"𝑬𝒓 𝒊𝒔𝒕 𝒅𝒊𝒆 𝑳𝒊𝒆𝒃𝒆 𝒎𝒆𝒊𝒏𝒆𝒔 𝑳𝒆𝒃𝒆𝒏𝒔!"
Mit einem zufriedenen Seufzen stieg ich aus der Dusche, hinein in eine warme, dichte Wolke aus Dampf. Nach zwanzig Minuten heißem Wasser auf meiner Haut gehörte ich endlich wieder unter die Lebenden. Manchmal wirkte eine heiße Dusche eben doch mehr Wunder als der beste Stärkungstrank.
Das Training war die reinste Farce gewesen. Das Wetter hatte sich rapide verschlechtert, starke Schneewehen hatten uns ins Gesicht gepeitscht und es war beinahe unmöglich gewesen, den Stiel seines eigenen Besens zu erkennen. Folglich war die Motivation der Spieler schnell wieder am Boden gewesen - ebenso wie unsere Besen.
Schon nach der Hälfte der angesetzten Trainingszeit musste ich das Ganze abbrechen. Nachdem Brodie, unser Treiber, mit vollem Tempo gegen eine der Torstangen geflogen war, blieb mir keine andere Wahl.
Der Ärmste hatte sich glücklicherweise keine allzu schweren Verletzungen zugezogen, jedenfalls hatte mir Poppy versichert, er wäre nach einer Nacht im Krankenflügel wieder wie neu. Also war ich erleichtert, jedoch bis auf die Knochen durchgefroren und mit der Laune eines Flubberwurms, der gleich sein Ende in einem stinkenden Zaubertrank finden würde, zum Gemeinschaftsraum geeilt.
Mit wesentlich erhellter Miene betrat ich nun den Schlafsaal und zog mir meinen gemütlichsten dunkelroten Strickpullover über. Während ich mit den verknoteten Ärmeln meines Pullis kämpfte, sah Sirius von einem Stück Pergament auf, von dem ich vermutete, dass es den Plan für seine neuste Streichidee beinhaltete.
„Auch wieder unter den Lebenden?", witzelte er und warf mir einen Lakritz-Schnapper zu. Reflexartig fing ich ihn auf, nur um es Sekunden später zu bereuen, denn das miese Ding verbiss sich augenblicklich störrisch in meinem Finger. Leise fluchend schüttelte ich meine Hand, in der Hoffnung das Zwicken zu vertreiben. Doch das verdammte Ding erwies mehr Durchhaltevermögen als die meisten meiner Mannschaftskameraden.
„Hab dir doch gleich gesagt, dass es zu kalt fürs Training ist", feixte Sirius und warf sich selbst einen Schnapper in den Mund.
„Wohl eher zu stürmisch", grummelte ich vor mich hin und warf mich erschöpft auf mein Bett. Es tat wirklich gut, die schmerzenden Glieder von sich zu strecken und wieder ein Gefühl in den Fingerspitzen zu bekommen – zu spüren, wie das Leben erneut zu mir zurückkehrte.
„Ich sag's dir immer wieder, Krone, hätten Menschen Fell, wären wir die überlegene Spezies." Ich zog belustigt eine Augenbraue hoch.
„Wir sind die überlegende Spezies, Tatze", warf Remus trocken ein, ohne auch nur von seinem Buch aufzublicken.
„Nun, ob ich Tatze als überlegende Spezies bezeichnen würde, weiß ich nicht", gab ich grinsend zu bedenken und kassierte dafür ein Kissen ins Gesicht.
„Ach, halt doch die Klappe, Krone! Jetzt denk doch mal nach, mit Fell würden wir der Kälte viel besser trotzen und könnten alles erreichen. Ich sag ja nur, als Hund fühle ich mich um einiges mächtiger dort draußen!" Peter gluckste leise vor sich hin. Manchmal musste ich mich stoppen, nicht zu sehr über Sirius Gedankengänge nachzugrübeln, andernfalls würde ich mich in dem Gewirr seiner Logik verirren und nie wieder hinausfinden.
„Manchmal denke ich wirklich, sie sollten uns hier mehr als nur Magie beibringen. Hast du schon mal etwas von Evolution gehört?", murmelte Remus kritisierend, jedoch noch immer mit der Nase in seinem Buch vertieft.
Sirius verschränkte selbstbewusst die Hände hinter seinem Kopf und machte es sich an der Kopflehne des Bettes bequem. Seine Augen funkelten spitzbübisch, als er Remus musterte. „Oh ja, was meinst du, wie ich meine Haare so voluminös bekomme? Ohne Lotion geht da gar nichts." Keck schüttelte er seine dichten schwarzen Locken, wie um sein Statement zu untermauern.
Woraufhin Remus schlussendlich doch ergeben sein Buch über Verwandlung zuschlug und verzweifelt den Kopf schüttelte. „Was soll ich da noch zu sagen, Sirius?"
