•𝐂 𝐇 𝐀 𝐏 𝐓 𝐄 𝐑 𝟑𝟐•
Es ist mein Herzschlag, den ich als erstes wahrnehme. Danach ist es die Wärme, die durch meinen Körper strömt. Ich nehme einen tiefen Atemzug und vernehme den Duft nach Sommer wahr. Ruhe und Frieden ist das einzige, das ich verspüre. Ich öffne meine Augen und schnappe nach Luft. Ich drehe mich im Kreis, als ich meinen Blick umherschweife.
Ich bin an einem mir völlig unbekannten Ort. Der Himmel ist strahlend blau, während die Sonne scheint. Vereinzelt ziehen kleine weiße Wolkenschleier über den Himmel. Es ist seltsam. Wir haben doch Winter? Und ich schaue mich weiter um, nehme meine Umgebung genauer wahr. Ich stehe auf einer grünen Wiese, umrandet von hohen Bäumen, deren Blätter leicht im sanften Wind wiegen. Ich fahre mir durch die Haare und bleibe stockend in der Bewegung stehen. Wo sind meine Wunden? Wo sind die blauen Flecken?
Meine Haut strahlt, als wäre sie neugeboren. Ich sinke meinen Arm und schaue an mir herunter. Meine Füße sind nackt und ich merke, wie weich das Gras unter ihnen ist. Dazu trage ich ein weißes Gewand. Es ähnelt einer weißen Toga mit fließenden Stoff und einem goldenen Gürtel. Ich liebe das Kleid auf Anhieb. Erneut hebe ich meinen Blick und erstarre wieder. Dieses Mal, als ich eine Person erkenne, die auf mich zukommt.
Sie ist wunderschön. Wahrlich ein Engel. Ihre goldenen Haare fallen ihr fließend über die Schultern, während sich ihre zierliche Gestalt graziös über das Gras bewegt. Sie trägt ein ähnliches Kleid wie ich, bloß mit goldenen Stickereien am Bund und an der Taille. Hinter ihr weht ein weißer Schleier, der an ihren Schultern befestigt ist. Auf ihrem Kopf ist ein goldener Lorbeerkranz. Ich kann meinen Blick nicht von ihr nehmen.
»Das können viele nicht meine Liebe.« sagt sie zu mir und ihre Stimme klingt wie eine angenehme Sommerbrise. »Sie sind hier alle gleich, wenn sie ankommen.«
Der Engel oder was auch immer sie sein mag, bleibt vor mir stehen und lächelt mich warm an. Ich öffne meinen Mund, möchte etwas sagen. Aber es hat mir die Sprache verschlagen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
»Du musst auch nichts sagen, Samantha. Ich weiß schon genau, was du wissen willst.« sie hebt ihre Arme und zeigt um sich herum. »Aber jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt um dir diese Fragen zu beantworten.«
Ein Fragezeichen bildet sich in meinem Kopf. Ich will verstehen und doch tue ich es nicht. Sie redet mir in Rätseln. In verdammten Rätseln.
»Wer bist du?« Frage ich, unsicher, ob ich wenigstens darauf eine Antwort erhalten werde. Die Frau vor mir lacht ein Glöckchen gleiches Lachen. Ich erschaudere in einer guten Weise. Sie legt eine Hand auf meine Wange und streicht mit ihrem Daumen über meine Haut.
»Samantha, du weißt genau, wer ich bin. Tief hier in deinem Herzen kennst du bereits die Antwort.« Sie legt ihre andere Hand auf meine brust. Genau dort, wo mein Herz kräftig schlägt. Ich schaue in ihr Gesicht, verliere mich in ihren wunderschönen blauen Augen. »Auch wenn du es noch nicht zu wissen scheinen magst. Dein Verstand weiß es.«
Ich nicke. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was sie damit meint. Doch weiß mein Verstand Bescheid, selbst wenn diese Antwort noch vor mir verschlossen ist.
»Werde ich sicher sein?« Frage ich leise und lege meinen Kopf in ihre Handfläche. Sie nickt und beugt sich zu mir hin. Ihre weichen Lippen streifen mein Ohr.
»Du bist immer schon sicher gewesen, liebe Samantha.« sagt sie zu mir und küsst daraufhin meine andere Wange. »Doch nun ist es Zeit für dich zu gehen. Denk an meine Worte. Ich werde dich immer beschützen.«
Mit diesen Worten löst sich der blonde Engel von mir. Ich sehe sie an und schreie auf, als sie mich hart nach hinten schubst. Erneut falle ich in die unendliche Dunkelheit und Panik erfasst meinen Körper. Ich zapple und versuche irgendwie die Dunkelheit zu vertreiben.
