𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐
↬𝖪𝖺𝗉𝗂𝗍𝖾𝗅 𝟤↫
Sie war weg.
Robert von Locksley hatte die Prinzessin in Begleitung eines Ritters wegreiten sehen. Inzwischen bereute er es, sie hinausgeführt zu haben. Er hatte keine Glanzrolle gespielt, in den letzten Jahren. Und sie schien ihn zu hassen. Keine gute Voraussetzung für eine baldige Ehe.
Locksley wusste noch, wie er voller Vorfreude in den Krieg geritten war. Und mit welch schwerem Herzen er zurückkehrte. Er wusste nicht, ob es Jerusalem, der heiße Wüstensand oder die Gefangenschaft war. Er wusste nur, dass er nicht mehr der wahr, der einst vor so vielen Jahren losgezogen war, um das heilige Land zurückzuerobern.
Plötzlich wurde seine Zimmertür aufgerissen, und sein Vater kam wütend hereingestürmt. „Robert, was in aller Welt machst du hier? Bist du noch bei allen Sinnen? Überall habe ich dich suchen lassen." Mit einem lauten Knarren schlug der Earl die Zimmertür hinter sich zu. „Ihre Hoheit ist gegangen."
Locksley konnte nicht anders, als zu grinsen. „Vielleicht fand Ihre Hoheit das Fest nicht annehmlich."
„Sie ist gegangen, weil du nicht hier warst. Wie oft muss ich es dir noch sagen, Robert? Sie ist eine Prinzessin. Die Schwester des Königs. Und sie zu heiraten ist nicht selbstverständlich."
„Richard würde das nicht gut heißen", murmelte er leise. Er wusste, dass der König seiner Schwester sehr nahestand. Das hatte sie zuvor vor einer frühen Eheschließung bewahrt.
„Löwenherz wird froh darüber sein. Oder hast du vor, sie schlecht zu behandeln?"
Locksley schüttelte unmerklich den Kopf.
„Siehst du? Der König schätzt dich, Robert. Weiß Gott, wieso. Er würde sich niemand Besseren für seine Schwester wünschen? Oder glaubst du, er wär einverstanden, dass John sie an den Nächstbietenden verheiratet?"
Erneut schüttelte Locksley den Kopf.
„Und jetzt lass und nicht weiter darüber reden. Komm jetzt, unsere Gäste warten."
„Warum müsst Ihr es mir so schwer machen?", murmelte Robert.
Der Earl erblasste, „Herrgott Robert. Du bist vor Jahren in den Krieg gezogen. Ich habe Jahre nichts von dir gehört und alle dachten, du wärst tot. Und nun bist du da. Du erzählst, dass du nur in Gefangenschaft warst und plötzlich freigelassen wurdest." Die Stimme des Earls wurde lauter. „Und ich soll derjenige sein, der es dir schwermacht?"
„Das meinte ich nicht, Vater."
„Natürlich nicht", erwiderte der Earl aufgebracht, „Und dennoch spielst du hier den unartigen Sohn. Komm jetzt! Deine fehlende Begeisterung für die schönen Dinge des Lebens hast du sicher von deiner Mutter!"
„Wagt es nicht, Mutter zu erwähnen!", rief Robert aufgebracht, „Ihr habt ..."
„Es reicht!", unterbrach der Earl ihn, ebenfalls wütend, „Ein Wort noch und ..." Er brach ab. „Entschuldige Robert", seufzte er. „Es ist zurzeit eine schlimme Lage, für uns alle. Komm jetzt! Genieße den Abend."
Robert schloss seine Augen. Nur für einen Moment. Und schon hatte er die Bilder vor sich.
Sand. Blut. Tote.
Der junge Mann richtete sich auf, und folgte dem Earl durch die Tür. Sein Vater verstand es nicht. Sein Vater würde es nie verstehen.
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„Bist du dir sicher, dass du jetzt dorthin willst, Robert?"
„Vater, vermutlich mag es Euch seltsam erscheinen, aber es ist wirklich wichtig."
„Allerdings", brummte der Earl, „Es erscheint mir durchaus seltsam. Aber ich bin es leid, mit dir zu diskutieren, Robert. Geh, von mir aus! Auch wenn es mir schleierhaft ist, wieso du so früh aufbrechen musst. Immerhin ist die Sonne noch nicht einmal aufgegangen. Hast du denn überhaupt geschlafen?"
„Ich habe einen langen Ritt vor mir", erklärte Locksley.
Der Earl seufzte. „Dann geh schon!", brummte er, „Aber halte dich vom Sherwood Forest fern!"
Robert sah seinen Vater fragend an. „Warum denn? Was ist im Sherwood Forest?"
„Allerlei Gesindel", erklärte der Earl, „Alte, Kranke, Ausgestoßene. Eine Räuberbande, aus Geächteten bestehend. Was weiß ich was, da alles herumschwirrt."
„Eine Räuberbande?" Locksley zog seine Augenbraue hoch. „Klingt ja sehr gefährlich. Vater, ich habe gegen Abertausende Muslime gekämpft, welche alle bis auf die Zähne bewaffnet waren. Da werde ich mich sicher von ein paar Geächteten umbringen lassen."
Der Gesichtsausdruck des Earls wurde auf einmal ernst. Eindringlich packte er Locksleys Arm. „Robert, mit den Geächteten ist nicht zu spaßen! Halte dich vom Wald fern, dann hast du meinen Segen! Hast du das verstanden?"
„Klar und deutlich!" Robert brachte ein ehrliches Lächeln zustande, bevor er die Zügel seines Pferdes fest umklammerte und hinausritt. Hinter ihm ging sein Vater leise fluchend zurück hinein.
Die kühle Morgensonne prickelte auf seiner Haut und Locksley fühlte sich sofort wohler als in sämtlichen Burgen, in denen er je gewesen war, einschließlich Huntingdon Castles.
Und nein, er konnte Huntingdon Castle wahrlich nicht als sein Zuhause bezeichnen. Locksley mochte den ganzen Prunk und Kitsch nicht wirklich. Er liebte die frische Luft, er liebte die Natur und vor allem liebte er den Wald. Von Sand, Wüsten und der Hitze hatte der junge Mann allerdings fürs Erste genug.
Robert schlug den Weg Richtung Nottingham ein. Genauer gesagt wollte er nach Galbury, einer Burg, die am Rande des gleichnamigen Dorfes stand, in unmittelbarer Nähe Nottinghams. Seit einigen Jahren war es im Besitz der Prinzessin.
Er fühlte sich dazu verpflichtet, sie erneut zu sehen. Vielleicht könnte er ihr diesmal alles erklären. Vielleicht könnte sie ihm dann verzeihen.
Als Robert klein war, hatte er gemeinsam mit seinen Eltern die damaligen Besitzer des Galbury-Castles besucht. Locksley wusste nicht mehr, wem genau der Besuch galt, aber er konnte sich noch an die Burg erinnern. Sie stand am Rande des Dorfes Galbury, allerdings in einer etwas erhöhten Position. Dicke Mauern umgaben sie, und Robert konnte sich noch an das Dach des Wohnblocks erinnern, welches damals mit Stroh gedeckt war. Galbury Castle war damals eine fast uneinnehmbare Festung gewesen, Locksley hatte gehört, wie sein Vater mit dem früheren Burgherrn darüber gesprochen hatte.
Nachdem Robert das Dorf passierte und endlich einen Blick auf die Burg werfen konnte, stellte er mit einem leichten Lächeln fest, dass sein Erinnerungsvermögen ihn nicht getrübt hatte. Die Burg sah immer noch so aus wie früher. Nur das Dach war inzwischen neugedeckt worden.
Erst als Locksley näherkam, bemerkte er die Bogenschützen auf den Burgmauern. Er ließ sich von diesen aber nicht weiter beirren, sondern ging weiter.
Als er schließlich ankam, klopfte Locksley ein paar Mal ans Tor, bis eine junge Frau diese öffnete.
Ihr blondes Haar hatte sie größtenteils mit einer weißen Haube bedeckt, dazu trug sie ein hellblaues Kleid, kombiniert mit zahlreichen Armbändern und einer wunderschönen Halskette. Sie musste zum Adel gehören, denn eine Angestellte konnte sich dies auf keinen Fall leisten.
„Mylady, entschuldigt die Störung, aber ich bin auf der Suche nach Prinzessin Marian. Sie wohnt doch hier, oder?" Locksley sah die junge Frau fragend an.
„Ja das tut sie", antwortete die vermeintliche Adelige, „Allerdings ist sie im Moment nicht hier. Sie ist am Markt, in Nottingham."
„Für wie lange?", hakte Locksley nach.
„Das geht Euch sicherlich nichts an!"
„Ihr habt Recht." Robert bemühte sich zu einem charmanten Lächeln. „Es geht mich wirklich nichts an. Schönen Tag noch."
Er wollte schon gehen, aber die Blonde hielt ihn zurück. „Wer seid Ihr überhaupt? Und was wollt Ihr von ihr?"
Locksley überlegte kurz. „Sagt ihr, dass sich ein alter Freund nach ihr erkundigt hat. Robin. Falls sie den Namen wissen will."
Dann wandte er sich ab und machte sich auf den Weg nach Nottingham.
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