Ich brach in schallendes Gelächter aus und wälzte mich amüsiert auf meiner Decke, um das Stechen in meiner Seite zu kompensieren. Auch Peter gluckste erheitert, wobei sich sein Gesicht einige Nuancen dunkler färbte. Doch Sirius bedachte uns nur mit einem selbstzufriedenen Grinsen auf den Lippen und ließ sich kein Bisschen von uns beirren, während er Remus herausfordernd ansah, stets bereit für ein hitziges Wortgefecht. Er war wirklich unverbesserlich.
Eine halbe Stunde später saßen wir für eine Runde Knallpoker in einer der gemütlichen Sitzecken im Gemeinschaftsraum. Die dunklen Wolken verdeckten den Schein des Mondes und der eisige Wind rüttelte gnadenlos an den rustikalen Turmfenstern. Unsere einzige Lichtquelle war das warm prasselnde Feuer im Kamin, welches eine angenehm kribbelnde Hitze auf meiner Haut hinterließ.
Die Spielkarten flogen uns mit einem lauten Knall um die Ohren und brachten mir den Sieg für diese Runde. Triumphierend feixte ich und nahm seinen Einsatz an mich - eine halb volle Flasche Feuerwhisky. Da mir mein Spirituosenvorrat nach unserer letzten spontanen Party ausgegangen war, kam mir dieser Gewinn wie gerufen.
Peter lehnte sich stöhnend gegen den Sessel und rieb sich ernüchtert mit der Hand den Nacken. „Können wir nicht einmal etwas spielen, worin ich auch gut bin?", quengelte er mit eingeschnappt verschränkten Armen vor der Brust.
„Und was wäre das, bitte?", stichelte Tatze. Er saß tief in den Sesselkissen vergraben und hatte die Beine entspannt auf den Tisch abgelegt. Die Muggelzeitschrift, die er gedankenverloren durchblätterte, hing absturzbereit auf der Sessellehne. Wurmschwanz Antwort blieb ihm beim Anblick von Sirius hochgezogener Augenbraue im Hals stecken, sodass er eingeschüchtert vor sich hin stotterte.
Ich sammelte die restlichen Karten ein und warf Sirius anklagend mit ein paar Bertie Botts Bohnen ab. „Sei nicht so höhnisch, Tatze! Du bist gleich der Nächste, den ich in Grund und Boden spiele!"
Peter sah mich dankbar an und versuchte seinen geschundenen Stolz wieder etwas herzurichten. „Dann zeig mir doch mal, wie man dieses Spiel gewinnt", forderte er Sirius heraus und sah mit neugierigen Augen dabei zu, wie wir zu einer neuen Partie ansetzten.
„Pah, mit Vergnügen! Ich zeig euch, wie man so was mit Stil gewinnt!", feixte er selbstbewusst und lehnte sich etwas in seinem Sessel vor.
Peters Mundwinkel zuckten spitzbübisch und er neigte sich ebenfalls etwas nach vorne. „Fünf Galionen, dass Krone dich fertigmacht", setzte Peter, wobei sein Selbstvertrauen wohl eher von seinem Glauben an mich herrührte, als seiner wenig ausgeprägten Neigung zu wetten.
Sirius sah den Gewinn schon in seiner Tasche und schlug ohne zu zögern in Peters ausgestreckte Hand ein. „Deal! Das ist leichtverdientes Geld."
Wir waren mitten im Spiel – Tatze ließ soeben eine Reihe Karten explodieren – als mich eine bekannte Stimme herumfahren ließ.
„James!"
Überrascht sah ich, wie Lily mit federleichten Sprüngen die Treppe ihres Schlafsaals herunter hüpfte. Sie glich einer kleinen Elfe mit ihren fröhlich funkelnden Augen und der Leichtigkeit ihrer Schritte.
„Lily!" Marlene McKinnon stürmte mit hochgebundenen nassen Haaren und ihrem rosa Pyjama ebenfalls die Treppe hinunter. Jedoch glich ihre Eleganz eher der eines schwerfälligen Trolls, der einem kleinen Reh nachjagte. Sie stolperte ungeschickt hinter Lily her und schien wegen irgendetwas sehr besorgt zu sein. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als könne sie die Situation so besser erfassen und verstehen. „Lily! Jetzt warte doch! Ich halte das wirklich für keine gute Idee!"
Sirius, dessen Aufmerksamkeit bis eben noch gänzlich dem Spiel gegolten hatte, wandte sich bei dem Klang von Marlenes Stimme neugierig zu ihr. „Hey McKinnon, plant ihr ne Pyjamaparty bei euch? Bitte sag mir, dass ich eingeladen bin? Komm schon, Bitte, Bitte? Ich werd auch ganz artig sein!", rief Sirius der aufgehetzten Marlene entgegen und seine Augenbrauen wackelten anzüglich. Marlene bedachte ihn mit einem wütend blitzenden Blick, der ihm unmissverständlich sagte, dass dies eindeutig der falsche Zeitpunkt für seine Späße war.
„Nicht jetzt, Black! Lily, jetzt bleib gefälligst stehen!" Doch Lily schien gar nicht daran zu denken anzuhalten. Mit einem breiten Grinsen hüpfte sie zu uns herüber und tat etwas was mein Herz für einen Moment zum still stehen brachte.
