
12. Die Party
Lucy
Es war Freitag abends, als die jährliche Party der High-School bevorstand. Für mich war es das erste Mal. Und das erste Mal, dass ich alleine auf eine Party ging. Seit dem Abend an dem Henry mich geküsst hatte, wich er mir noch mehr aus, als er es vorher schon getan hatte. In der Schule versuchte ich seinen Blick auf mich zu ziehen, doch es gelang mir nicht.
Er setzte sich im Unterricht von mir fort.
Auf meine Anrufe und Nachrichten bekam ich wie keine Antworten oder nur ein 'ich kann nicht mit dir reden'.
Aufgeben kam mir nicht im Geringsten in den Sinn.
Meine Mom hatte mir früher, als ich noch klein war und es mir schlecht ging, etwas gesagt und ich hatte es nie verstanden. Heutzutage weiß ich nur zu gut, was sie mir damit hatte sagen wollen. Sie sagte: 'Liebe ist, wenn kämpfen immer noch leichter ist als aufgeben'. Diese Worte waren das absolut Einzige, was ich noch von ihr hatte. Ich war nie auf ihrer Beerdigung, geschweige denn an ihrem Grab. Sie fehlte mir so unglaublich sehr.
Für die Party zog ich mir ein schwarzes, etwas kürzeres Kleid an. Meine braune Haaren lockte ich mir und machte einen leichten Seitenscheitel. Das Kleid hatte Glitzer Partikel und an den Schultern dünne goldene Kettchen.
Ich mochte das Kleid. Es machte einem direkt solch gute Partystimmung. Meine grünen Augen schminkte ich mir etwas, damit sie besser zur Geltung kamen.
Schließlich fragte ich mich, warum ich überhaupt zur Party ging. Damit ich etwa die Gelegenheit bekam, mich mit Henry zu unterhalten?
***
Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und hinterließ eine goldene Spur am dunklen Himmel, während ich mit meinen hohen Schuhen zur Schule stöckelte. Dabei versuchte ich nicht umzuknicken. Dass laufen, besser gesagt, stolzieren, musste ich in solchen Schuhen definitiv noch üben.
Die Schultür wurde mir von einem erwachsenen Mann mit sehr muskulösen Armen aufgehalten. Bevor ich eintreten konnte, sagte ich noch meinen Namen, damit er sicher gehen konnte, dass ich hier auf die Schule ging. Der Mann nickte anschließend und ich trat hindurch. Von dort aus ging es weiter in die Sporthalle. In der oben an der Decke riesige Diskokugeln hingen, die bunte Flecken auf die Tanzfläche reflektierten.
Hinten in der Mitte der Halle, war der Typ, wo die Musik bediente. Rechts stand eine kleine Bar mit Drinks. Links standen ein paar sitz Möglichkeiten und ein Tisch. Da ich etwas spät kam, war eine längere Schlange vor der Getränkeausgabe, und auf den Sofas saßen ungefähr sechs Personen.
Ich erkannte ein Mädchen das rote, lange, lockige Haare hatte und sowas wie die Anführerin der Gruppe sein musste. Auf dem Tisch lag eine Flasche, die sie abwechselnd drehten und sich irgendwelche Aufgaben stellten. Sie spielten Flaschendrehen.
Das Mädchen hatte ein elegantes passend rotes Kleid an. Bei ihr waren noch drei Jungs und zwei weitere hübsche Mädchen, die alle verteilt auf den Sofas verteilt.
Ich bestellte mir einen Saft und trank etwas davon, während ich Ausschau nach Henry hielt. Die Zeit verfolg und ich wartete ... und wartete, aber er tauchte einfach nicht auf. Mein Saft war inzwischen leer und ich beschloss etwas zu tanzen. Durch die Lautsprecher trällerten Lieder die perfekt zum Tanzen waren, nicht zum Pärchen tanz, Nein zum richtigen Tanzen. Ich sang den Text etwas mit:
Tell me pretty little lies
I'll be yours and you'll be mineCameras flashing in my eyesShe wants to waste my timeI'm gonna break her fucking spineWanna dance until we dieSing along like lalalaI'm gonna c*m all in her Eyes
Ich tanzte und kassierte starrende Blicke, doch die waren mir herzlich egal. Mein Herz blieb stehen, als ich sah, wer unter den Leuten stand, die mich ansahen.
