
27. Kapitel - Die missglückte Mission
"Das ist ekelig!", maulte ich und blickte auf den Gullydeckel, der auf die Seite geschoben worden war. Ich sah ins Loch vor mir und jemand klopfte mir lachend auf die Schulter.
"Wer bei Missionen dabei sein will, der muss auch manchmal in die Kanalisation", lachte eine Frauenstimme neben mir und ich funkelte Sara an. Wie immer trug sie eine Kappe mit einem braunen Pferdeschwanz, der hinten herausschaute.
"Die anderen fahren auch mit einem Auto."
Ich wollte absolut nicht in die Kanalisation, doch von unten im Loch hörte ich nun Marcs hallende Stimme: "Du wolltest ja unbedingt auf diese Mission mitgehen, also beweg' deinen Hintern nach unten, Rosaly!"
"Ich war auch schon bei vielen mit meinen 17 Jahren dabei, aber das ist dennoch ekelhaft!", rief ich aus, schüttelte mich.
"Heutzutage ist die Kanalisation viel angenehmer. Früher, als die Welt noch normal gewesen ist, hat es dort unten gestunken, sehr sogar", erklärte mir Sara, als ich auf die erste Sprosse der Leiter stieg, die nach unten führte.
"Und jetzt sind da unten wahrscheinlich Cranks und immer noch ist alles voller Dreck, also ich sehe keine Verbesserung.", ich kletterte los und die Frau seufzte.
"Ja, weil du dich auch nicht daran erinnern kannst. Für dich ist diese Neue Welt normal", meinte sie und da hatte sie recht. Für mich gab es nämlich keine andere Welt, als die voller Cranks und mit Wicked. Es war ganz normal, dass es einen Widerstand gab, die Menschen sich bekriegten. Zumindest für mich und all die, die noch sehr jung gewesen waren, als die Sonne die Erde verbrannt hatte.
Der Brand ausgebrochen ist...
Wenig später kam ich bei Marc an, der bis zu den Knöcheln im Wasser stand. Als Sara von oben den Gullydeckel wieder übers Loch schob, wurde es dunkel. Sofort schaltete der Mann neben mir eine Taschenlampe an und auch ich überwand mich und stieg ins Wasser.
Im nächsten Augenblick kam Sara zu uns nach unten. Sie knipste eine Taschenlampe an. Das Licht der beiden Lampen beleuchtete den Gang vor uns, der sich ebenso nach hinten weiter ausstreckte. Es war ein Tunnel und es war drückend still. Überall war der Boden voller Wasser, obwohl ich glaubte, dass es nicht überall der Fall war. Denn wo wir in die Kanalisation abgestiegen waren, hatte sich die Brandwüste noch nicht komplett ausgebreitet und diesen Tunnel ausgetrocknet.
Ich spürte, wie meine Hosenbeine langsam nass wurden, Wasser aufsaugten. Aus diesem Grund wurde ich glücklicher, als wir losgingen. Ich klammerte mich an den Trägern meines Rucksacks fest und als wir zur ersten Biegung kamen, befürchtete ich, dass Cranks auftauchen würden. Mein Blick ging nach links und rechts, doch komischerweise war es still.
"Wimmelt es hier nicht von Cranks?", fragte ich verwundert.
Ich sah zu Sara und Marc, die beide schwer bewaffnet waren. Auch ich trug eine Waffe, doch die beiden konnten eine ganze kleine Armee von Wicked auslöschen, obwohl unser Teil der Mission dies nicht vorsah. Wir waren nämlich nur dazu da, um den anderen einen Zugang zum Gebäude zu verschaffen, um unsere Zielperson aus Wickeds Fängen zu befreien. Demnach würden wir drei die Technik von Wicked lahmlegen. Die anderen würden ein Mädchen namens Sally befreien. Sie war die Tochter von einer hohen Ärztin, die für Wicked arbeitete.
Das Mädchen sollte in Wickeds Programm aufgenommen werden. Die Mutter hatte alles versucht, um ihr Kind zu retten, doch als sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte, hatte sie sich an den Rechten Arm gewandt, der heute ihre Tochter und eine Gruppe anderer Kids befreien würde. Natürlich nicht ohne Gegenleistung, denn dafür müsste uns die Ärztin ihre volle Loyalität geben und unsere Informantin werden.
Nichts geschieht ohne einen Vorteil für uns, dem Rechten Arm. Vor allem bei einer solch gefährlichen Mission.
"Na, das will die kleine Rosaly wissen? Wo die putzigen Stinker sind, hm?", fragte Sara neckend und ich rollte mit meinen Augen. Ich hasste es, wenn sie mich als klein betitelte, obwohl ich schon siebzehn war, also vor einer Woche geworden war.
