
031
Diesmal sehr wichtig und daher erwähne ich es extra nochmal: BITTE lest die Anmerkung in dem Kommentar dieses Absatzes, BEVOR Ihr mit dem Kapitel beginnt. Danke ♡
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Leise seufzend rutsche ich an der Tür der Toilettenkabine zu Boden und ziehe mir den Hoodie bis über die Nase. Mit geschlossenen Augen sauge ich seinen Duft in mich auf und bin froh, dass dieser wie immer dafür sorgt, dass es meinem Herzen ein bisschen besser geht.
Seit knapp 4 Wochen sind Harry und ich nun... ja, ich würde es 'ein Paar' nennen. Und ich habe tatsächlich keine Worte dafür, wie unfassbar glücklich er mich in jeder einzelnen Sekunde davon gemacht hat. Ich habe wirklich das Gefühl, er fühlt sich von Tag zu Tag sicherer und wohler, nimmt sogar mittlerweile von sich aus meine Hand oder umarmt mich, wenn Liam oder Niall dabei sind. Das mag vielleicht von außen betrachtet lächerlich klingen, aber ich weiß, wie schwer es für ihn ist, sich zu öffnen, den Kopf abzuschalten und einfach zu tun, wonach ihm ist. Er ist so festgefahren in diesem Gefühl, nicht gut genug zu sein, nicht dazuzugehören und lebt mit der ständigen Angst, abgewiesen zu werden, dass er sich regelrecht dazu zwingen muss, nicht immer mit dem Schlimmsten zu rechnen, wenn ihn jemand anspricht oder bloß ansieht.
Und an diesem Gefühl ist nicht seine Krankheit schuld, sondern die Menschen, die ihm das bisherige Leben zur Hölle gemacht haben.
Ersteres ist allerdings der Grund dafür, dass ich gerade hier sitze. Ich merke genau, dass es ihm seit ein paar Tagen mental wieder deutlich schlechter geht, aber er spielt es herunter. Anstatt wie letztes Mal meine Hilfe anzunehmen, beteuert er, dass es ihm gar nicht so schlecht geht, besteht darauf in die Vorlesungen zu gehen und zusätzlich noch ein Projekt zu machen. Aber wenn er abends neben mir liegt, sehe ich, was eigentlich in ihm vorgeht. Obwohl ich normalerweise nicht mal Zeit habe, mich richtig hinzulegen, bis er sich an mich kuschelt, muss ich ihn die letzten Tage gefühlt erst darauf aufmerksam machen, dass ich überhaupt da bin. Er ist in ruhigen Momenten so geistesabwesend und still, scheint nicht mal in meinen Armen komplett abschalten zu können.
Und ich muss zugeben, das macht mich wirklich verdammt fertig. Ich kann und will ihm dafür nicht mal einen Vorwurf machen, denn ich fürchte, er kann nichts dafür. Er stößt mich vermutlich nicht bewusst weg.
Aber selbst mit mir kuscheln zu 'müssen', ist zu viel. Zu anstrengend. Zu schwer.
Auch wenn es mir persönlich wehtut, von ihm auf einmal so kalt behandelt zu werden, sind es nicht meine Gefühle, die mir Sorgen bereiten. Denn viel schlimmer ist für mich, dass mir dieser eine Satz, den er so beiläufig gesagt hat, nicht mehr aus dem Kopf geht.
'Ich habe keine Ruhe, wenn ich alleine bin.'
Ich will ihn nicht alleine lassen. Ich habe ihm versprochen, dass ich immer da bin und ihn niemals fallen lassen werde. Aber gerade habe ich Angst davor, dass er sich alleine fühlt, wenn ich nicht auf ihn aufpasse. Anderseits habe ich das Gefühl, er fühlt sich oft unwohl, wenn ich die ganze Zeit ein Auge auf ihn werfe. Und dieser Zwiespalt sorgt dafür, dass ich kaum noch schlafe.