Ich falle und falle, bis erneut ein grelles Licht meine Sicht einnimmt. Ich richte mich auf und beginne zu husten. Unruhe bricht um mich herum aus und ich kralle mich in die weiße Decke, die über meinem Körper liegt. Alles tut auf einmal weh und meine Kehle fühlt sich an, als hätte ich seit Wochen nichts mehr getrunken. Mir wird schlecht und ich beginne zu würgen. Irgendjemand nimmt mir meine Haare aus dem Gesicht, ein anderer hält mir eine Schale vor die Nase. Ich würge und breche meine Magensäure in die Schale.
»Alles wird gut. Lass alles raus, Sam. So ist es gut.« nehme ich Polly's Stimme wahr. Ich ergreife die Schale und halte sie mir selbst. Polly beginnt, mir über den Rücken zu streicheln, versucht mich damit zu beruhigen. Ich breche alles aus meinem Magen heraus, bis nichts mehr in diesem vorhanden ist.
Erschöpft schließe ich meine Augen und schiebe die Schale auf meine Knie. Tief atme ich durch und versuche zu verarbeiten, was passiert ist. Was ich erlebt habe.
»Geht es wieder?« höre ich Polly vorsichtig fragen. Ich öffne meine Augen und nicke ihr zu. Sprechen kann ich ohnehin nicht. Ich würde mich anhören wie eine verflixte Krähe. »Das ist gut.« fügt Polly noch hinzu. Ich sehe auf und schaue meine beste Freundin an. Sie hat dunkle Augenringe und ihr rotes Haar hat an Glanz verloren. Es braucht nicht viel Verstand und zu realisieren, dass sie in der letzten Zeit nicht viel auf sich geachtet hat.
»Geht... geht es dir gut?« bringe ich krächzend heraus und beginne nach diesen Worten direkt zu husten. Polly dreht sich schnell um und reicht mir anschließend ein Glas Wasser. Dankend nehme ich dieses entgehen und trinke einen großen Schluck.
»Mach langsam. Du bist doch erst gerade aufgewacht.« sagt Polly und räuspert sich. »Aber nein. Nein, mir geht es nicht gut. Du hast uns allen einen großen Schrecken eingejagt.« gesteht sie.
Ich drehe mich zu der Rothaarigen hin, während diese meine Schale mit dem Erbrochenen an sich nimmt.
»Wie bitte?« verwirrt sehe ich meine beste Freundin an und fasse das Glas mit beiden Händen, als hätte ich Angst, es fallen zu lassen.
»Was ich damit sagen will, ist, dass draußen eine Menge Leute warten, die froh sind, dass du wach bist. Okay?« weicht Polly meiner Frage aus. »Ich sollte auch mal zu ihnen raus gehen. Deine Eltern möchten dich sicher sehen.«
Ohne ein weiteres Wort verlässt Polly das Zimmer. Ich erhasche einen kurzen Blick auf den Flur, bevor draußen ein leiser Stimmen-Tumult ausbricht, nachdem Polly die Tür schließt. Erneut packt mich die Ruhe. Aber dieses Mal ist es mehr eine innerliche Unruhe, die mich befällt. Nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, das ich hatte, als ich sie getroffen habe. Ich wende meinen Blick von der Tür ab und sehe erneut auf den Durchsichten Inhalt im Glas. Das Wasser wackelt leicht durch meine zitternden Hände.
Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, was hier eigentlich los ist, wird die Tür wieder geöffnet. Gerade so kann ich mein Glas festhalten, da fallen meine Eltern über mich her und nehmen mich fest in die Arme. Meine Mom beginnt an meiner rechten Seite, bitterlich in mein Ohr zu schluchzen, während mein Dad auf der linken mir einen Kuss auf den Kopf drückt.
»Oh Sam.« schluchzt meine Mutter und drückt mich fester, fast so, als hätte sie Angst, dass ich verschwinde, wenn sie mich loslässt. »Mach sowas nie wieder. Nie wieder, hörst du?«
Ich nicke schwach, unfähig irgendwelche Worte zu finden die sie beruhigen könnten. Mein Vater ist der Erste, der sich löst und mich ansieht. Er streichelt mir über den Kopf. Erleichterung ist in seinen Augen zu erkennen.
»Jetzt drück sie doch nicht so fest Sylvie. Unsere kleine bekommt sicher kaum noch Luft durch deine Umarmung.« Dad legt eine Hand auf Moms Schulter, die sich zögerlich von mir löst und sich anschließend über das Gesicht wischt. Doch kommen bereits weitere Tränen aus Ihren Augen nach.