"Ja, das will ich wissen. Und. Ich. Bin. Nicht. Klein!", sprach ich genervt. Marc neben mir schlug den linken Weg ein, wo das Wasser seichter wurde.
"Ich erzähl' es dir aber nur, wenn du zustimmst, dass du doch noch klein bist", forderte Sara. Ich seufzte tief.
"Gut, in deinen Augen bin ich klein, zufrieden?", auf mehr würde ich mich nicht einlassen und da Sara das wusste, begann sie, amüsiert zu sprechen: "Hier gibt es nur wenige Cranks und die, die da sind, sind meist verrottet. Der Rechte Arm, aber auch ein paar andere, die die Kanalisation für ihre zwielichtigen Geschäfte nutzen, haben die meisten Cranks in andere Tunnel umgeleitet. Größtenteils außerhalb der Stadt, aber viele sind noch in U-Bahnschächten. Trotzdem sollte man nie darauf vertrauen, dass einem keine Horde Cranks begegnet", erklärte mir die Frau und ich nickte.
"Also ich kämpfe lieber gegen Cranks, als Menschen", meinte der Mann, der in seinen frühen Dreißigern sein musste. Ich musterte ihn. Er hatte blonde, kurze Haare und sein Gesicht war glattrasiert. Marc war meistens, also von meiner Sicht aus, etwas verklemmt und nahm alles viel zu ernst. Wahrscheinlich war das aber der Grund, warum mein Vater ihm so sehr vertraute. Deswegen zählte Marc zum engeren Kreis des Widerstands, der das Recht hatte, eigene Entscheidungen zu treffen, sofern sie nicht die Zustimmung des Anführers bräuchten.
Sara war hingegen feuriger und verhandeln hieß bei ihr, mit Waffengewalt Menschen zu drohen. Da die beiden sich aber sehr gut mit Technik auskannten, bildeten sie meist ein Team. Sie waren jedoch gut miteinander befreundet, wenn sie auch einen großen Kontrast zueinander formten.
Das hinderte mich aber nicht daran, sie beide zu mögen. Ich verbrachte in meiner Freizeit viel Zeit mit ihnen und heute war ich mit ihnen unterwegs. Unsere erste gemeinsame Mission war es jedoch nicht.
"Ich weiß nicht. Ein Mensch bringt einen schneller um, als ein Crank", hielt Sara dagegen, doch Marc blieb bei seiner Meinung.
"Ja, aber ein Crank würde dich bloß beißen, kratzen und dann stirbst du am Brand. Wicked würde sicher Freuden daran haben, Personen des Rechten Arms in ihren Fängen zu haben. Das Foltern und den anschließenden Tod stelle ich mir schlimmer vor", erklärte er, trotzdem war ich Saras Meinung. Zwar würde man in beiden Szenarien bestimmt sterben, doch in Gefangenschaft hatte man immer noch eine kleine Chance auf Flucht. Gegen ein Virus war der Kampf deutlich schwieriger.
Jedoch dachte ich nicht mehr darüber nach und zu dritt machten wir uns schweigend auf den Weg, um unsere Mission zu erfüllen.
Alles lief nach Plan. Wir hatten es geschafft, in eines von Wickeds Auffanglagern einzubrechen. Alle waren auf Position und auch unsere Komplizen in Wickeds Reihen waren bereit. Mit ihrer Hilfe waren wir auch in die Technikzentrale gekommen und in diesem Moment stand Marc vor einem Sicherungskasten. Er unterhielt sich mit meinem Vater über Funk.
"Alle sind auf Position", hörte ich meinen Vater sprechen, der draußen auf die Kinder wartete, "Wie sieht's bei euch aus?"
"Alles läuft nach Plan und Rosaly benimmt sich", witzelte Marc darauf, zeigte etwas Humor. Mein Kopf schnellte zu ihm und ich machte ein grimmiges Gesicht. Zuvor hatte ich die ganzen Schaltkästen gemustert sowie Sara, welche die Tür bewachte, doch jetzt funkelte ich den Mann an. Ich ging auf ihn zu, schnappte mir das Funkgerät.
"Marc redet Blödsinn; ich benehme mich nicht nur gut, sondern ich bin das Glied, das diese Gruppe zusammenhält, ha!", verteidigte ich mich und hob mich in den Himmel.
Ich ließ den Knopf vom Gerät los, anschließend erklang ein Lachen von der anderen Leitung, folglich die Stimme meines Vaters: "Dann muss ich mir ja Sorgen um meinen Platz als Anführer machen.", kurz war wieder Ruhe, "Pass einfach auf dich auf und höre auf Marc und Sara", ließ er seine Rolle als Vater heraushängen. Ich seufzte leise.