Die letzten Nächte habe ich fast komplett wachgelegen, zeitgleich auf ihn aufgepasst und nach einer Lösung gesucht. Ich hasse es, wie sehr mich das Ganze mitnimmt, denn ich habe das Gefühl, ich müsste stattdessen für ihn stark sein. Aber das kann ich nicht. Jetzt schon nicht mehr. Ihn so niedergeschlagen zu sehen tut mir so weh, ich will einfach nur, dass es aufhört. Aber das tut es nicht. Stattdessen wird es gefühlt von Tag zu Tag schlimmer und ich weiß nicht mehr, wohin mit dem Chaos in meinem Kopf.
Erneut seufze ich leise, als ich mir ein Kaugummi in den Mund schiebe. Der Geschmack nach kaltem Rauch ist mittlerweile so eklig für mich, aber mir war gerade einfach danach. Ich hatte das Rauchen eigentlich komplett aufgegeben, weil ich weiß, wie scheiße Harry es findet. Er hat sich anfangs immer beschwert, wenn ich nach Rauch geschmeckt habe und weil ich nicht wollte, dass er die Freude daran verliert, mich zu küssen, fiel es mir umso leichter, damit aufzuhören. Leider hatte ich trotzdem noch eine Schachtel in meinem Unirucksack, die mir gerade zum Verhängnis geworden ist. Ich habe das Drecksding zwar nach nicht mal der Hälfte weggeschmissen, als ich gemerkt habe, wie schwachsinnig die Idee eigentlich war, aber trotzdem nervt es mich gerade extrem, dass ich überhaupt schwach geworden bin.
Harry wird es riechen und in seiner momentanen Verfassung ist das Letzte, dass ich will, dass er sich wegen dem Gestank unwohl fühlt. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass es ihn enttäuscht oder noch schlimmer, er sich sogar die Schuld dafür geben könnte, dass ich wieder zu diesem Gift gegriffen habe.
Ich spüre, wie mir Alles zu viel wird und ich kann die Tränen nicht zurück halten. Mehr als hoffen, das niemand herein kommt, bleibt mir nicht.
Nach ein paar Minuten schaffe ich es, mich wieder zu beruhigen, sodass ich mir die Tränen aus den Augen wische und mit etwas kaltem Wasser durchs Gesicht gehe, um wieder einen klareren Kopf zu bekommen. Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich mich wieder in die Vorlesung traue.
Wie der Zufall es will kommt mir natürlich die einzige Person entgegen, die ich eigentlich in jeder freien Minute sehen will, außer jetzt. "L-Louis?" Harrys Stimme ist zittrig, aber er versucht, sich das nicht anmerken zu lassen. "Drückst du dich etwa vor deiner Vorlesung?" Er piekst mir zwischen die - mittlerweile fast komplett abgeheilten - Rippen. "Ich musste nur kurz pinkeln..." krächze ich und räuspere mich dann leise.
Verdammt, meine Stimme leidet immer so, wenn ich weine.
Er rümpft die Nase und sieht mich dann etwas skeptisch an. "Hast du geraucht?" Eine Zehntelsekunde überlege ich, ihn anzulügen, entscheide mich dann aber zumindest für die halbe Wahrheit. "Ich hab vorhin einmal bei Stan gezogen, um... ich weiß selbst nicht genau warum, vermutlich um zu gucken, ob es mir noch was gibt, aber ich finde es mittlerweile einfach nur noch ekelhaft." Ich lasse beschämt den Kopf hängen. "Tut mir leid..." Er schüttelt den Kopf. "Das muss dir doch nicht leid tun! Ich verbiete dir das doch nicht." Er schenkt mir ein zaghaftes Lächeln.
Kein echtes.
"Ich weiß aber, dass du das nicht magst und ich hasse mich selbst dafür, dass ich überhaupt dachte, das wäre eine gute Idee..." Da der Gang komplett leer ist, zieht er mich kurz am Arm etwas näher. "Mach dir keinen Kopf, ich bin dir nicht böse."
