23.| L i l l y
Als ich aufwache, sehe ich nur die weiße Decke an die ich starre.
Ich nehme den strengen Geruch von Desinfektionsmittel wahr, und kann Menschen leise reden hören.
Sie laufen auf dem Flur umher, und als mir bewusst wird dass ich mich in einem Krankenhaus befinde, wird mir schlagartig klar wieso.
Ich habe gestern Abend einen Schock erlitten. Als wir in dieser einen Bar waren.
In dieser Bar, in der viel zu viele Menschen waren, und die all die Erinnerungen an den damaligen Abend hervorgeholt hat.
Ich atme schwer ein und dann wieder aus. Meine Lunge fühlt sich an, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen und mein Herz klopft unfassbar schnell.
Die Türe zu meinem Zimmer öffnet sich mit einem Schwung, und vor mir steht eine Dame in einem sterilen Kittel.
Ihre braunen Haare fallen ihr perfekt in die Stirn und ihre Augen leuchten genauso bezaubern wie die von Grace.
Graces Augen.
Mich trifft die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht, als mir klar wird, wer diese Ärztin wirklich ist.
"Guten Morgen, Lilly." , sagt die Frau und schaut mich für einen Augenblick an.
Ich habe keine Ahnung, ob sie mich erkennt oder ob sie weiß dass ich die Lilly bin.
"Hi" , flüstere ich und keuche, weil sich meine gesamte Brust bereits bei diesem Wort schmerzhaft zusammen zieht.
Als Graces Mutter meine Stimme hört, scheint es als sei ein Schalter in ihrem Kopf umgelegt worden.
Sie sieht mich an, und ihre Augen werden immer größer.
"Du." , keucht sie und verzieht schmerzhaft das Gesicht.
Ein wenig tut es mir im Herzen weh, doch ich versuche meine Kräfte zu sparen und nicht für sie aufzubrauchen.
"Ja, ich bin es. Schön Sie wiederzusehen." , sage ich und zwinge mich zu einem krampfhaften Lächeln.
Ich will nicht, dass sie mich noch mehr hasst für das was ich nun einmal bin.
"Ich...es tut mir leid, aber ich kann dich nicht behandeln." , haucht sie dann leise und verschwindet in der nächsten Sekunde auch schon aus meinem Zimmer.
Ich habe keine Ahnung, was das gerade war, aber anscheinend geht es dieser Frau wirklich schlecht.
Meine Augen fallen wieder zu, und in meinen Gedanken sehe ich Grace.
Ich sehe ihre braunen Haare, die in der Sonne glänzen und ihr Lächeln, dass alles um sie herum zum strahlen bringt.
Mit einem Schlag wird mir bewusst, wie wichtig mir Grace wirklich ist.
Das jeder Erinnerung die ich an dieses Leben habe, mit ihr zu tun hat.
Das es keinen Tag in meinem Leben gibt, an dem ich nicht Graces Lachen höre oder ihre weichen Lippen auf meinen spüre.
"Alles gut?", höre ich die Stimme eines Mannes. Als ich meine Augen öffne, beugt er sich über mich und schenkt mir ein schiefes Lächeln.
Auch er ist vollkommen weiß gekleidet und sieht mich erwartungsvoll an.
Als ich nicht antworte, ergreift er erneut das Wort.
"Du hast Stunden geweint." , sagt er und reicht mir ein Taschentuch.
Ich habe nicht gemerkt, dass ich geschlafen habe, oder gar geweint habe, doch ich bemerke den juckenden Film aus Tränen der über meine Haut läuft.
"Ja." , flüstere ich und wische mir das salzige Wasser von meinem Gesicht.
Der Junge Mann nickt nur stumm und erst jetzt merke ich, dass er immer wieder zur Türe schaut.
"Mir geht es gut. Sie können gerne gehen." , sage ich und lächele zur Bestätigung.
Er verzieht das Gesicht und lacht dann kurz auf. Ich habe keine Ahnung, was daran so lustig sein soll, aber beginne einfach auch zu lachen.
Für einen Moment breitet sich eine unangenehme Stille aus und dann lächelt er erneut.
"Okay. Danke." , sagt er und eilt aus dem Zimmer.
Ich bin erneut alleine, doch diesmal genieße ich es solange, bis mein Handy zu klingeln beginnt.
