Kapitel 3
Der Weg zur Schule war nicht besonders weit, wenigstens einen Vorteil musste die zentrale Lage der Garage ja haben. Sobald ich Jacob mit gutem Gewissen an seinem Klassenzimmer abgeliefert hatte machte ich mich auf den Weg zu meinem eigenen. Die älteren Schüler waren im ersten Stock untergebracht, die jüngeren im etwas älteren Erdgeschoss. Insgesamt war die Schule gut besucht, mit fünfhundert Kindern waren sie die obere Hälfte der Gesellschaft, die, denen es noch einigermaßen gut ging. Meine Klasse war okay, mit den meisten verstand ich mich, mehr jedoch auch nicht. Ich war froh wenn sie mich in Ruhe ließen und weiter in ihrer eigenen Welt lebten in der Probleme ausgeblendet wurden. Sie hatten gelernt, nicht über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und ihr Leben so egoistisch es auch war, für sich zu leben. Schließlich wusste niemand wie lange man das, selbst als Reicher, noch konnte.
Aber natürlich gab es auch die anderen, die, die mich als Abschaum ansahen und mich mit hochgezogener Nase verachteten. Ich hatte in den letzen Jahren gelernt mich abzuschotten, nicht auf die Meinungen von anderen Leuten zu hören und so gut wie es eben ging mein eigenes Ding zu machen, wie eigentlich jeder. Aber das war verdammt schwer, besonders wenn es jemanden gab der dir mit Freude Steine in den Weg legte und sich darüber freute, wenn man schlechte Noten hatte oder zu spät kam. Dieser jemand war Salamandra, ehemals Freundin bis sie entdeckt hatte das sie mit nur einem Fingerschnipsen Leuten Angst einjagen und Dinge nach ihrem Willen hatte lenken können. Ihr Vater war einer der Aufsichtsräte im Staat und sie waren reich. Mit Villa, schicken Autos und allem. Eigentlich war es erstaunlich das man von den Slums der Stadt nur zehn Minuten zu so einem Viertel brauchte, in dem Sorgen Dinge von gestern waren.
Als ich neu in der Klasse war hatte ich mich mit ihr angefreundet, wir hatten uns ziemlich gut verstanden. Salamandra hatte mich zu sich nach Hause eingeladen und von da an war dann alles bergab gegangen. Schon damals waren wir nicht die vermögendsten Leute gewesen, hatten uns einfach nicht viel aus Geld gemacht. Anscheinend war das für Salamandras Familie ein Problem gewesen, als mich ihre Eltern in einem Kreuzverhör nach dem Status meiner Familie ausgefragt hatten, hatte ich ohne Bedenken von unserer noch kleinen heilen Welt in der Enge der Wohnung erzählt, von den Geschichten meiner Mum im Dunkeln wenn mal wieder der Strom ausgefallen war. Kurz darauf musste ich leider gehen und war von Ethan abgeholt worden. Und am nächsten Tag hatte mich Salamandra nicht mal mehr eines Blickes gewürdigt, sie missachtete mich und hatte nicht aufgehört Leute gegen mich aufzuhetzen, falsche Geschichten zu verbreiten und ganz unauffällig Stifte und Blätter verschwinden zu lassen. Keine Ahnung was ihre Eltern ihr damals erzählt hatten, aber inzwischen müsste sie doch eigentlich groß genug sein um sich ihre eigene Meinung darüber zu bilden, oder?
Das mit meiner Familie war ihr gerade richtgekommen, Anlass mehr um mich zu piesacken und auszuschließen.
Ich passierte die Tür des Klassenzimmers und legte meinen Aufsatz vorne auf dem Tisch der Lehrerin ab. Drei Seiten über die Verständigung von Delfinen, wer brauchte so etwas schon? Aber es half mir mein Ziel, einen guten Abschluss und somit mein Studium zu erreichen und dafür war mir keine Arbeit zu viel. Miss Winchester nickte mir zu und wandte sich an den nächsten Schüler, von mir erwartete sie nicht viel anderes als das ich mich zu einhundert Prozent in den Stoff hineinhängte, ich war nicht umsonst eine der Besten.
Ich beachtete die Clique, wie ich sie nannte, mit keinem Blick als ich nach hinten zu meinen Tisch an den anderen vorbeilief. Sie waren Infiltrierte, Salamandras Freundinnen die sie bei allem unterstützten und wohl nicht einmal stoppen würden wenn sie ihnen sagte sie sollen aus dem Fenster springen. Okay, das war wohl etwas drastisch formuliert aber so war es. Wille mit Hilfe von Einladungen zu exklusiven Partys und Teilhabe an allem was schick und sowieso hipp war gebrochen. So war Salamandra eben.
Ich übersah ihren Fuß und in der nächsten Sekunden landete ich auch schon auf meiner Nase.
„Ups. Das tut mir aber Leid." Mit einem falschen Lächeln sah sie von oben zu mir herab und ich funkelte sie wütend an. Sie musste gar nicht so nett tun, das war nicht das erste Mal das sie so etwas getan hatte und sicher auch nicht das Letzte.
„Oh, sorry", meinte ich halbherzig als ich mich beim Aufstehen an ihrem Tisch festklammerte und ihren Block mitsamt ihrer darauf ausgebreiteten Sammlung an Schminkutensilien zu Boden wischte.
Wir starrten uns an und keiner wollte die Erste sein, die wegsah.
„Mädchen, was ist da hinten los?", rief Miss Winchester von vorne und schnell trottete ich weiter, ich wollte ihre Aufmerksamkeit auf gar keinen Fall auf mich lenken. Ich musste einen guten Eindruck machen, schließlich standen diese Woche meine Noten für den Praxistest auf dem Spiel.
Beim Praxistest ging es darum, alle gelernten Fakten in Mathematik, Englisch und Chemie praktisch umzusetzen. Der Test zählte die Hälfte der Abschlussnote und damit stand meine Zukunft auf dem Spiel.
Irgendwo war immer Getuschel zu hören, die Regierung rekrutiere die Besten Schüler des Chemietests für ihre Labore, aber ich hielt das nur für eine waghalsige Theorie. Klar, keiner wusste was da abging und seit der letzten Außeinandersetzung mit China an der Westküste, bei der ein neuer Virus freigesetzt wurde, schien alles möglich.
Ich ließ mich auf meinem Platz in der hintersten Reihe nieder, perfekt um dem Unterricht zu folgen und gleichzeitig auch ab und an unbemerkt abzuschalten.
"Okay. Wenn ihr euch entschieden habt aufzupassen können wir anfangen!" Oh, und Miss Winchesters Temperament hatte ich auch vergessen.
Aber sie hatte die Klasse unter Kontrolle, augenblicklich wurde es still.
"Wie sie alle wissen ist es nicht mehr lange bis zu den Abschlusstest nicht mehr lange hin. Wenn sie sich gut darauf vorbereiten, wird das kein Problem sein. Aber ich gebe ihnen einen guten Rat, denn ich hatte schon viele die genau deswegen nicht bestanden haben: halten Sie ihre Nerven unter Kontrolle! Das ist das einzige, was sie daran hindern kann mit einer perfekten Abschlussnote diese Schule zu verlassen und zu studieren."
Das es nicht für alle hier einen Studienplatz geben würde, erwähnte sie nicht. Und dass es meistens auch keinen Sinn machte zu studieren auch nicht. Was nützte einem ein abgeschlossenes Philosophiestudium wenn man danach keinen Job hatte? Wenn man in der heutigen Zeit ums Überleben kämpfen musste und man mit einem Philosophiestudium höchstens Poesie über die tollsten Dinge schreiben konnte, diese aber nie Wirklichkeit wurden?
Die Schule verschloss die Augen vor der Realität, sie erzählte keinem das auf den Straßen direkt vor der Schule Menschen starben. Ignorant.
"Aber wie sollen wir das schaffen?", fragte Julian, Streber in der ersten Reihe. Dabei war es doch glasklar, jedenfalls dem Rest der Klasse. Julian musste wirklich hinter dem Mond gelebt haben.
Es war allgemein bekannt dass so manche Schüler hier illegale Beruhigungsmittel verschacherten, egal in welcher Dosis und zu welchem Zweck. Ich hatte davon noch nie Gebrauch gemacht und hoffte, es auch nicht tun zu müssen.
"Gabriella?" Ich schrak aus meine Träumereien empor.
"Ähhh... ja?"
"Können Sie die Frage beantworten?" Ich hatte keine Ahnung worum es ging.
"Ich befürchte nein." Verdammt, das war ganz und gar nicht gut. Ich brauchte perfekt Ergebnisse. Miss Winchester wandte sich ab. Ich knirschte mit den Zähnen als stattdessen Salamandra die perfekte Antwort lieferte.
So konnte es gehen. Natürlich nutzte sie jede Chance um mich auszuspielen.
"Hallo?" Die Tür zum Klassenraum wurde von einem Mädchen in den jüngeren Klassen geöffnet, die ihren Kopf hereinsteckte. Sie sah verängstigt aus, ihr stand Schweiß auf der Stirn.
"Ja?", fragte Miss Winchester genervt.
"Ist Gabriella hier in der Klasse?" Mein Hals fühlte sich auf einmal an wie zugeschnürt.
"Was ist?" Meine Stimme klang schwach und rau.
"Du sollst so schnell wie möglich mit mir kommen... deinem Bruder geht es total schlecht, er ist zusammengebrochen und.." Ich war schon beim Anfang des Satzes aufgesprungen.
Das Letzte was ich sah als ich wie benommen aus dem Klassenzimmer stürmte war Salamandras Gesicht. Und was mich noch mehr erschütterte war, dass sie ehrlich betroffen aussah.
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