Weil ich zum ersten Mal seit ein paar Tagen das Gefühl habe, ihm wieder nah zu sein, kann ich nicht anders, als genau das zu sagen, was mir durch den Kopf geht. "Wie geht es dir denn, Love?" Sofort wird sein Blick etwas distanzierter und er fragt unsicher "Warum fragst du?" Leise seufze ich und streichle ihm über die Wange. "Darf ich meinen Freund etwa nicht mehr fragen, wie es ihm geht?" Er lächelt verkrampft und schüttelt den Kopf. "Tschuldigung... Es ist- Mir geht's gut, alles super." versichert er mir, streichelt mir dann zaghaft über den Oberarm und verabschiedet sich mit der Begründung, dass man im Theater auf ihn warten würde.
Schnaubend lasse ich den Kopf hängen und hoffe einfach, dass ihm niemand außer mir anmerkt, wie sehr er momentan kämpft. Was würde ich tun, um dem Ganzen ein Ende zu setzen und meinen kleinen süßen Harry zurück zu haben, der niedlich kichert, wenn ich ihn mit Küsschen übersähe.
Den Rest des Tages kann ich mich genauso wenig konzentrieren, wie zuvor. Auch wenn ich weiß, dass dort meine Stimmung vermutlich nicht wirklich besser wird, laufe ich mit einem erlösenden Gefühl in der Brust zurück nach Hause. Ich weiß, dass Harry bereits seit 2 Stunden aus hat und vermutlich wie jeden Tag schon bei mir ist. Obwohl er natürlich noch sein Wohnheimzimmer mit Niall teilt, ist er, seit wir zusammen sind, fast nur noch bei mir. Dadurch, dass wir die Pärchenmomente auf die Zeit beschränken, in der wir zu zweit sind, ist es so am einfachsten, denn wir wollen jede freie Minute miteinander verbringen.
Eigentlich.
Denn Harry ist nicht da. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass er auch keine Nachricht hinterlassen hat. Also versuche ich stattdessen, ihn zu erreichen. Ohne Erfolg. Sein Handy ist zwar eingeschaltet, denn es tutet, wenn ich versuche ihn anzurufen, aber er reagiert nicht darauf. Auch die Nachrichten komme an, werden aber nicht gelesen. Ich will ihn nicht überfordern, aber ich mache mir solche Sorgen. Er hat mir letztens erzählt, wie schwer ihm manchmal allein das simple Beantworten einer Nachricht fällt. Und das ist okay für mich, denn ich will ihn nicht unter Druck setzen. Aber in seiner aktuellen Verfassung macht es mich absolut wahnsinnig, ihn nicht erreichen zu können. Vor allem, weil er nicht dort ist, wo ich ihn vermute.
Und ich weiß nicht, wo er stattdessen ist.
Ich versuche wirklich, mich zu beruhigen, über Stunden. Aber es wird natürlich von Stunde zu Stunde, in der ich nichts von ihm höre, schlimmer.
Bei Niall tutet es drei Mal, bis er abnimmt. "Hey, Tommo, alles gut?" begrüßt er mich freudig. "Hey, ich-... ich weiß nicht genau, weißt du wo Harry ist?" Er scheint nicht auf seinem Zimmer zu sein, denn ich höre den Lärm des Wohnheim-Gemeinschaftsraumes im Hintergrund. "Ist er nicht bei Euch?" Ich seufze leise. "Niall, wenn er das wäre, würde ich nicht fragen, oder?" Er lacht kurz auf. "Gutes Argument." Ich raufe mir die Haare und laufe im Zimmer auf und ab. "Er hat also nichts gesagt, dass er was vorhat oder so?" frage ich dann. "Ne, ich hab ihn gestern Abend das letzte Mal gesehen, als er sich Klamotten geholt hat, bevor er zu dir ist." Ich nicke nachdenklich, drehe mich dann Richtung meines Kleiderschranks, vor der seine Tasche steht. Oder stehen sollte.