»Tut mir leid. Nur...«
»Ich weiß Schatz. Ich weiß.« Dad sieht von mir zu meiner Mutter und drückt leicht ihre Schulter. »Wir sind einfach nur erleichtert, dass du wieder wach bist, Krümmel. Die letzten Tage... sie waren für alle hart.«
Mir bleibt die Luft bei seinen Worten weg und wenn ich nicht schon vorher weiß war, dann bin ich es nun sicher.
»Was meinst du? Wie Tage? Was hat das zu bedeuten?« Frage ich verwirrt nach. Kein Wunder. Seitdem ich aufgewacht bin, hat mir nicht einmal Polly erklärt, was los ist. Ein Grummeln beginnt in meinem Magen und mir wird erneut schlecht. Eine Befürchtung macht sich in mir breit und ich hoffe einfach, dass ich falsch liege.
»Polly hat dir nichts gesagt?« fragt meine Mom nach, sichtlich überfordert mit allem.
»Was gesagt? Hört auf, in Rätseln zu sprechen. Was ist los?«
Meine Eltern sehen sich an. Ich merke, dass sie eine Stimme Konversation darüber führen, was sie nun machen sollen. Ich beginne an meiner Decke zu fummeln, um irgendwie das ungute Gefühl in meinem Inneren loszuwerden.
»Du lagst im Komma. Du warst quasi Tod. Es ist ein Wunder, dass du überhaupt aufgewacht bist.« höre ich aus der Richtung der Tür, Chandler sagen. Ich drehe meinen Kopf zu ihm hin und erschrecke bei seinem Anblick. Wenn ich schon dachte, dass Polly grausam aussieht, dann ist er gerade aus der Hölle entstiegen. Augenringe so dunkel wie die Nacht zeichnen sich unter seiner blassen Haut ab. Kleinere Kratzer ziehen sich durch sein Gesicht und seine Haare stehen zu allem Richtungen ab, als hätte er die ganze Zeit durch diese gefasst.
Mein Blick geht wieder zu meinen Eltern und ich sehe, dass meine Mom wieder in Tränen ausgebrochen ist. Mein Dad nickt leicht bei den Worten meines Mates. Ich schaue zurück zu Chandler, der nun unsicher seine Hände in seine Hosentaschen vergraben hat. Kurz frage ich mich, seit wann er schon da steht. Letztendlich ist es mir auch egal.
Zögerlich kommt Chandler auf mich zu und bleibt kurz vor meinem Bett stehen. Ich merke, dass er unsicher ist, was er nun machen soll. So übernehme ich kurzerhand das Ruder und klopfe leicht auf die Matratze als Zeichen, dass er sich setzen soll. Chandler zögert und beginnt mit sich zu hadern. Ich seufzte.
»Ich werde dich schon noch umbringen, nur weil du dich an meine Seite setzt.« sage ich zu dem Brünetten und räuspere mich anschließend. Meine Kehle ist immer noch trocken, auch nachdem ich bereits Wasser getrunken habe. Aus dem Augenwinkel merke ich, wie mein Vater etwas zu meiner Mutter sagt, ehe die beiden leise aus dem Zimmer gehen. Nur das leise Weinen meiner Mutter begleitet sie hinaus. Danach ist es still im Raum. Selbst die Monitore, an denen ich angeschlossen bin, geben keinen Ton von sich.
»Wie geht es dir?« fragt Chandler leise und zieht seine Hände aus der Hosentasche, ehe er diese auf seinen Schoß legt.
»Wie würdest du dich fühlen, wenn man dir sagt, dass du fast gestorben bist?« Frage ich zurück. Chandler lacht leise auf und schüttelt seinen Kopf.
»Natürlich. Entschuldigung, mein Fehler.« ich verdrehe meine Augen und kann es nicht verhindern, ebenfalls zu schmunzeln. Es ist irgendwie süß, Chandler so verlegen zu sehen. Es zeigt, dass er nicht ganz das Arschloch ist, was ich gedacht habe, dass er ist.
»Schon okay. Fehler passieren.« erwidere ich und wir beide verfallen erneut in ein Schweigen. Mein Blick landet auf meinen Händen und ich bemerke, dass meine rechte Hand bandagiert ist. Verdammt sollte Lucien sein.
»Ich. Ich wollte sagen, dass ich beeindruckt war, nein ich bin beeindruckt von dir. Du warst fantastisch da draußen. Nach all dem, was passiert ist. Sam, danke dir.« ich hebe meinen Blick und nicke nur. Was soll ich dazu sagen? Ich habe für mein Rudel gekämpft. Wie es eben die Aufgabe einer Luna ist. Wie es meine Aufgabe ist.
»Und bitte, bitte glaub mir, dass wir nach dir gesucht haben. Aber es gab keine Spur. Lucien hat wirklich großartige Arbeit geleistet, dich verschwinden zu lassen. Ich habe mir irgendwann Sorgen gemacht. Bis...« Chandler spricht nicht mehr weiter und wendet seinen Blick ab. Instinktiv greife ich nach seiner Hand und drücke diese leicht.
»Bis Lucien mich in eure Arme gejagt hat.« beende ich seinen Satz. Chandler nickt.
»Ich habe niemals gezweifelt, dass du nicht kämpfst. Du bist schon immer ein Kämpfer gewesen. Und naja, dann kam der Tag, an dem einer der Soldaten zu mir gekommen ist. Lucien hat uns eine Nachricht geschickt. Deine Freilassung gegen unser Territorium. Wenn wir das nicht machen, tötet er dich. Da wussten wir wo wir dich finden werden. Wir haben einen Plan geschmiedet, um dich zu retten. Aber anscheinend waren wir Lucien zu langsam. Er hat uns weiterhin gedroht und hat erzählt, was er dir antut. Wenn ich daran denke, dass dieser Mistkerl dich hatte.« Chandler schüttelt den Kopf. »Es war quasi Zufall, dass wir am selben Tag, als du an der Grenze warst, da waren. Den Rest kennst du ja bereits.«
Chandler atmet tief durch und sieht mich wieder an. Seine Hand weiterhin sicher in der meinen. Ich sehe den Schmerz in seinen Augen, der ihn begleitet hat. Die Angst, dass ich sterben hätte können und den Hass gegenüber sich selbst. Er macht sich Vorwürfe darüber, was er gemacht hat. Was passiert ist. Das er nicht mehr gemacht hat, dass er mich nicht früher gerettet hat.
»Ich glaube dir.« flüstere ich leise und beginne mit meinem Daumen über seinen Handrücken zu streichen. »Ich hatte die Hoffnung verloren. Aber... hier ist mein Zuhause. Mein Rudel, meine Familie und meine Freunde. Wie hätte ich das alles aufgeben sollen, ohne zu kämpfen? Und als ich dich gesehen habe. Du hast mir Kraft geschenkt weiter zu machen.«
Ich lächle schwach, als Zeichen, dass ich immer noch stark bin. Dass ich da bin und der Schmerz ein Ende hat. Ich lebe.
»Das freut mich zu hören. Wirklich.« Chandler lächelt mich ebenfalls an. Doch die Emotionen bleiben in seinen Augen. Ich räuspere mich.
»Ist er eigentlich...?«
»Um Lucien musst du dir keine Sorgen mehr machen.« sagt Chandler. Ich nicke. Immerhin muss sich darum kein Kopf mehr gemacht werden. Chandler zieht seine Hand aus meiner und steht schließlich auf. »Ich sollte gehen. Du solltest dich noch etwas ausruhen und die ganzen Sachen verarbeiten.«
Er beginnt in Richtung Tür zu gehen, doch halte ich auf. Ich schlage meine Decke zurück und stelle meine Füße auf den Boden, bevor ich mich versuche aufzurichten. Ohne großen Erfolg. Sofort bricht mein Kreislauf zusammen und mir wird schwarz vor Augen. Doch bevor ich auf dem Boden lande, fängt mich Chandler auf. Als sich meine Sicht klärt, sehe ich zu ihm hoch. Meine Arme haben sich um seinen Hals geschlungen. Seine Hände liegen auf meiner Hüfte. Wir sehen uns an, verfallen dem jeweils anderen.
Ohne Worte beugt sich Chandler herunter und legt seine Lippen auf meine. Er küsst mich, als gäbe es keinen Morgen mehr. Ich spüre all seine Emotionen, die über mich herfallen wie eine Welle. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und meine Atmung geht stockender. Unbewusst merke ich, dass ich diesen Mann in meinen Armen nicht mehr hasse. Auch wenn ich es immer sage, aber es stimmt nicht. Da ist etwas anderes in mir, etwas, das viel stärker ist als dieser Hass.
Chandler ist es, der den Kuss zwischen uns wieder unterbricht. Sanft stellt er mich wieder auf die Füße und setzt mich erneut auf das Bett ab. Er stellt sicher, dass ich ihn nicht noch einmal umkippe, bevor ich mich wieder hinlege.
»Ruh dich aus, Sam. Morgen reden wir über alles andere.« er drückt mir erneut einen Kuss auf die Lippen, bevor er wieder zur Tür geht. An der Klinke verharrt er und dreht sich um. »Nur damit du es weißt. Ich liebe dich. Und das schon viel länger, als wir Mates sind.«
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