20. Ende des ersten Tages
Ich atmete laut aus und rutschte mit dem Rücken an der Wand hinunter. Mein Vater hatte es zwar nicht gesagt, aber ich wette, dass ich trotzdem noch auf Finn achten soll und nachdem sich mein Herz wieder beruhigt hatte, tat ich das dann auch. Ich ging wieder in den Eventraum, der dank Finns Arbeit, wieder richtig gut aussah. Ich setzte mich wieder hin und hörte wie mein Vater mit seinem Auto weg fuhr. Anscheinend merkte das nicht nur ich. „Wieso hast du das getan?", sagte er deutlich angepisst. „Wieso nicht?", hatte ich meine nicht unhöfliche Maske aufgesetzt. „Weil ich hätte gefeuert werden können." „Ach", meinte ich ablässig, „wurdest du aber nicht. Ich kenn doch meinen Vater." „Ja du hast leicht reden." „Für wen hältst du mich denn. So schnell wirst du mich nicht los." „Was ein Glück." Er verdrehte die Augen. „Jaa." „Ja." „Geht doch. War das denn so schwer." Er gab keine Antwort und fuhr mit seiner Arbeit fort.
„Hat dir mein Vater gesagt wann du gehen darfst?" Erst überlegte er, bevor er mit zusammengepressten Lippen sagte: „Du sollst das entscheiden." Das kam mir sehr gelegen, aber dazu muss ich sagen, dass ich gar nicht will, dass er noch total lange hier ist. Desto trotz setzte ich ein gehässiges Lächeln auf, auch wenn ich nicht vorhatte ihn noch Leiden zu lassen. Er ließ den Kopf hängen. „Keine Sorge, lange musst du nicht mehr." Er hob eine Augenbraue. „Glaubst du etwa das man mir nicht trauen kannst?" Ich musste selbst lächeln bei dem Satz. „Jaaa." „Danke", meinte ich belustigt. Das meiste was ich sagte klang ziemlich böse oder unfair und ich gab zu es war nicht wirklich nett, doch inständig hoffte ich, dass das Arbeitsverhältnis morgen deutlich besser werden würde, denn wenn man mit Kunden arbeitet muss man deutlich professioneller Wirken. Sagen wir es so, ich wollte ihn mal testen, um meine böse Ader zu verteidigen. Vor Kunden bin ich eh netter. Nagut, dass sind die Leute die mir mein Taschengeld liefern. Ich wäre sehr dämlich mir das zu verspielen, vor allem für meinen Vater.
„Mal ne ganz blöde Frage?" „Mhh?" Er schaute nicht auf. „Wieso hast du hier angefangen zu arbeiten und sag jetzt nicht weil wir hier so Stadt nah sind." „Weil dein Vater der einzige war, der mich eingestellt hat." Ich schluckte schwer, mit so einer Antwort hatte ich nicht gerechnet. Ich gab keine Antwort. Ich war Baff. Ich war vielleicht nicht sein größter Fan, weil er ein Player war, aber dass er nirgendswo angestellt wurde konnte ich mir kaum vorstellen. Ich mein wenn man sein Bewerbungsgespräch bei einer Frau hat und dann auch nur ein so ein Spruch kommt, wie er meinem Vater gesagt hat, dann konnte ich das ja verstehen aber überhaupt keiner. Nagut es konnte auch sein, dass er sich bei nicht allzu vielen beworben hat. Ich starrte nur Löcher in die Luft, bis Finn wild vor meinem Gesicht mit seiner Hand herum wedelte. „Emelia! Emelia?!" „Ja." Ploppte ich aus meinen Gedanken heraus. „Wo soll ich das dreckige Wasser hinschütten?" Ich schaute mich um, denn bevor er einfach aufhörte, wollte ich schauen ob er auch wirklich fertig ist. Ich schaute unter die Tische und die Fenster an, aber es sah alles gut aus. Ich drehte mich zu ihm um und sagte: „Einfach in das Waschbecken in der Küche." Schnell wies ich in Richtung Küche. Er griff nach dem Eimer und trug den Eimer aus dem Zimmer. Ich stand auch auf, wollte aber eigentlich bloß in das Arbeitszimmer meines Vaters um den Ladenschlüssel zu holen. Da hörte ich einen dumpfen Knall aus der Küche. Ich rannte in Panik zur Küche und sah schon wie unter der Tür das Wasser durchlief. Der Eimer musste kaputt gegangen sein. Ich öffnete die Tür und sofort kam mir ein Schwall Wasser entgegen. Ich schaute ihn an und er hielt wie ein Kind, den kaputten Eimer in der Hand. „Gib mir sofort Handtücher aus dem Schrank." Er nickte hastig, stand aber immer noch wie angewurzelt da. „Finn! Jetzt!", befahl ich ihm, mehr als nur etwas Machthaberisch. Er zuckte zusammen, doch tat endlich das was ich ihm sagte. Sofort warf er mir ein Handtuch zu.