Denn dort ist keine Tasche.
"Bist du auf dem Weg nach oben?" frage ich und versuche mir einzureden, dass es eine ganz plausible Erklärung für das Verschwinden seiner Tasche gibt. "Ich gehe grade die letzte Treppe hoch, ja." Ich höre ihn schnaufen. "Vielleicht ist er ja einfach zuhause..." murmle ich. "Mach dich nicht so verrückt, nur weil er mal 20 Minuten nicht erreichbar ist. Vielleicht ist sein Akku leer?" versucht der Ire mich zu beruhigen. Erfolglos. "Sein Handy ist an, aber er reagiert einfach nicht. Und das seit mehreren Stunden übrigens." Er schmunzelt. "Klammerst du vielleicht etwas zu sehr, Herzilein?" Ich seufze leise. "Nein, tue ich nicht."
Wenn er wüsste, warum ich mir so einen Kopf mache...
"Er ist nicht hier." sagt er dann, offenbar selbst etwas ernüchtert. "Ist seine Tasche da?" Ich höre die Tür ins Schloss fallen. "Welche Tasche?" Ich schließe die Augen und versuche mich zu beruhigen. "Seine Tasche halt. Die er immer mithat, wenn er zu mir kommt." Sie ist schwarz und sieht nun mal aus, wie eine kleine Reisetasche, ich weiß nicht, wie ich sie sonst beschreiben soll. "Nö, ist die nicht bei dir?" Ich würde ihn am liebsten durch den Telefonhörer ziehen, wenn ich könnte. "Dann würde ich nicht fragen, Niall James Horan." widerhole ich meine Worte. "Tschuldigung..." murmelt er. "Darf ich kurz vorbei kommen?" frage ich dann. "Klar. Aber meinst du wirklich, er kommt eher hier hin, als zu dir?" Er klingt über diesen vermeintlichen Gedankengang mehr als irritiert. "Nein, das nicht... Aber ich-..."
Ich weiß selbst nicht, was ich da will. Irgendwie verspreche ich mir davon, eventuell einen Hinweis zu finden, wo er rumspringt. "Wie auch immer, du darfst mich gerne besuchen kommen." lacht er, woraufhin wir kurz darauf auflegen.
Die letzten Stufen zum 5. Stock nehme ich mit einem großen Schritt und falle fast wortwörtliches mit der Tür ins Zimmer, in dem Niall mich erschrocken anblickt. "Dir auch einen guten Tag." sagt er trocken. "Hey." entgegne ich, habe allerdings kaum Augen für ihn. "Was machst du da?" fragt er mit hochgezogener Augenbraue, als ich die Wand hinter dem Bett meines Freundes scanne. "Ich suche." murmle ich. "Wonach?" will er wissen. "Keine Ahnung, wenn ich das wüsste, müsste ich nicht suchen." Statt die Wand anzustarren, beginne ich jetzt, jedes einzelne Teil auf seinem Nachtschränkchen anzuheben und auch die zugehörige Schublade zu leeren.
Er steht auf, packt mich am Arm und dreht mich zu sich. "Was zur Hölle ist los mit dir?!" Er sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. "Du bist kreidebleich und hast kalten Schweiß auf der Stirn, du wirkst nahezu panisch und-... verdammt Louis, du zitterst!" Er greift nach meiner Hand und sein Blick wird plötzlich ganz besorgt.
"Was ist denn los? Er ist erwachsen Louis, er wird es schon überleben, wenn er ein paar Stunden alleine ist, okay?" Meine Lippe beginnt zu zittern, als ich die Worte 'überleben' und 'alleine' in einem Satz höre.
Denn ich weiß nicht, ob er es überlebt, wenn er alleine ist. Ich weiß es wirklich nicht.
