wie Noah reagieren wird, aber ich bin mir sicher dass er die Wahrheit eigentlich nicht hören will.
"Grace. Du bedeutest mir die Welt", flüstert Noah und seine Worte sind leise. Beinahe so leise, dass ich sie nicht verstehen kann. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in letzter Zeit einmal so zurückhaltend war.
"Ich weiß. Aber du weißt auch, wie sehr es mich unter Druck setzt. Ich liebe Lilly, und habe es vermutlich auch immer getan", erwidere ich und mein Herz wird schwer als ich sehe, wie sehr meine Worte Noah treffen. Niemals wollte ich so etwas erreichen, aber all die Last die auf meinen Schultern liegt kann ich nicht mehr tragen. Ständig zieht mich Noah zu sich, in der Hoffnung dass ich doch Gefühle für ihn habe. Dabei ist sich mein Herz so sicher, dass es keine Gefühle für ihn gibt. Zumindest nicht solche.
Noah sagt kein Wort, und er widerspricht mir auch nicht. Er weiß genau, dass jedes Wort das bis jetzt über meine Lippen gegangen ist, wahr ist. Vermutlich war es einfach an der Zeit, all das richtig auszusprechen. Ich sehe wieder zu ihm, immer noch in der Hoffnung er würde auf mich reagieren oder wenigsten eine Andeutung machen, dass er mich versteht.
Er bleibt stumm, und erneut beginne ich zu weinen. Ich kann nicht glauben, dass ich mich erneut in einem Menschen so stark geirrt habe. Beinahe kann ich spüren, wie sich Noah immer weiter von mir entfernt und die Stille die sich zwischen uns ausgebreitet hat, immer mehr Raum einnimmt. Es fühlt sich an, als würde sie mir die Luft zum Atmen nehmen.
"Geh!", fordert Noah mich auf, und seine Worte sind hart und laut. Ich kann ihn nicht einschätzen, weiß nicht was ich tun soll. Mein Kopf schreit mich an, ich solle doch das Zelt verlassen, aber mein Herz sagt das Gegenteil. Voller Angst und Enttäuschung, höre ich auf meinen Kopf und gehe aus dem Zelt und lasse Noah hinter mir. Dieser Schritt fühlt sich an, wie ein riesiger. Es ist, als würde ich ihn wirklich vollkommen aus meinem Leben streichen und die Erleichterung die sich in mir ausbreitet, bringt mich zum weinen. Ich weine nicht vor Trauer, sondern weil mich alle diese Gefühle die mich auf einmal treffen vollkommen überfordern.
Meine Beine tragen mich zu meinem Zelt, und als ich einen weiteren Schritt nach vorne mache, fühle ich einen stechenden Schmerz in meiner Bauchgegend. Ich habe keine Ahnung vorher dieses Gefühl kommt, aber das erste was ich wahrnehme ist wahnsinnige und panische Angst die sich in mir ausbreitet.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken und als erneut Tränen über meine Wangen strömen, lasse ich mich in meinem Zelt auf den Boden sinken. Für einige Zeit liege ich dort vollkommen alleine, und nehme einfach die Angst in meinem Herzen wahr. Ich versuche mich zu beruhigen, und rede mir immer wieder ein, dass alles gut ist. Sicher, dass genau das nicht stimmt.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, aber auf einmal höre ich eine vertraute Stimme, die mich aus meinen Gedanken reißt.
„Darf ich zu dir kommen?", flüstert Jason leise und schenkt mir ein leichtes Lächeln.
Ohne auf meine Aufforderung zu warten, setzt er sich zu mir und ist für einen Moment vollkommen stumm.
„Danke", hauche ich und sehe zu Boden. Ich bin überfordert, und versuche den Schmerz der sich in mir ausbreitet zu vergessen. Jason sitzt immer noch neben mir, und ab und zu wandert sein Blick besorgt zu mir.
„Was ist los?", fragt er dann und beobachtet wie ich die Tränen weg blinzle.
„Ich...", beginne ich und lehne meinen Kopf gegen seine Schultern. Ich kann nicht einordnen, woher der Schmerz kommt. Ob ihn mein Körper, oder meine Gedanken auslösen.
„Es ist alles gut", flüstert Jason und aus irgendeinem Grund kann ich ihm glauben. Vielleicht bleibt mir auch gar nichts anderes übrig.
„Hast du Schmerzen?", fragt Jason und sieht mich besorgt an. Eigentlich kenne ich diesen Jungen kaum, aber in diesem Moment kommt es mir vor, als wären wir schon immer befreundet gewesen. Stumm nicke ich, und schließe wieder meine Augen. Ich habe das Gefühl als würde ich in meinen eigenen Tränen ertrinken.
Kurz davor ganz unter zu gehen, greift Jason nach meinem Arm und hält mich fest. Er tut es nicht aus Wut, sondern um mir das Leben zu retten.
„Wir gehen dir einen Test kaufen", sagt Jason und für einen Moment stoppt mein Herzschlag. Ich brauche keinen Test, wofür?
„Jason. Wieso?", frage ich und sehe ihn an. Sein Blick wirkt starr und es scheint als würde er gerade in Erinnerungen schwelgen die schon Jahre her sind.
„Weil du Schmerzen hast", sagt er dann und sieht mich an.
„Wieso ein Test?", frage ich erneut und auf einmal erzählt er mir die Sache mit Lilly. Das es bei ihr damals genauso war. Das sie schwanger war.
Seine Worte haben eine Schwere, die ich beinahe nicht ertragen kann.
„Ich bin nicht schwanger", sage ich und bemerke wie erneut Tränen über meine Wangen fließen.
Dann stehen wir gemeinsam auf, und verlassen das Zelt. Jason setzt mich in seinen alten Wagen und ich steige ein. Meine Hände liegen auf meinem Schoß, und noch nie haben sie so sehr gezittert.
„Es ist alles gut", versichert mir Jason erneut und ich arme tief ein und wieder aus.
„Du schaffst das", sagt er dann und hält wenig später den Wagen vor einer kleinen und alten Apotheke.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergeht, aber ein paar Minuten später kommt Jason wieder aus dem Geschäft, den Test in seiner Hand.
Ich habe Angst vor der Zukunft. Angst zu versagen. Diese Angst nimmt mich ein, und ich kann es nicht verhindern.
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