Es dauerte circa 20 Minuten bis alles aufgewischt war und gerade als ich wieder aufstehen wollte bekam ich einen schmerzhaft schlag auf den Arsch. Ich stand schlagartig auf und sah wie Finn hinter mir sich eins ins Fäustchen lachte. „Hey." Auch ich drehte mein Handtuch ein und schlug nach ihm. Ich verfehlte ihn nur knapp. Sofort setzte ich zu einem neuen Schlag an. Diesmal traf ich ihn und er wollte auch schon zum Angriff übergehen doch ich schrie: „Nein. Nein. Bitte nicht.", flehte ich. Er gab nach und senkte sein Handtuch. „Wirst du deinem Vater erzählen, dass ich die Küche geflutet habe?" „Ach das kann doch jedem mal passieren und der Eimer war bestimmt schon älter als ich." Er atmete hörbar erleichtert aus. Ich schaute mich in unserer Küche um. „Siehst du Ende gut alles gut, dafür hast du ein bisschen verspätet Feierabend." „Ach das passt schon und du sagst deinem Vater wirklich nichts?" Ich zog meine Finger über meinen Mund. „Ich werde schweigen. Kannst du bitte trotzdem noch das restliche Putzzeug wegräumen?" „Mach ich Chef", sagte er und salutierte kurz vor mir. Was war das denn? Wenigstens macht er was ich sagte. Er hat auch einen schweren Tag hinter sich. „Danach darfst du gehen, außer wenn du nicht noch einen Raum fluten willst?" „Nein nicht wirklich, dafür hab ich noch die ganzen Ferien Zeit." Er ging und nahm das Zeug mit. „Dann darf ich mich ja auf was freuen", dachte ich.
Endlich konnte ich das tun was ich vorhatte. Ich holte den Schlüssel für den Laden und als ich wieder raus kam, stand Finn schon fertig angezogen an der Tür. Wie ein kleines Kind, dass sich auf den Spielplatz Besuch freute und es kaum noch erwarten konnte. Ich fragte mich warum ich so nett zu ihm war, obwohl ich vermutete, dass es an dem Unfall lag. Die Situation war einfach unerwartet. „Muss ich eigentlich immer einen Raum fluten, damit du so nett zu mir bist." Scheiß man, kann der Gedanken lesen. „Ist bestimmt keine gute Lösung der Sache, aber noch schlechter ist die Idee mich einfach verführen zu wollen." Er riss die Augen auf und sein Gesicht färbte sich rot. Ich schaute ihn leicht wütend an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das haha..st du gege..hört", stotterte er vor sich hin. „Jaa, sogar sehr gut." Er schaute beschämt nach unten. „Das war nicht mein Ernst", versuchte er sich zu rechtfertigen. „Das hat sich, als du das mit meinem Vater geredet hast, aber total anders angehört." „Ach verdammt. Tut mir leid", flüsterte er den letzten Teil. „Was hast du gesagt." Ich beugte mich etwas nach vorne. „Man es tut mir leid", brüllte er mich an. „Geht doch, aber ob ich dir endgültig verzeihe, sehen wir dann morgen, wenn du genau so gute Arbeit leistest wie heute und wenn du mir versprichst keine Räume mit Absicht zu fluten." „Ich verspreche es und es tut mir leid dass du das gehört hast." „Mhmm. Jetzt raus hier." Ich scheuchte ihn nach draußen. „Wir sehen uns morgen, Chefin." Ich gab keine Antwort und machte nur leise die Tür zu und schloss ab.
Ich setzte mich auf einen der Stühle die noch unten standen. Ich atmete lange aus. Was ein Tag, aber ich hab das Gefühl das Morgen ein sehr schöner Tag werden würde.
Plötzlich hörte ich ein Handy klingeln. Meins war es nicht, denn in meiner Tasche vibrierte nichts. Ich schaute mich betreten in der Gegend um. Es konnte bloß Finns sein und zuletzt war er in der Küche. Schnellen Schrittes ging ich in die Küche. Dort lag sein Handy auf einem Tresen und drohte an der Kante hinunter zu fallen. Ich sprintete Richtung Tresen und fing es noch genau im letzten Moment auf. Dummerweise kam ich bei meinem Rettungsversuch auf den grünen Hörer. Ich konnte jetzt nicht einfach auflegen. Es wäre komisch, wenn jetzt nicht dran gehen würde. Schnell nahm ich das Handy ans Ohr und sagte leicht außer Atem: „Finns Handy hier. Emelia am Apparat ."Das einzige was auf der Leitung zu hören war, war ein lautes keuchen. Ich wollte grad wieder etwas sagen, da quietsch mir ein schrille Stimme entgegen. „Ach du bist die Hure mit der Finn mich betrügt!" Was? Betrügen? Ich mach hier gar nichts mit gar niemanden. Was erzählt die da für einen Dreck. „Ähm, wie bitte?" „Du brauchst dich jetzt nicht dumm zu stellen. Ich weiß schon das er sich seit Monaten mit dir betrügt!" „Was? Wie bitte?" „Du brauchst mir keine Ausrede aufzutischen oder kannst du mir sagen warum bitte schön, du, an dieses Handy gegangen bist?" „Weil er es hier liegen gelassen hat." Und das war kein bisschen gelogen, doch das wollte sie anscheinend nicht einsehen oder hat es falsch aufgenommen. „Ja ganz sicher weil er bei eurer ganzen Vögelei mich vollkommen vergessen hat." „Ähh, nein." „Ach du darfst jetzt deine Fresse halten. Finn wird dafür schon seine gerechte Strafe bekommen." Sie legte wütend auf. Diese kleine Furie. Was meinte sie bloß mit „Seine gerechte Strafe". Der kommt schon klar. Was soll schon passieren, er ist kein schmächtiger Junge. Ich steckte das Handy in meine Tasche und fing an, die Stühle hoch zu stellen. Ich hatte jetzt echt auf nichts mehr Bock, außer das mir plötzlich auffiel das der Tag nicht so Schweißlos verging. Also ging ich hoch ins Bad und ließ mir eine Wanne ein. Ganz viel Schaum musste es sein. Darum schüttete ich gefühlt eine halbe Flasche Schaumbad in das Wasser. Wenn man für etwas nie zu alt ist dann sind es Schaumbäder. Ich machte schnell noch unten im Café das Licht aus.
Langsam setzte ich mich in das heiße Wasser. Ich legte mich gemächlich in die Wanne und schaltete mein Gehirn aus.