"Hey..." Er entscheidet sich, nicht nachzufragen, als mir die Tränen kommen, sondern nimmt mich stattdessen direkt in den Arm. "Er hat doch auch viel um die Ohren mit den vielen Vorlesungen und den Prüfungen, vielleicht braucht er einfach mal einen Moment alleine, damit er zur Ruhe kommt? Ich glaube nicht, dass das mit dir persönlich zu tun hat." versucht er mich zu beruhigen, macht es damit aber stattdessen unbewusst nur noch schlimmer. "E-Er hat k-keine Ruhe, wenn er a-alleine ist, Niall..." schluchze ich und versuche dabei sein T-Shirt nicht allzu sehr zu benetzen. "Wie meinst du das?" Er schiebt mich ein Stück weg, um mich ansehen zu können. "Meinst du, weil er dann an Grace denkt und traurig wird?" Ich schüttle den Kopf und ziehe die Nase hoch.
"N-Nein, er-" Ich seufze leise und lasse mich aufs Bett fallen. Bevor ich überlegen kann, was ich sagen kann und was nicht, lenkt mich etwas ab, das meine Sitzposition unbequem macht. Ich rutsche etwas zur Seite und hebe das Kissen an, um zu sehen, worauf ich mich gesetzt habe. Ich friere in meiner Bewegung ein, als ich es erblicke.
Sein Buch.
Er ist verschwunden und hat es hier gelassen? Warum sollte er das tun? Das ergibt keinen Sinn, es sei denn er hat nicht vor, wiederzukomm-
Ohne eine Sekunde zu zögern löse ich das Lederband darum und klappe es auf. "Was machst du da?!" fragt Niall entrüstet. "Ich weiß, du bist sein Freund, aber ich finde es trotzdem nicht okay, dass du einfach-" Ich unterbreche ihn. "Er hat mir erlaubt, hineinzugucken, Niall." sage ich schnell. Er sieht mich kritisch an, dreht sich dann um und geht mit den Worten "Ich hol dir mal was für die Tränen..." ins Bad, da er sich offensichtlich nicht wohl dabei fühlt, was ich hier tue. Was ich im Normalfall auch wirklich verstehen kann, denn obwohl ich mit ihm zusammen bin und oft genug die Möglichkeit gehabt hätte, nochmal in seine 'Gedanken' zu schauen, während er geschlafen hat, habe ich das nicht getan. Auch wenn er mir damals erlaubt hat, es zu lesen, heißt das nicht, dass ich das immer darf. Aber jetzt gerade habe ich so ein ungutes Gefühl, dass ich es trotzdem tue.
Direkt fällt mir auf, dass das Polaroid von Grace fehlt. Ob er es wohl mitgenommen hat? Schnell blättere ich bis zum heutigen Tag und finde bloß 2 Einträge.
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21th August, 10:53am
Maybe we should just try to tell ourselfs a good lie
i didn't mean to make you cry
21th August, 03:11pm
put a price on emotion
i'm looking for something to buy
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Er hat also doch gesehen, dass ich geweint habe. Verdammt. Bevor ich allerdings länger darüber nachdenken kann sehe ich etwas, das mich erneut schluchzen lässt.
Ich hatte gehofft, es nie wieder sehen zu müssen, dieses kleine, beschissene, schwarze, gebrochene Drecksherz-
"L-Louis? Komm mal b-bitte." Nialls Stimme ist so ängstlich, dass ich direkt hochschrecke. Ich lege das Buch zur Seite und folge ihm auf wackeligen Beinen ins Badezimmer. Mit fragendem Blick sehe ich ihn an, woraufhin er mir die Rolle Toilettenpapier vors Gesicht hält, die er mir als Taschentuchersatz geben wollte. "S-Sag mir bitte, d-dass das kein B-Blut ist." Anstatt zu antworten, lasse ich den Kopf sinken.
Super, dann habe ich wohl endlich meinen Beweis, dass meine Vermutung bezüglich des Symbols in seinem Buch stimmt...
