E P I L O G U E
Zumindest war es das, was ich in diesem Moment dachte.
Als ich aufwache, werde ich von einem sterilen Raum empfangen. Noch etwas betäubt erkenne ich schnell, dass es der Innenraum eines Hovercrafts ist.
Was passiert hier?
Ich habe Katniss Pfeil in mir stecken sehen; das Blut, das von mir getropft ist.
Schnell fasse ich mir an die Stelle, an der ihr Pfeil mich durchdrungen hat und erkenne sofort einen blutverschmierten Verband, der um mich gebunden ist.
Ich versuche mich langsam aufzusetzen, immer noch völlig überfordert.
Ich dürfte nicht mehr leben.
Ich dürfte nicht hier sein.
Ich müsste tot sein und auf dem Weg in meine Heimat, in der meine trauernde Familie auf mich warten würde.
Mein Versuch mich aufzurichten verwerfe ich direkt wieder, als ich schon nach einer kurzen Bewegung wieder auf den harten Boden falle und mir wieder schwarz vor Augen wird und mein Bewusstsein verabschiedet sich.
Das nächste Mal das ich aufwache, ist nichts mehr von dem Hovercraft zu sehen. Stattdessen liege ich in einem Bett, bei näherem Betrachten der Umgebung, erkenne ich medizinische Ausstattung neben mir und vernehme nun auch das Piepsen eines Gerätes an das ich angeschlossen bin.
Es ist alles so surreal.
Träume ich vielleicht nur?
"Sie ist wach!" ruft die Stimme durch den Gang von der Person, die gerade durch eine durchsichtige Scheibe mir entgegen schaut.
Ich erkenne das Gesicht, doch nicht die Stimme. Das Gesicht sieht aus wie das von Kellie.
Dem Avoxmädchen aus unserem Apartment im Kapitol.
Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass alles nur ein Traum ist, da Kellie nie wieder in der Lage sein wird sprechen zu können.
Ich schließe die Augen erneut. Ich dachte immer, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, doch kann es sein, dass das Leben nach dem Tod ein einziger Traum ist?
Ich höre, wie mehrere Personen mir näher kommen. "Hörst du mich Gemma?" registriere ich die Stimme von Joe.
"Was ist das für ein schräger Traum", flüstere ich mir selbst zu, bevor mich ein Schmerz am Arm aufschrecken lässt.
"Das ist kein Traum, Gem", erklärt Joes Stimme mit ruhiger Stimme, während er mir in den Arm zwickt. Ich öffne die Augen und schaue ihn an. "Was?"
"Du bist nicht tot. Du bist in Distrikt 13."
Langsam komme ich zu Bewusstsein und versuche Ordnung in mein Chaos zu bringen. Allein der Gedanke, dass Distrikt 13 existiert, erscheint mir aus einer fremden Welt, weshalb ich nur nicke und warte, dass Joe weiterredet und ich endlich realisiere, was hier passiert.
"Das Getränk von uns, es war ein Mittel, dass deinen Körper in Extremsituationen quasi einfrieren lässt. Als Katniss den Pfeil durch dich geschossen hat, hat dein Körper abgeschaltet und dich so tot er scheinen lassen.
Wir haben dich raus geholt. Du wirst jetzt eine wichtige Rolle einnehmen. Der richtige Kampf steht uns noch bevor."
"Uns..", wiederhole ich und richte meinen Blick auf Kellie, die links neben meinem Bett steht. "Du kannst sprechen."
Bestätigend nickt sie, mit einem Grinsen im Gesicht. "Distrikt 13 hat einiges drauf", lacht Kellie. "Wenn du willst, kannst du schon aufstehen. Du liegst hier schon ganz schön lange."
Wortlos richte ich mich auf und ziehe die Geräte von mir ab.
Anfangs noch etwas wacklig auf den Beinen, laufe ich nach ein paar Schritten schon wieder fast normal. Joe und Kellie laufen neben mir, um mich zu stützen, wenn ich etwas unkoordiniert herum falle.
Sie führen mich durch die Gänge und schnell verlassen wir die medizinische Abteilung.
Die Räume, die jetzt links und rechts neben mir in meinen Blick fallen, wirken mehr wie kleine Wohneinheiten, mit einem Bett und Schreibtisch. Alles ohne Fenster.
Als wir an einem geschlossenen Raum ankommen, drückt Joe einen Knopf und die Tür öffnet sich. "Das ist dein Zimmer. Wenn du dich dazu in der Lage fühlst, kannst du duschen. Klamotten sind in dem Schrank. Leider gibt es nicht sehr viel Auswahl, außer die grauen, schicken Säcke, die wir auch tragen." Kellie zeigt auf eine weitere Tür im Raum.