Es war Henry und er grinste, sein Grinsen verschwand jedoch, als hätte er sich an etwas erinnert. Mich durchzuckte Eiseskälte und wie als wäre ich eingefroren, hörte ich auf zu Tanzen. Henry drehte sich um und setzte sich neben das rothaarige Mädchen aufs Sofa. Ich lief ihm nach und setzte mich auf einen freien Platz, der allerdings nicht neben Henry war.
«Spielst du mit?», fragte die Rothaarige mit einem amüsierenden Unterton. Ich warf einen Blick zu Henry und versicherte mir, dass er ebenfalls mitspielte.
«Warum nicht», antwortete ich.
«Prima», grinste das Mädchen und drehte die Flasche. Sie drehte sich ein paarmal um sich die eigene Achse, wurde langsamer und zeigte schlussendlich auf Henry, der missmutig auf die Flasche starrte.
«Also Henry, du musst-», das Mädchen lässt ihren Blick über so gut wie jeden, der auf dem Sofa saß, schweifen und blieb ausgerechnet bei mir hängen. Sie grinste mich etwas breiter an und sprach weiter.
«Wie heißt du?», fragte sie an mich gewandt.
«Lucy.»
«Henry, du musst zusammen mit Lucy für mindestens zehn Minuten in die Abstellkammer und ihr dürft machen, was ihr wollt. Aber ihr dürft erst wieder raus, wenn die Zeit um ist. Sonst gibt es eine Strafe.» Es pfiffen ein paar Leute vor Begeisterung und andere riefen Kommentare wie: uhh oder 'los gehts'. Henry starrte mich an, und mein Herz beginn schlagartig zu rasen.
«Ich denke-»
«Bringen wir's hinter uns», unterbrach ich Henry, der widersprechen wollte und lief voraus.
«Die kleine steht total auf dich», hörte ich jemanden an Henry gewandt sagen, ausmachen, wer es war, konnte ich nicht, und sich jetzt umzudrehen, wäre ziemlich peinlich, weil ich mich dann angesprochen gefühlt hätte. Ich lief etwas langsamer, um sicherzugehen, dass Henry mir folgte.
«Du musst das nicht tun», hörte ich Henrys Worte, die mir so nah vorkamen. Und das waren sie auch. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, das Henry neben mir herlief.
Ich öffnete die Tür zur Abstellkammer, wartete bis Henry sie von innen wieder schloss und wollte reden, damit man nicht hörte, wie schrecklich laut mein Herz in meiner Brust hämmerte. Wir schwiegen eine Weile, und als sich unsere Blicke trafen, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Es musste raus. Ich wollte es wissen. Jetzt.
«Was habe ich bei dem Kuss falsch gemacht?» Ich sah wie Henry heftig schluckte, tief einatmete und sich seine Worte zurechtlegte. Oder hätte ich lieber seine Lügen sagen sollen?
Er senkte seinen Blick und wirkte niedergeschlagen. «Der Kuss war ein Fehler. Ich hätte dir keine Hoffnungen machen dürfen. Entschuldige.»
«Sieh mir in die Augen und sag das nochmal. Ich glaube dir kein Wort.» Ich blinzelte und wartete darauf, dass er seinen Kopf hob. Er tat es nicht. Er schaute einfach an mir vorbei. Als würde dort jemand stehen, der ihn mehr faszinierte. Waren die zehn Minuten vorbei?
«Ich will dich doch einfach nur beschützen», sagte er schließlich. «Meine Welt und mein Leben sind gefährlich. Du solltest dich von mir fernhalten. Wir dürfen nicht zusammen sein.» Ich wandte enttäuscht meinen Blick an und unterdrückt mir blinzelnd meine Tränen, die vergeblich versuchten aus ihrem Gefängnis auszubrechen.
«Warum hast du mich dann geküsst? Bist du so armselig, dass du nicht zu deinen Gefühlen stehen kannst, hm?», fragte ich widerwärtig.