"Louis, was ist hier los?!" Nun scheint auch bei ihm die Panik angekommen zu sein. "Ist das sein Blut?" Ich nicke zaghaft. "Ich fürchte ja..." schluchze ich und lasse mich an der Wand hinter mir zu Boden gleiten. "A-Aber wovon? A-Also, so viel, das kommt d-doch nicht von... Nasenbluten oder so, ich-" Mein Blick wandert neben mich, unter die Toilette, wo ebenfalls rote Flecken zu sehen sind. Daneben eine Spur, die darauf hinweist, dass jemand etwas weggewischt hat. Vermutlich hat er das Blut hierunter in der Hektik nicht gesehen.
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und suche in meinen herumrasenden Gedanken nach irgendetwas, einen Anhaltspunkt oder irgendeine Erinnerung, wo er sein könnte. Wo würde er hingehen, wenn er nicht gefunden werden will? Hat er so einen Ort? Einen 'Safespace'?
Eigentlich dachte ich ja, ich wäre zu seinem Safespace geworden...
"LOUIS!" Ich schrecke zusammen, als Nialls Stimme mich plötzlich aus meinen Gedanken holt. "Sag mir bitte, dass du nichts davon wusstest!" Er steht vor dem offenen Mülleimer mit einer kleinen Klinge zwischen den Fingern und starrt mich schockiert an. Anstatt zu antworten, kommen mir wieder die Tränen. "Du wusstest davon und hast nichts gemacht?!" Sein Blick nimmt fast wütende Züge an. "Was hätte ich den machen sollen?!" wimmere ich und raufe mir die Haare. "Keine Ahnung, ihm die Klingen wegnehmen, ihm sagen dass es bessere Lösungen gibt, ihn zu einer Therapie zwingen, was weiß ich!" Mit geballten Fäusten lässt er sich gegen die Wand gegenüber fallen um wie ich daran hinab zu rutschen. Auch er hat nun Tränen in den Augen.
"Denkst du, ich hab einfach tatenlos zugesehen? Aber das ist nicht so einfach wie du dir das vorstellst, okay? Es ist nahezu unmöglich, ihn überhaupt darauf anzusprechen, er fühlt sich schon extrem unwohl, wenn ich nur durch Zufall seine Narben sehe. Und ich kann ihn zu nichts zwingen, zu einer Therapie muss er sich selbst entscheiden, sonst bringt das nichts." Leise seufzt der Mitbewohner meines Freundes auf. "A-Aber... warum macht er denn sowas überhaupt?" Plötzlich sieht er erschrocken auf. "W-Warte, hat er damals, als du so durch den Wind warst-... Liam meinte, du warst voller Blut, hast du ihn dabei-...?" Wieder beginnt meine Unterlippe zu zittern und ich ziehe die Beine ran, umarme sie, um mir selbst etwas Halt zu geben, während ich bei der Erinnerung an diesen Abend erneut in Tränen ausbreche.
Gottseidank weiß Niall nicht, dass das noch einen anderen Grund hat, als dass ich die Selbstverletzung mitbekommen habe. Und das soll auch so bleiben.
"Ich wohne seit fast 2 Jahren mit ihm zusammen, ich habe das Gefühl ich kenne ihn überhaupt nicht..." murmelt er vor sich hin, doch bevor ich darauf reagieren kann, vibriert das Handy in meiner Hosentasche.
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Harry ♡, 09:47pm
Ich kann das nicht mehr, es tut mir leid.
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Mir wird heiß und kalt gleichzeitig. Wie meint er das, er kann das nicht mehr? Was ist dieses 'das'? Es würde mir das Herz zerreißen, wenn er von unserer Beziehung spricht.
Aber was, wenn er etwas anderes beenden will?
Was, wenn er es wieder versucht?
Diesmal bin ich nicht da, um es zu verhindern.
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3226 Words
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