Stumm nicke ich und laufe auf sie zu.
Als das warme Wasser an mir herunter läuft, habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich wieder bei mir bin. Doch leider kommt mit diesem Gefühl auch ein ganz anderes zurück.
Marvel fällt mir wieder ein. Wie konnte ich das bis jetzt ausblenden?
Ich spüre wie sich meine Tränen mit dem warmen Wasser vermischen und ich anfange zu schluchzen. Es ist einfach nur unfair. Hoffnungslos und unfair. Ich müsste bei ihm sein. Wie ich es ihm versprochen habe.
Zusammen gestorben, wie es sich für eine traurige Liebesgeschichte gehört.
Stattdessen bin ich hier und kann einfach so weiter leben.
Ich breche in mir selbst zusammen und es vergeht eine lange Zeit, bis ich endlich alle Tränen die ich geben konnte verheult habe und das Wasser sie nicht mehr wegspülen muss. Es dauert lange, bis aus meinem Mund kein Geräusch mehr kommt und ich es schaffe aufzustehen.
Ich richte mich wieder aus und trockne meine Haare, um noch etwas Zeit zu schinden, bis ich mein neues Zuhause wieder verlassen muss. Das Mädchen, dass mir aus dem Spiegel entgegen schaut, ist nicht mehr die Gemma, die vor ein paar Monaten Distrikt 1 verlassen hat. Stolz war mir damals übers Gesicht geschrieben und heute ist das Einzige, dass aus meinem Gesicht abzulesen ist, ein Mix aus Trauer, Wut und Kälte.
Doch etwas ist immer noch gleich. Ich darf mich nicht verlieren, auch wenn ich nach wie vor noch das Gefühl habe, dass die Trauer mich auffrisst.
Ich bin stark, denke ich. Nicht mehr so stolz darauf, Menschen getötet zu haben, wie ich es am Anfang der Spiele war, aber dafür umso stärker.
Ich verlasse das Badezimmer und schlüpfe in einen der Anzüge, die im Schrank hängen. Danach lasse ich auch mein Zimmer hinter mir und versuche meinen Weg durch die Gänge zu finden, bis ich in einer Art Cafeteria gelandet bin.
"Gemma Verwell?" Höre ich ein Mädchen in meinem Alter neben mir sagen. Ich nicke.
Ihre Stimme war relativ laut, weshalb ich nicht überrascht bin, dass sich weitere Leute nach mir umdrehen, während ich mit verheulten Augen durch die Cafeteria gehe, auf der Suche nach Joe.
Das Klirren von Besteck zieht allerdings zuerst meine Aufmerksamkeit auf sich.
Als ich der Person in die Augen schaue, die soeben vor Schreck das Besteck fallen gelassen hat, hält mein Atem kurz an und ich spüre, wie die Tränen ihren Weg über meine Wangen fortsetzen.
Wie von alleine, beginnen meine Beine mich nach vorne zu tragen, bis ich in den Armen lande, die ich dachte, nie wieder um mir spüren zu können.
"Marvel", heule ich und schaue in sein Gesicht. Ich streiche ihm darüber und durch die Haare um sicher zu gehen, dass ich ihn mir nicht nur einbilde, doch als ich seine Augen sehe, aus denen auch die Tränen kullern und trotzdem vor Freude strahlen, weiß ich, dass es keine Einbildung ist.
Auch Marvel schluchzt meinen Namen, bevor er sich zu mir lehnt und mich küsst.
Sofort danach falle ich ihm wieder um den Hals.
Wie konnte ich nur verdrängen, dass er auch von der Flüssigkeit getrunken hat, die mich gerettet hat?
Niemals hätte ich gedacht, das dieser Weg damit beginnt, dass ich Glimmer eins auswischen wollte und jetzt mit der Liebe meines Lebens in einem tot geglaubten Distrikt stehe, dass das Land in die Revolution führen kann. Nie hätte ich gedacht, dass ich ein Teil davon sein werde.
Als wir langsam etwas Abstand einnehmen, finde ich meine Sprache wieder.
"Dieses Mal dachte ich aber wirklich, dass du tot bist." Ich streiche mir die Tränen aus dem Gesicht.
Marvel drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Du wirst mich nie los werden, dafür liebe ich dich zu sehr."
"Ignis aurum probat."
[fire tests gold]
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