Die Ärzte haben eigentlich etwas von "Bettruhe" geredet, doch so fühlt es sich nicht an.
Ich sehe auf das Display. Meine Mutter hat mehrmals versucht anzurufen, und auch ihre Nachrichten sind mehr als besorgt.
Erst jetzt fällt mir ein, dass ich seit gestern Abend nicht mehr geschrieben oder irgendein Lebenszeichen von mir gegeben habe.
Verdammt, denke ich und schreibe meiner Mutter eine kurze Nachricht, in der ich behaupte ich wäre gestern gestürzt.
Sie muss nichts von dieser Panikattacke wissen.
Es ist nicht so, dass es die erste war die ich hatte.
Seit mein Vater gestorben ist, habe ich sie beinahe täglich doch dieses eine mal war sie besonders schlimm.
Soweit ist es wirklich noch nie gekommen, bis jetzt.
Meine Mutter schreibt zurück, dass sie sofort vorbeikommen wird.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll denn eigentlich möchte ich nicht mit ihr reden.
Sie wird fragen, was passiert ist und ich kann ihr nicht einfach so ins Gesicht lügen.
Dafür kennt meine Mutter mich zu gut.
Sie würde es sofort bemerken, also muss ich ihr die Wahrheit sagen.
Ihr von dieser verdammten Nacht erzählen, und ich habe keine Ahnung ob ich dafür schon bereit bin.
Es klopft an der Türe und ich bringe ein schwaches "Herein!" , über meine Lippen.
Mehr auch nicht, den mein Kopf dröhnt immer noch, von den ganzen Beruhigungsmitteln die sie mir gegeben haben, damit ich nicht vollkommen aufhöre zu atmen.
Meine Mutter kommt in das kleine Zimmer, gefolgt von meiner kleinen Schwester.
Erleichtert atme ich ein und wieder aus. Wenn meine Schwester dabei ist, wird meine Mutter wohl kaum über den vergangenen Abend sprechen wollen.
"Schätzchen!" , ruft meine Mutter und setzt sich zu mir ans Bett. Sie sieht besorgt aus und streicht führsorglich über meine roten Haare.
"Hi Mom." , flüstere ich und schließe die Augen, um meine starken Kopfschmerzen in den Griff zu bekommen.
"Was ist passiert Lilly?" , fragt sie und klingt, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich.
"Mom. Ich will nicht darüber..." , beginne ich doch kann meinen Satz nicht beenden, da meine Mutter plötzlich zu weinen beginnt.
Sie schluchzt und ihr gesamter Körper zittert. Ich weiß nicht wie ich reagieren soll, und setzte mich auf.
Es streng mich an, doch für meine Mutter würde ich alles tun. Auch sterben.
"Mom, es tut mir so leid." , flüstere ich und nehme sie in den Arm.
Vorsichtig streiche ich ihr eine Strähne aus der Stirn und sehe sie dann liebevoll an.
Ihre Augen sind gerötet und der Fluss an Tränen hört einfach nicht auf.
"Lilly. Ich..." , beginnt meine Mutter doch die Schluchzer unter brechen immer wieder ihre Worte.
"Nein Mom, es ist okay." , sage ich und streiche meiner Mutter vorsichtig über den Rücken, ehe ich mich von ihr löse und nach ihrer Hand greife.
"Ich habe gehört, dass es eine Panikattacke war. Ich hätte damals..." , sagt sie und ihr Körper bebt weiterhin hilflos.
"...für dich da sein sollen als dein Vater..." , schluchzt sie und streicht sich eine Träne von der Wange.
Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, also reiche ich ihr ein Taschentuch und sie nimmt es dankend an.
"Mom. Du musstest zwei Kinder alleine großziehen. Du hast alles gegeben was du konntest..." , flüstere ich und schenke ihr ein dankbares Lächeln.
Jedes Wort, dass über meine Lippen kommt stimmt. Ich hätte mir damals wahrscheinlich das Leben genommen, wenn meine Mutter nicht da gewesen wäre.
"Ich liebe dich Lilly." , haucht meine Mom und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
In diesem Moment, fühle ich mich unfassbar geliebt und wertvoll.
Ich schließe Frieden.
Mit meiner Mom, meiner Vergangenheit und auch mit mir und meinen Schuldgefühlen.
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