Eine Stunde später, ohne Gehirnaktivitäten ist auch mal was schönes. Schnell trocknete ich mich ab und zog mein Schlafzeug an. Ich legte mich in mein kuschliges Bett. Doch bevor ich schlafen ging zückte ich noch mein Tagebuch. Es lag unter meinem Kopfkissen. Es hat einen blauen Einband und sah schon sehr benutzt aus. Meine Probleme in sich zu tragen, ist eben keine leichte Aufgabe. Ich beschrieb meinen Tag und brauchte circa 3 Seiten des A5 großen Buches. Es war nicht mein erstes Tagebuch und ich schwöre bei Gott, es wird auch nicht das letzte sein. Ohne mein Tagebuch wäre ich ein nichts. Schließlich hab ich immer jemanden der mir Tag und Nacht zuhört, ohne Fragen zu stellen. Nach meinem äußerst langen Eintrag, legte ich mich direkt auch schon hin und machte das Licht aus. Ich bin ein Seitenschläfer und darum muss ich immer aus dem Fenster schauen. Das blöde ist, so scheinen oftmals Sonne und Mond direkt auf mein Gesicht. So ist es zumindest niemals dunkel in meinem Zimmer.
Plötzlich stand ich wieder im Cafe. Es war gefüllt mit Gästen. Ich schien die einzige Bedienung heute zu sein. Ständig schaute ich mich ungeduldig um, als würde ich auf etwas warten. Vielleicht ja auf Finn, was zumindest erklärlich war. Ich schaute auf die Uhr und es war bereits 12 Uhr und damit war er schon 4 Stunden zu spät. Ich machte zwar meine Arbeit, war aber sichtlich abgelenkt.
Es war ruhiger geworden im Cafe und ich bediente die Leute die außerhalb saßen. Als ich draußen bediente, wurde es plötzlich merkwürdig still. Ich war gerade dabei eine Bestellung aufzunehmen, als der Gast plötzlich auf die offene Straße zeigte. Nur kurz drehte ich mich um, um meine Neugier zu stillen, doch ich konnte nicht viel erkennen. Ich drehte ich mich wieder zurück, doch der Kunde war verschwunden und nicht nur einer, Sondern alle. Überall. Nicht ein Mensch war mehr auf den Straßen oder im Cafe. Nicht eine Menschenseele. Ich drehte mich noch einmal in die Richtung in der der Gast gezeigt hatte. Auf der Straße lag plötzlich jemand. Notorisch ging ich auf den leblosen Körper zu. Mir wurde langsam mulmig in der Magengegend, denn ich glaubte den Körper identifiziert zu haben. Als ich nur noch 10 Meter von der Leiche entfernt war, blieb ich erst geschockt stehen, bevor ich darauf zulief. Es war Finn mit mehreren Messerstichen in der Brust. Eine Blutlache hatte sich um seinem Körper gebildet, in der ich nun kniete. Aus seinem Körper und Mund lief Blut. Es war grauenerregend, doch davon ließ ich mich im Moment nicht beirren. Ein paar Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln und verschleierten mein Sichtfeld. Ich hockte mich über ihn, versuchte ihn zu wärmen, als wenn es ihn wieder zum Leben erwecken würde. Seicht streichelte ich sein Gesicht und mein Kopf lag auf seine Brust. Plötzlich hörte ich einen Herzschlag. Er lebte noch. Ich sah hoch zu seinem Gesicht und seine Augen waren einen kleinen Spalt geöffnet. „Emelia. Renn!" Ich blickte nach oben und es standen wieder Leute um uns herum. Sie beobachteten seelenruhig das Schauspiel. „Wieso hilft ihm denn keiner!", schrie ich entsetzt. Wieder schossen mir die Tränen in die Augen. Durch die Menge traten zwei muskulöse Männer in schwarzen Kleidern. Sie zogen mich von ihm weg und ich wehrte mich so stark ich konnte, doch sie waren stärker als ich. „Lasst mich los!", tobte ich, „Nun helf ihm doch endlich jemand!" Alles das war nutzlos.
Schweißgebadet wachte ich in meinem Bett trampelnd auf. Ich starrte die Decke an. Es war komplett still in meinem Zimmer. Das einzige was man hörte, war meinen keuchenden Atem. Die Sonne war schon aufgegangen. Es war hell in meinem Zimmer. Ich schaute auf mein Handy und es war erst halb 7. Mein Kopf war leer, doch ein was wusste ich noch.
Das einzige was mir jetzt helfen würde, war ein Tee.
Kein besonderer Cut, aber eine Person darf sich jetzt angesprochen fühlen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro