11.| O l i v i a
Ich habe keine Ahnung, wie lange wir schon unterwegs sind, aber es müssen Stunden sein.
Ich bin ewig nicht mehr bei meiner Tante gewesen, umso schwerer fällt es mir, zu wissen dass ich dort meinen Sommer verbringen soll.
Immer noch weiß ich nicht, was mich erwarten wird. Ich fürchte mich vor diesem Camp. Ich weiß das Jason auch im Camp angemeldet ist, was es nicht besser macht.
Ich habe keine Ahnung, wieso aber ich kann mir denken dass es daran liegt, dass er sich und seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte.
Als wir noch ein Paar waren, kam das leider öfter vor. Dennoch hat es mich nie davon abgehalten, ihn zu lieben.
Es trifft mich wie der Blitz, als mir bewusst wird wie sehr mein Herz an ihm gehangen hat. Ich denke erneut an diese eine Nacht, die mein Leben und auch meine Vertrauen in die Menschheit vollkommen verändert hat.
Wir waren immer glücklich zusammen gewesen. Es hat natürlich auch seine Probleme gegeben, vor Allem weil ich wusste, wie sehr er unter der Alkoholsucht seiner Mutter leidet aber eigentlich wussten wir beide, dass wir uns brauchten.
Doch dann, hat Jason an einem Abend entschieden, mein Herz in tausend Teile zu zerschmettern und alles zu zerstören was wir in dem anderen hatten.
Vertrauen und vielleicht auch einen Funken Hoffnung, das wir füreinander bestimmt waren.
Er hat mit diesem Mädchen geschlafen, als sei nichts besonderes dabei.
Ich weiß, dass Jason es mit vielen Mädchen tut, aber ich war so naiv und dachte für mich würde er sich ändern. Ich wurde enttäuscht.
Die Stimme des Fahrers reist mich aus meinen Gedanken. "Wir sind gleich da." , sagt er und ich öffne meine Augen. Das helle Licht der Sonne blendet mich, und es kommt mir gegensätzlich vor, dass sie scheint.
Ich war dabei, in ein Dorf zu fahren in dem ich wohlmöglich den schrecklichsten Sommer meines Lebens erleben würde, und der Himmel war blau und wolkenlos.
Es kommt mir alles so falsch vor, dass ich lachen muss. Ich weiß nicht wieso, aber Jasons Gesicht habe ich immer noch vor meinen Augen, und so sehr ich mich auch bemühe, es will nicht verschwinden.
Der Fahrer bremst den Wagen und ich falle in meinem Sitz zurück. Die Sonne scheint auf meine blasse Haut und für einen kurzen Augenblick empfinde ich Glück, welches von der Tatsache dass ich hier meinen Sommer verbringen muss, sofort wieder überschattet wird.
Ich steige aus, und gehe an den Kofferraum um meine Tasche zu holen. Viel eingepackt habe ich nicht, und dennoch fühlt sich die Tasche unheimlich schwer an.
Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Frau. Sie ist vielleicht fünfzig Jahre alt, und trägt einen bunten Rock und ein noch auffälligeres Oberteil. Sie sieht fröhlich aus, und als sie mich erblickt erkenne ich Grübchen um ihren Mund.
Ich bin mir sicher, dass sie meine Tante ist und ich kann nicht verstehen, wie diese Frau mit meiner Familie verwandt sein kann.
Das Haus in dem sie allen Anschein nach wohnt, ist winzig und das Blumenbeet vor ihrer Haustür wuchert wild vor sich hin.
Es sieht nicht so als, als würde sie in ihrem Job Millionen machen, und bereits eine Sekunde nach dem ich diesen Gedanken beendet habe, schäme ich mich dafür. Ich kenne sie nicht, und sollte sie nicht verurteilen.
Ohne weiter darüber nachzudenken, schiebe ich es auf die oberflächige Erziehung meiner Eltern und hieve meine Tasche aus dem Kofferraum.
Der Fahrer zwinkert mir noch einmal zu, bevor er sich auf den Rückweg macht.
Nun bin ich hier, und das würde sich auch nicht mehr so schnell ändern. Ob ich es will, oder nicht.
Die Frau kommt auf mich zu und ihr Lächeln ist immer noch riesig und freundlich.
"Olivia." , sagt sie glücklich, als sei ich die Person auf die sie seit Jahren gewartet hat.
"Hallo." , sage ich leise und will gerade an ihr vorbei gehen, da nimmt sie mir meine Tasche ab.
"Du brauchst wirklich nicht..." , beginne ich, doch ihr scheint es nicht besonders wichtig zu sein, was ich sage. Sie läuft einfach zielstrebig an mir vorbei, in Richtung Türe. Als sie dort angekommen ist, lässt sie die Tasche neben sich fallen und öffnet die Türe.
Voller Stolz deutet sie auf den Eingang und fügt zu ihrer Geste ein "Hereinspaziert." , hinzu.
Ich kann nicht glauben, dass diese Frau zusammen mit meinem Vater aufgewachsen ist. Wie konnte mein Dad so verklemmt und perfekt sein, währenddessen diese Frau in einem kleinen Haus am Waldrand lebte und doppelt so glücklich war.
Sie lächelt durchgehend, wobei ich mich bei meinem Vater nicht an ein einziges Lachen in den letzten Jahren erinnere.
Es trifft mich, als mir das erste mal bewusst wird, dass es nicht Reichtum oder Besitz ist, der uns glücklich macht.
Viel zu lange war ich mit diesem Gedanken durch die Welt gegangen und hatte mein Leben danach ausgerichtet. Dabei war es vollkommen egal.
Auf einmal war ich unfassbar stolz, dass diese Frau meine Tante war.
"Du bist sicher müde." , sagt meine Tante und geht in die Küche. Sie ist winzig, aber es gibt alles was man braucht. Ich entdecke einige Gläser mit Marmelade und stelle mir vor, wie meine Tante sie jeden Sommer selber kocht und muss automatisch lächeln.
"Leg dich ruhig für ein paar Stunden hin. Das Haus kann ich dir später auch noch zeigen." , fährt sie fort und deutet auf das Sofa, was sich genau neben dem Wohnzimmertisch befindet.
Ich frage mich, ob ich kein eigenes Zimmer habe, aber eigentlich ist es auch nicht wichtig.
Die Fenster sind riesig und ich kann von diesem Platz aus in den Garten schauen.
Die Blumen blühen in den schönsten Farben und auf einmal überkommt mich ein Gefühl, was ich bis jetzt noch nicht kannte.
Ich fühle mich, als sei ich angekommen. Als sei ich Zuhause.
Meine Augen fallen zu, und erst jetzt bemerke ich die Müdigkeit, die mich plötzlich überkommt.
Durch einen wunderschönen Gesang werde ich geweckt.
Ich kann das Geräusch nicht zuordnen und sehe mich um. Die Strahlen der Abendsonne fallen in das kleine Wohnzimmer und ich entdecke meine Tante, die singend in der Küche steht.
Sie schneidet Gemüse und ihre blonden Haare fallen ihr sanft ins Gesicht. Erst jetzt fällt mir auf, wie ähnlich sie mir wirklich ist.
"Hi.", sage ich leise und sehe sie an. Sie scheint nicht damit gerechnet zu haben, dass ich sie beobachte und zuckt unauffällig zusammen, doch als sie mich ansieht muss sie sofort lächeln.
Ich habe das Gefühl, dass ihr Lachen heller als die Sonne ist und denn ganzen Raum erfüllt.
Meine Tante besteht darauf, dass wir erst zusammen essen und sie mir dann das gesamte Haus zeigt.
Ich bin immer noch total müde, aber es scheint ihr wichtig zu sein, also stehe ich auf und gehe zu ihr in die Küche. Vielleicht kann ich ihr ja ein bisschen helfen.
Um ehrlich zu sein, ist es wirklich ungewohnt für mich in der Küche zu stehen. Normalerweise haben wir einen Koch der das Zuhause für uns übernimmt.
Ich kann nicht kochen, und meiner Mutter fehlt dazu schlichtweg einfach die Zeit, genauso wie meinem Vater.
Es ist Jahre her, dass einer der beiden für mich gekocht hat, doch nach und nach ist es mir gar nicht mehr aufgefallen.
"Kann ich helfen?" , frage ich und stelle mich zu meiner Tante. Sie lächelt mich an, ehe sie zum Schrank geht und Geschirr herausholt. "Deck doch den Tisch, Schätzchen." , sagt sie und reicht mir die Teller.
Na gut, denke ich und verteile sie auf dem Tisch. Es fühlt sich ungewohnt an, einen Tisch selber einzudecken. Wenn ich zuhause aß, konnte ich mich direkt an den gemachten Tisch setzten und darauf warten, dass das Essen gebracht wurde.
"Bist du fertig?" , fragt meine Tante und erst jetzt bemerke ich, dass sie die ganze Zeit hinter mir stand.
"Klar." , sage ich und setzte mich. Sie stellt einen großen Topf mit Suppe auf den Tisch und setzt sich dann auch.
Ich bemerke, wie meine Hände vor Nervosität zittern. Ich habe Angst, dass sie ein Gespräch beginnen wird, und das mir die Antworten ausgehen werden.
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, füllt sie stattdessen meinen Teller mit der warmen Suppe und gießt Wasser in mein Glas. Ich bin unheimlich dankbar, dass sie nicht weiter auf den Grund meines Besuches eingeht und ich einfach essen kann.
Mein Teller ist fast leer, da ergreift meine Tante doch das Wort. "Willkommen." , sagt sie und lächelt strahlend.
Ich hätte nicht damit gerechnet, doch in lache sie auch an.
So schlimm kann es gar nicht werden, denke ich ehe sie mir meinen Teller erneut füllt.
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