"Ja, mach' ich, aber alles wird gut gehen und ich kann auf mich selbst aufpassen", meinte ich etwas eingeschnappt, aber auch wusste ich, dass er es nur gut meinte.
"Darüber bin ich mir bewusst. Trotzdem bin ich immer noch ein Vater. Ich will, dass dir nichts passiert."
"Ja, ich hab' dich auch lieb, Dad", meinte ich wieder seufzend.
"Geht doch. Gibst du mir dann wieder Marc?", lachte mein Vater und ich tat es.
Kurz darauf war alles vorbereitet und Sara hielt uns die Tür auf, als Marc den Strom abschaltete. Sofort ertönte ein Alarm. Lampen, vom Notstromgenerator angetrieben, begannen zu leuchten. Schnell kappte Marc noch einige Leitungen, dann rannten wir aus der Technikzentrale, die sich im Keller vom Auffanglager befand. Ein Auffanglager, das vollen Zugriff auf die Kanalisation hatte und nicht vollkommen abgeschieden war. Obwohl die Nähe zu etwas in der Brandwüste natürlich immer relativ war.
Wicked versuchte immer noch, ihre bösen Machenschaften von der Menschheit zu vertuschen. Aus diesem Grund lag das Lager abgelegen von den verlassenen Städten, doch es war nahe an unserem derzeitigen Aufenthalt.
Flott liefen wir durch einen Gang, der im roten Licht leuchtete. Wir hatten nicht viel Zeit, bis uns Wickeds Leute entdecken würden, also die, welche nicht in der heutigen Mission auf unserer Seite waren. Da wir aber nie dieses Privileg hatten, würden wir es auch so schaffen müssen.
Heute waren einige auf der unsrigen Seite, weil die Ärztin dem Anschein nach viele Verbündete hatte. Anders wäre ein solcher Einbruch in eines von Wickeds meist bewachten Gebäuden eine reine Selbstmord-Mission gewesen.
Wir waren schon fast draußen, als die Stimme meines Vaters aus dem Funkgerät ertönte: "Marc, Marc!", rief er aufgewühlt und etwas musste passiert sein, "Bitte kommen!"
"Marc hier", sprach der Mann im Lauftempo, hielt das Gerät vor seinen Mund.
"Wir haben eine Planänderung. Das Zielobjekt ist nicht im Komplex A, wie angenommen. Sie ist nicht im Komplex A, verstanden?", sprach er und hinter ihm erklangen ein paar Schüsse. Sofort spürte ich Anspannung in mir aufkommen.
Wir sind entdeckt worden!
Die Leute draußen mussten unter Beschuss stehen und als mein Vater fortsetzte, wurde dies klarer: "Wir stehen unter Beschuss und verladen eine Gruppe Kids, aber das Mädchen ist nicht unter ihnen. Alex meinte, dass sie mit ein paar anderen Kindern fortgebracht worden ist, als die Wachen von unserer Mission Wind bekommen haben. Sie sind zum Komplex C 'rüber, genau, wo ihr seid. Sie sind bewaffnet, also passt auf, aber diese Mission darf nicht scheitern. Jetzt seid ihr an der Reihe, wir brauchen dieses Kind!", ich hörte wie der Motor des Fluchtwagens gestartet wurde, anschließend quietschende Reifen.
"Ihr seid einstweilen auf euch allein gestellt. Wir kommen nicht mehr ins Gebäude, aber wir liefern ihnen weiter Feuer, also nutzt diese Zeit, um auf demselben Weg herauszukommen, wie ihr hineingekommen seid. Im Ernstfall vergisst das Kind. Ich muss aufhören, over!", wies er an.
Sara neben mir schien erfreut zu sein. Schnell nahm sie ihre Waffe enger an sich und auch Marc nahm seine Waffen von seinem Rücken.
"Jetzt wird es endlich auch für uns lustig!", freute sich die Frau mit den braunen Haaren neben mir und ich sah ihr in ihre Augen. Ich war fast genauso groß wie sie mit meinen siebzehn Jahren und nun würde es ernst werden. Der Ausgang der Mission lag in unseren Händen. Wir würden alles dafür tun, dass sie ein Erfolg sein würde.
Marc holte sein Tablet heraus und auf dem Display erschien eine Karte vom Gebäude. Folgend blinkte eine Nachricht auf. Sie schien von Wickeds System zu kommen, das wir gehackt hatten.
"Wir müssen rechts, kommt!", rief er, bog scharf ab. Der Alarm dröhnte in meinen Ohren und meine Füße bewegten sich schnell über den Boden.