Mit einer fließenden Bewegung setzte sie sich auf meinen Schoß und legte mir ihre kleinen Hände um den Hals. Meine Atmung setzte wieder ein und so war ich nicht weniger gefangen von dem Duft ihres Parfums, als auch von ihrem Körper, der mich fest ins Sofakissen drückte. „Lily?", rutschte es mir verblüfft heraus. Das meine Stimme dabei einige Oktaven zu hoch sprang, ignorierte ich gekonnt.
Ich spürte ihre zierlichen Finger über den Stoff meines Pullis streichen, bis sie abermals in meinem Nacken landeten und sie anfing zärtlich mit meinen Haaren zu spielen. Unfähig irgendwie angemessen auf diese bizarre Situation zu reagieren, starrte ich einfach nur in ihre strahlenden Augen und versuchte mein Herz nicht aus meiner Brust hopsen zu lassen. Doch ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. All meine Sinne waren auf dieses umwerfende Mädchen gerichtet, welches aus einem mir unerfindlichen Grund auf mir saß. Ein Mädchen, welches normalerweise die Augen verdrehte, sobald sich unsere Blicke begegneten und mich dennoch nun in diesem Grün gefangen hielt. Und gerade als ich dachte, die kleine Traumblase, die mich in eine so wundervolle Fantasie entführt hatte, würde platzen, tat sie etwas, was meine gesamte Welt auf den Kopf stellte.
Sie küsste mich.
Lily. Evans. küsste. mich!
Bei Merlin! Ganz deutlich spürte ich ihre weichen Lippen auf den meinen. Sie übte auffordernd etwas Druck aus, um den Kuss zu vertiefen und mir eine Reaktion zu entlocken, doch ich war wie in Trance. Erst als sie begann, vorsichtig an meiner Unterlippe zu knabbern, gab ich nach. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so vollkommen gefühlt, so ganz, als hätte ein Stück meiner Seele gerade zu mir gefunden. Ein Teil von mir, der mir bis jetzt fremd gewesen war. Ich gab mich dem Gefühl völliger Zufriedenheit hin.
Ein Schaudern durchlief meinen Körper, als ihre Hände langsam unter mein Shirt wanderten, um meinen oberen Rücken zu erforschen. Als sie den Kuss noch weiter vertiefte, legte sich eine wohlige Gänsehaut auf meine Haut. Ihre Nähe war so betörend. So allumfassend. So wunderbar.
Ein tiefes Knurren entfloh meiner Kehle und ließ sie leise auf kichern. Meine Hände lagen an ihrer Hüfte und drückten sie an mich. Fast angsterfüllt, dass sie mir wieder entgleiten könnte.
Schließlich lösten wir uns voneinander und schnappten gierig nach Sauerstoff. Die Luft um mich herum drehte sich surrend. Lily lächelte mich zufrieden und breit strahlend an. Auch auf meinem Gesicht lag ein überglückliches Schmunzeln, welches jedoch abrupt erfror, als mein Blick auf die geschockten Gesichter meiner Freunde und Marlene fiel.
Verflucht, was war hier gerade passiert?!
Marlene schien mit sich selbst zu hadern, ob sie Lily gewähren lassen oder sie von mir wegzerren sollte, um ihr eine aufrüttelnde Ohrfeige zu verpassen. Remus sah aus, als hätte er soeben das achte Weltwunder miterlebt und Sirius hatte ein ungläubiges, aber dennoch breites Grinsen auf dem Gesicht. „Kann mir einer erklären, was hier gerade passiert ist?", fragte Peter mit kleinlauter Stimme und erhielt nur stumme Kopfschüttler von den anderen.
„Evans, Evans. Ich bin schwer begeistert. So was hätte ich dir gar nicht zugetraut", feixte Sirius, woraufhin Marlene ihm kräftig in die Seite boxte. Empört sah er sie an, bevor er Lily und mich erneut fasziniert musterte.
„Lily?! Wir sollten wirklich wieder in den Schlafsaal gehen und das hier bereden - unter vier Augen!", piepste Marlene und zog fast ängstlich an Lilys Strickjacke.
Diese sah eingeschnappt zu ihrer Freundin hinüber und legte ihre Hände erneut bestimmt auf meine Schulter.
„Aber er ist die Liebe meines Lebens, Marls! Verstehst du das denn nicht?!" Mir stockte der Atem. Entweder erlaubte sich Lily gerade einen böswilligen Scherz mit mir oder irgendetwas anderes war hier gewaltig faul. Jedenfalls würde meine Lily niemals vor versammelter Mannschaft verkünden, ich - James Potter, der Albtraum ihres Alltags - wäre die Liebe ihres Lebens. So sehr ich mir diese Tatsache auch wünschte, irgendetwas stimmte hier nicht.
Und ich bangte, dass die Antwort meine Hoffnungen bis in alle Ewigkeit in einen Scherbenhaufen zerschlagen würde.
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