«Ich wollte mich nicht verlieben, okay?», meinte er und machte einen Schritt auf mich zu. «Aber als du in diesem Moment gelächelt hast, da hat es mich einfach umgehauen.» Henry sah mir endlich in die Augen. Er wirkte erleichtert, dass er es endlich gesagt hatte. Aber alles, was ich mir jetzt wünschte, war, dass er mich küsste. Er sollte mich so küssen, als würde jede Sekunde die Welt untergehen.
«Kämpfe um alles in deinem Leben. Aber kämpfe nie gegen deine Gefühle, denn den Kampf wirst du verlieren.» Ich wusste immerhin, wovon ich sprach. Und inständig hoffte ich, er würde sich meine Worte zu Herzen nehmen, denn er wirkte, als brachten sie ihn zum Nachdenken. Das Problem an Gefühlen ist nämlich, dass sie wie Glas sind. Wenn sie zerbrochen werden, schneiden sie einem in die Seele. Und während dieser Unterhaltung hörte ich förmlich wie mein Herz anfing zu reißen.
»Mag sein.» Zischend sah ich von ihm weg und schüttelte nachgiebig den Kopf. »Alles, was ich je wollte, war dich zu beschützen. Und der Kuss war verdammt nochmal ein Fehler. Wenn ich könnte-» Henry wirkte verzweifelt und doch so entschlossen.
«Könnte was?» Es konnte nicht noch schlimmer werden, als es eh schon war. Noch mehr Schmerz konnte er mir nicht zufügen.
«Es rückgängig machen», sagte er mit so fester Stimme, dass ich anfing an allem zu zweifeln, was ich je gelernt hatte. Als wäre für ihn alles nur ein Spiel gewesen. Ich hatte mich geirrt, er konnte mir noch mehr Schmerz bescheren.
Es klopfte an der Tür und die schrille Stimme von dem rothaarigen Mädchen erklang.
«Die Zeit ist um ihr süßen. Die Aufgabe ist erledigt», lachte sie und die Tür sprang auf. Ich warf Henry noch einen Blick zu, der so viel sagte wie: Du-wirst-mich-nicht-wieder-sehen-du-Arschloch, und stöckelte hinaus. Beim vorbeigehen warf ich dem Mädchen - dessen Namen ich nicht kannte - einen hasserfüllten Blick zu. Sie wirkte verwirrt ließ sich aber nicht davon abbringen, Henry anzuschmachten, dem es noch zu gefallen schien. Keine Frage, sie war ja auch wirklich hübsch. Nichts im Gegensatz zu mir, die ein rundliches Gesicht und Standard Locken hatte.
Mir lief eine Träne die Wange hinab, welche ich schnell wegwischte. Aber wie als hätte ich mit dieser einen Damm gebrochen, kamen unzählige hinterhergeschossen. Ich konnte sie nicht aufhalten.
Und dann fragte mich, wie voll ein Fass meiner Tränen wäre, die ich bisher in meinem Leben vergossen hatte. Es wäre wohl am überlaufen. Oder ich hätte bereits das nächste Fass.
Meine Füße trugen mich zu Charlotte, meiner einzigen Freundin und die einzige, mit der ich über die Party hätte reden können. Zum einen, da sie selbst nicht dort war.
Mit meinem Dad wäre das nicht möglich. Meine Mom war eher diejenige, die dafür zuständig war. Doch sie war fort.
Charlotte hatte Mitleid mit mir, nachdem ich ihr alles gesagt hatte, und versprach mit Henry zu reden. Sie tat das, was eine echte Freundin ausmachte. Sie hörte mir zu und gab einen Rat. Ich hoffte so sehr, dass sich Henrys Meinung ändern würde. Doch Hoffnung bedeutete ewig währendes Leid. Und heute Nacht hatte ich genug Leid erfahren, was Liebe betraf. Ich konnte verstehen, dass es Menschen gab, die sich geschworen hatten, nie wieder welche zu empfinden. Und andere, die sie einfach nur hassten.
Aber vor was wolle er mich eigentlich beschützen? Was verheimlichte er mir?
Noch in dieser Nacht schwor ich mir, herauszufinden, was sein Geheimnis war ...
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