Wir liefen etliche Gänge entlang und die Männer von Wicked, die uns entgegenkamen, bekamen alle mindestens eine Kugel ab, bevor sie Alarm schlagen konnten. Die Waffen von Marc und Sara trugen Schalldämpfer, warum ich mich mit meiner Waffe zurückhalten musste. Mein Vater trug für diese Entscheidung die Verantwortung, da er wollte, dass ich nur im Notfall jemandem das Leben nehmen sollte. Angeblich würde das Töten irgendwann auf die Psyche gehen, doch einstweilen hatte ich noch keine solche Erfahrung gemacht.
Kurze Zeit später schienen wir unserem Ziel näherzukommen. Wir waren einen Stock nach oben gelaufen und als wir um die nächste Ecke bogen, wurde das Feuer auf uns eröffnet.
"Scheiße!", stieß Sara aus und wir suchten Deckung hinter einer Wand. Es schlugen Kugeln in die Wand ein. Sie rissen Beton mit sich, das durch die Luft flog.
"Da ist das Mädchen!", rief Marc, als er um die Ecke spähte und ein paar Schüsse abgab. Die anderen schossen ebenso lautstark zurück.
Am Boden hockend griff ich nach meiner Pistole und spähte um die Ecke. Ich entdeckte eine Gruppe von Kindern, die von ein paar Bewaffneten zurückgedrängt wurde, dann drückte ich den Abzug ein paar Mal. Drei Geschosse trafen einen Mann in den Hals, der ungeschützt war. Er fiel blutend zu Boden.
Mit rasendem Herzen suchte ich wieder hinter der Wand Schutz, keuchte: "Einer weniger."
"Zwei", meinte Sara und auch sie suchte Schutz.
Danach feuerte Marc wieder mit seiner automatischen Waffe, welche die letzten drei Feinde besiegte. Es wurde ruhig. Marc blieb im Gang stehen und deutete uns, dass die Luft rein war. Schnell stand ich auf und wir rannten um die Ecke, wo eine Gruppe von traumatisierten Kindern auf uns wartete.
Es waren sieben Kinder, die die Wachen von Wicked fortschaffen hatten können, und unter ihnen war unsere Zielperson. Ein Mädchen mit blonden Haaren, um die all das hier ging, doch sie hatte absolut keine Ahnung davon.
Während Sara sicher ging, dass die Feinde tot waren, ihnen zusätzlich in den Kopf schoss, und Marc mit meinem Vater über Funk sprach, ging ich zu den Kindern und steckte meine Waffe weg. Ich symbolisierte ihnen, dass wir ihnen nichts tun würden.
Folgend erhob ich meine Stimme: "Wir tun euch nichts, wir helfen euch, okay?", ich hob meine Arme, "Du bist Sally, oder?", fragte ich.
Das Mädchen sah mich ängstlich an. Ihre Augen glitzerten, da Tränen ihre Wangen hinabliefen. Sally und die anderen Kinder hatten Angst. Sie waren alle zwischen zehn und fünfzehn Jahre alt und schienen erst verarbeiten zu müssen, was passiert war.
Sally nickte leicht. Ich sprach weiter: "Deine Mutter hat uns geschickt, um dich zu retten; Wicked ist nicht gut."
"Meine Mutter?", fragte sie stotternd und ich nickte.
"Wir sind der Rechte Arm", meinte nun Sara neben mir, "und wir retten Kids von Wicked, aber wir müssen weiter!", meinte sie und auch Marc war fertig.
"Die Ostseite ist frei, schnell! Für Erklärungen ist später noch genug Zeit!", meinte er, war so einfühlsam wie immer.
Ich rollte leicht mit meinen Augen, aber er hatte recht. Schnell bot ich Sally meine Hand an und sie schien Vertrauen zu haben. Das Mädchen nahm meine Hand an, anschließend liefen wir weiter, doch niemand hätte wissen können, dass wir in unser Verderben rannten.
Das Ende dieser Geschichte war allen bekannt. Die Luft war nämlich nicht rein und Wickeds Männer waren uns bereits auf den Fersen. Sie eröffneten das Feuer. Ich wurde getroffen, fiel auf den Boden und wurde zu einer der Verlorengegangen.
Ich kam zu Michal, der mir Informationen entlocken sollte, doch ich hielt stand. Ich hielt seine Folter aus und der Gedanke, dass es mindestens meine Gruppe geschafft hatte, brachte mir Genugtuung. Auch brachte es mir heute noch Genugtuung, dass sie nichts aus mir herausbekommen hatten.
So hatte meine Reise ins Labyrinth begonnen und nun ging die Reise weiter. Zurück zum Rechten Arm, meinem Zuhause.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro